Notfallsanitäter Ergänzungsprüfung

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Viele Probleme – Prüfungen häufig rechtswidrig und angreifbar

Seit dem Jahr 2014 hat das Berufsbild „Notfallsanitäter/-in“ das Berufsbild „Rettungsassistent/-in“ abgelöst. Auch wenn das neue Berufsbild noch erhebliche Anlaufschwierigkeiten in der Umsetzung der neuen Kompetenzen der Notfallsanitäter aufweist, so müssen sich die bisherigen paramedizinischen Einsatzkräfte darüber im Klaren sein, dass lediglich die Qualifikation zum Notfallsanitäter eine dauerhafte berufliche Perspektive im Rettungsdienst bietet.

An Ergänzungsprüfung führt kein Weg vorbei

Eine Überleitung der bestehenden Rettungsassistenten zu Notfallsanitätern ist im Notfallsanitätergesetz (NotSanG) nicht vorgesehen. An einer Ergänzungsprüfung, die für sieben Jahre angeboten wird, führt kein Weg vorbei.

Jan Gregor Steenberg
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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz
Hachelallee 88
75179 Pforzheim
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Strafrecht, Arbeitsrecht, Versicherungsrecht

I. Das Gesetz unterscheidet 4 Möglichkeiten:

1. Die „einfache“ Ergänzungsprüfung ohne Lehrgang:

Rettungsassistenten, die bei Inkrafttreten des NotSanG mindestens fünf Jahre als Rettungsassistent / -in tätig waren, müssen „lediglich“ eine Ergänzungsprüfen, die aus einer mündlichen und einer praktischen Prüfung besteht, ablegen. Ein Lehrgang oder ähnliches muss nicht absolviert werden.

Erhebliche Unsicherheit besteht in der Formulierung „Tätigkeit als Rettungsassistent“. Bezugnehmend auf die Erklärungen im Gesetzgebungsverfahren meinen einige Behörden, dass die Voraussetzung „Tätigkeit als Rettungsassistent“ lediglich durch Personen erfüllt wird, die hauptberuflich zu 100% im Rettungsdienst tätig waren. Damit wird nach dieser Auslegung Ehrenamtlichen, Teilzeit-Angestellten und auch Mitarbeiter / -innen in Elternzeit die Möglichkeit einer „einfachen“ Ergänzungsprüfung genommen. Aus unserer Sicht ist dies in erheblichem Maße verfassungswidrig, doch gibt es dazu bislang noch keine gerichtliche Entscheidung.

2. Die Ergänzungsprüfung mit 480 Stunden Lehrgang:

Wer mindestens drei Jahre, jedoch noch keine fünf Jahre als Rettungsassistent tätig war, der kann die Ergänzungsprüfung ablegen, nachdem er eine weitere Ausbildung mit 480 Stunden absolviert hat.

3. Die Ergänzungsprüfung mit 960 Stunden Lehrgang:

Soweit die dreijährige Tätigkeit nicht anerkannt wird, wird eine weitere Ausbildung von 960 Stunden gefordert, um die Ergänzungsprüfung ablegen zu dürfen.

4. Das Vollexamen:

Ebenfalls können Rettungsassistenten das gesamte Examen zum Notfallsanitäter ablegen. In diesem Fall entfällt die ergänzende Ausbildung.

II. Rechtliche Probleme bei der Ergänzungsprüfung:

Die bei uns bearbeiteten Prüfungsanfechtungen zeigen erhebliche Probleme bei den Ergänzungsprüfungen auf. So hat sich beispielsweise in diversen Widerspruchsverfahren gezeigt, dass die Prüfer die gesetzlichen Vorgaben, um als Prüfer tätig zu werden, nicht erfüllt haben. Weiterhin wurden Fristen zur Ladung zur Prüfung nicht eingehalten. Auch kam es vor, dass die Prüfungsausschüsse teilweise vertauscht wurden. Die Prüfungsdokumentation ist an vielen Stellen als oberflächlich zu bezeichnen. Und inhaltlich konnten wir ebenfalls an vielen Stellen erhebliche Bedenken äußern. So ist auffallend, dass die praktischen Prüfungen oft in mündliche Prüfungen wechselten und in der mündlichen Prüfung fast ausschließlich Pharmakologie geprüft wurde und dies in einer Tiefe, die einer fachärztlichen Prüfung gleicht.

Wichtig ist es jedoch zu wissen, dass bei formellen Fehlern die Prüfung bereits rechtswidrig ist, so dass ein Bestehen der Prüfung nicht mehr möglich ist, sondern die Prüfung wiederholt werden muss. Darauf zu bauen, dass die Prüfung inhaltlich angreifbar ist und somit als bestanden zu werten ist, ist juristisch jedoch sehr heikel. Den Prüfern wird ein erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt, so dass Anfechtungen in diesem Bereich sehr häufig scheitern.

III. Tipps bei Prüfungsmängeln:

Um eine juristische Aufarbeitung der Prüfung gut meistern zu können, sind einige wichtige Tipps zu beachten!

1. Rügen, rügen und nochmals rügen

Wenn Ihnen an der Prüfung etwas „komisch“ vorkommt oder Fristen und Zeitvorgaben nicht eingehalten wurden, so lassen Sie dies unbedingt als Rüge in die Prüfungsniederschrift aufnehmen. Dies ist insbesondere wichtig, wenn z.B. die Prüfer abgelenkt waren (Smartphone etc.) oder Störungen während der Prüfung aufgetreten sind.

2. Eigenes Protokoll fertigen

Schreiben Sie zeitnah ein eigenes Gedächtnisprotokoll, damit helfen Sie, eine Prüfung erfolgreich anfechten zu können.

3. Widerspruchs- und Klagefrist nicht versäumen

Im Verwaltungsrecht sind Widerspruchs- und Klagefrist unbedingt einzuhalten. Im Zweifel legen Sie fristwahrend das Rechtsmittel ein. Eine Begründung müssen Sie noch nicht fertigen.

4. Wählen Sie Ihren Anwalt mit Bedacht

Prüfungsrecht ist eine sehr besondere Rechtsmaterie. Sie sollten auf jeden Fall anwaltlichen Rat einholen, doch in diesem Fall muss Ihr Anwalt sowohl das Prüfungsrecht beherrschen, als auch im Bereich des Rettungsdienstrechts versiert sein. Achten Sie auf diese beiden Qualifikationen. Ein guter Anwalt wird neben dem jeweiligen Rechtsmittel zeitnah die Verwaltungsakte einsehen, um so die formellen Vorgaben zu überprüfen.

5. Kostendeckung klären

Fragen Sie bei Ihrer Rechtsschutzversicherung an, inwieweit verwaltungsrechtliche Streitigkeiten versichert sind. Einige Versicherungen übernehmen bereits die Kosten des Widerspruchsverfahrens.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Sie ein Recht auf eine formell korrekte Prüfung haben. Die Prüfung inhaltlich anzugreifen ist sehr schwer und hat nur selten Aussicht auf Erfolg.

Der Verfasser ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Zusätzlich besitzt er die medizinischen Qualifikationen als Lehrrettungsassistent und Dipl. Rettungssanitäter HF (Schweiz). Er ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Rettungsdienstrecht e.V..

Jan Gregor Steenberg LL.M.
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