Beweislastumkehr Gewährleistung - Einschätzung Erfolgsaussichten

31. Oktober 2017 Thema abonnieren
 Von 
carisi
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
Beweislastumkehr Gewährleistung - Einschätzung Erfolgsaussichten

Hallo,

wie schätzt ihr die Erfolgsaussichten bzw. die Plausibilität folgender Argumentation ein:

- Handy nach 10 Monaten defekt, kein Eigenverschulden
- wurde bei einem Händler mit Zustandsbeschreibung "Neu" gekauft
- Anruf beim Hersteller: Garantie bereits vor 4 Jahren abgelaufen, weil Handy bereits aktiviert und genutzt wurde (schriftl. Bestätigung dazu liegt vor)
- Ersatzteile für Reparatur sowieso nicht mehr verfügbar, da Handymodell vom Produktionsjahr her bereits relativ alt. Es bleibt also nur: gleichwertiger Ersatz oder Kaufpreiserstattung
- wäre das Handymodell (obwohl vom Produktionsjahr her ein älteres Modell) tatsächlich neu (d.h. unbenutzt / nicht aktiviert) gewesen, hätte laut Hersteller die Garantie jedoch auch jetzt noch gegriffen - die Inanspruchnahme der Garantie ist also nur deshalb nicht möglich, weil der Händler ein altes, bereits benutztes Gerät als "neu" verkauft hat
- Hersteller somit nicht zuständig, verweist an Händler/Verkäufer - damit ergibt sich also nun das ärgerliche Problem des Nachweises, dass der Mangel, der zum Gerätedefekt führte, bereits zum Kaufzeitpunkt vorlag (Beweislastumkehr)

angedachte Argumentation beim Händler:

1. Artikel war bei Gefahrübergang von Händler auf Käufer somit - entgegen der Artikelbeschreibung - nicht "neu" und besaß damit nicht die im Kaufvertrag zugesicherte Beschaffenheit, da es offensichtlich vorher benutzt wurde

(laut Rechtsprechung: "Wenn ein Artikel als „neu" deklariert wird, ist aus Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Kunden davon auszugehen, dass der Artikel fabrikneu ist. Als fabrikneu kann eine Ware jedoch nur gelten, wenn sie noch nicht benutzt worden ist, durch Lagerung keinen Schaden erlitten hat und nach wie vor in der gleichen Ausführung hergestellt wird." - OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.04.2014, AZ: 1 U 11/13 ).

2. die Gerätelebensdauer wurde durch diese sehr lang zurückliegende vorherige Nutzung reduziert. Auf Grund der jahrelang zurückliegenden, vorherigen Nutzung lag ein Sachmangel, der zum Gerätedefekt führte, also bereits beim Gefahrenübergang vor oder war zumindest bereits angelegt.

(§ 434 BGB besagt, dass "Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.")

Zusammengefasst: Da das Gerät also bereits vor Jahren aktiviert und genutzt wurde und damit nicht "neu" war, ist folglich davon auszugehen, dass ein Sachmangel bereits zum Verkaufszeitpunkt vorlag (zumindest aber angelegt gewesen ist), welcher zum jetzigen Gerätedefekt führte - das Gerät war somit bei Übergabe / Auslieferung an den Käufer nicht mangelfrei.


Ich habe hier zwar bereits gelesen, dass "eine gelieferte Sache (Smartphone) nicht ALLEIN deshalb als sachmangelhaft beanstandet werden kann, nur weil sie von einem Vorbesitzer geprüft (= aktiviert / eingerichtet) worden (und mit den Daten des Vorbesitzers an den Verkäufer zurückgeschickt, und an einen Zweitkäufer ausgeliefert worden) war. Der Händler bräuchte also nicht darüber zu informieren, daß er ein mit dem "Makel" eines Vorbesitzers behaftetes Gerät liefern wollte, um einer Mängelhaftung zu entgehen. ABER: das kann natürlich nur gelten, wenn eine aus einem Widerruf stammende Sache absolut mängelfrei wäre."

Allerdings ist ja nicht klar, ob das Handy tatsächlich damals "nur aktiviert und eingerichtet" wurde. Es könnte ja auch durchaus sein, dass das Handy aktiv und durchgehend einige Zeit genutzt wurde, dabei irgendwie unsachgemäß gehandhabt wurde und dann an den Händler zurückging und dieser es als "neu" weiterverkauft hat.

Ist denn die Argumentation so einigermaßen schlüssig?

- Ein Händler verkaufte ein Handy als neu, obwohl die Garantie bereits seit Jahren abgelaufen ist, weil das Gerät schon einmal aktiviert und genutzt wurde - allein dadurch kann es zum Verkaufszeitpunkt doch nicht mehr als neu gelten? Falsche Angabe vom Händler also. Zumal die Garantie ja auch jetzt noch gegriffen hätte, wenn es tatsächlich - wie deklariert - "neu" gewesen wäre. Es bestehen also nur deshalb keine Garantieansprüche mehr, weil es eben nicht "neu" war, sondern "uralt".

- Durch die vorherige Nutzung wiederum ist es durchaus plausibel, dass der Mangel auch bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben könnte.

Was meint ihr aus rechtlicher Sicht dazu?

Danke.

-- Editiert von carisi am 31.10.2017 05:31

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4 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120353 Beiträge, 39879x hilfreich)

Zitat (von carisi):
Artikel war bei Gefahrübergang von Händler auf Käufer somit - entgegen der Artikelbeschreibung - nicht "neu" und besaß damit nicht die im Kaufvertrag zugesicherte Beschaffenheit, da es offensichtlich vorher benutzt wurde

Das würde man beweisen müssen.

1. Wie genau will man die zugesicherte Beschaffenheit "neu" beweisen?

2. Man wird "zur Überzeugung des Gerichtes" beweisen müssen das da mehr war, als
Zitat (von carisi):
das Handy tatsächlich damals "nur aktiviert und eingerichtet" wurde.
. Dürfte problematisch werden, ein "die Garantie wurde aktiviert" wird da nicht ausreichend sein.
Eventuell hilft der Betriebsstundezähler (wenn das Gerät so was hat) weiter. Wenn der deutlich über dem rechnerischen Wert leigt den es in Deinem Besitz erlangt haben könnte, hätte man durchaus was in der Hand.

3. Es gibt keine gesetzliche Definition von "neu". Es ist fraglich, ob das Gericht sich der Meinung des OLG anschließen würde.



Zitat (von carisi):
die Gerätelebensdauer wurde durch diese sehr lang zurückliegende vorherige Nutzung reduziert.

Nö.



Zitat (von carisi):
Auf Grund der jahrelang zurückliegenden, vorherigen Nutzung lag ein Sachmangel, der zum Gerätedefekt führte

Dafür wäre man voll beweisbelastet.



Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47655 Beiträge, 16843x hilfreich)

Die Argumentation sollte sich in erster Linie auf 1. stützen, da "neu" eine zugesicherte Eigenschaft war, die aus drei Gründen nicht erfüllt wurde
a) Das Gerät wurde bereits zuvor aktiviert
b) Das Gerät wurde zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr produziert
c) Das Gerät hat mindestens eine Lagerzeit von 4 Jahren vorausgesetzt es wurde nach der Aktivierung nicht betrieben.

Das das Gerät die wesentliche zugesichert Eigenschaft "neu" nicht hatte, liegt ein Sachmangel vor.

Die Definition für "neu" des OLG Saarbrücken entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung.

Eine absolute Garantie, dass man vor Gericht damit durchkommt, hat man aber fast nie. Hier ist zudem nicht klar, welche Argumente der Verkäufer vorbringen wird, um Ansprüche des Käufers abzuwehren.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Sir Berry
Status:
Unparteiischer
(9326 Beiträge, 2999x hilfreich)

Ich frag mich grade, was Dir die ganze Argumentation bringen soll, selbst wenn Du mit "war nicht mehr neu" durchdringen würdest.

Ok, Du kannst den Vertrag anfechten und rückabwickeln. Aber dazu gehört dann auch ein Handy, dass dem Stand bei Übergabe entspricht.

Einen Vertrag aus formalen Gründen aufzulösen und dann ein defektes Teil zurückzugeben, wird nicht klappen.

Zitat (von hh):
Die Definition für "neu" des OLG Saarbrücken entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung.


Bedingt: es gibt auch Urteile die berücksichtigen, ob ein Teil altert (Autos z.B.) oder eben durch Lagerung keine Verschlechterung entsteht (Radio als Beispiel (weil mir bekannt)).

Berry

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Droitteur
Status:
Lehrling
(1598 Beiträge, 406x hilfreich)

Im Fall einer Anfechtung müsste er grundsätzlich nicht mehr herausgeben, als er jetzt noch hat.

Wenn man überhaupt anficht. Vllt sind Gewährleistungsansprüche eher im Interesse des Fragenden.

1x Hilfreiche Antwort

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