Landgericht weist Klage der Euroweb Internet GmbH fast vollständig ab

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Das Landgericht Meiningen stellt Widersprüche der Klagebegründung zu Inhalten der eigenen Bilanz fest

Die Euroweb Internet hat kürzlich durch ihren Pressesprecher verlauten lassen, dass eine Abwehr ihrer Forderungen für die Betroffenen nur zu „einem doppelten Schaden" führt. Dies wurde jetzt durch ein neues Urteil des  Landgerichts Meiningen erneut Lügen gestraft. (Urteil vom 21.03.2012 - Az. 2 O 744/11)

Unterzeichner des Formulars „Internet-System-Vertrag" der Euroweb Internet GmbH (entsprechend  bei der Konzerntochter Webstyle), die sich von den 6.000 – 15.000 Euro teuren Webdesignverträgen lösen wollten, hatten sich beim Bundesgerichtshof das vorzeitige Kündigungsrecht erkämpft. Nach Urteil der höchsten Richter ist der Vertrag nach Werkvertragsrecht zu beurteilen und kündbar.

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Aber auch, wenn die Betroffenen schon unmittelbar nach Unterzeichnung des Formulars gekündigt haben, verlangt die Euroweb-Gruppe fast die vollständige Vertragssumme inkl. Gewinn – auch ohne jede Gegenleistung!

So auch in diesem Fall, bei dem der betroffene Architekt sofort nach Unterzeichnung wieder gekündigt hatte. Als Begründung der Ansprüche führte die Euroweb Internet GmbH auch in diesem Verfahren gegen einen Architekten an, man habe sich durch seine vorzeitige  Kündigung keine Aufwendungen erspart, die gemäß § 649 S. 2 BGB von der Forderung abzuziehen wären.

Insbesondere weil im wesentlichen Personalaufwand betrieben würde und man nur fest angestellte Mitarbeiter habe, könne die Euroweb Internet GmbH ihre Personalkosten durch die Kündigung eines Vertrags nicht reduzieren oder das Personal anders einsetzen.

Wie in zahlreichen weiteren Gerichtsentscheidungen vorher, bemängelt auch das Urteil des Landgerichts - wie schon Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - die unzureichende Transparenz diese Vortrags und der vorgelegten Kündigungsabrechnung der Euroweb Internet GmbH.

Widersprüche zur eigenen Bilanz

Insbesondere stellte das Landgericht Meiningen aber auch erstmals einen klaren Widerspruch in der Kündigungsabrechnung zu nachweisbaren Tatsachen fest. Denn die Behauptung, es würden nur fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt, stellte der Beklagte in dem Verfahren mit den veröffentlichten Bilanzdaten des Unternehmens in Frage. Dort sind im Verhältnis zu den Personalkosten nur geringe Sozialabgaben ausgewiesen. Bei normalen Angestellten fallen rund 40 Prozent vom Bruttogehalt zwingend an – bei freien Mitarbeitern, die sich selbst versichern, nicht.

Das Gericht bemerkte, dass die Euroweb Internet GmbH dazu keine nachvollziehbare Erklärung liefern konnte. Es stellte zudem fest, dass der Beklagte eine zumindest teilweise Auftragsvergabe an Dritte von dem Beklagten hinreichend nachgewiesen hat.

Vortrag der Klage unschlüssig und nicht nachvollziehbar

Damit kann die Euroweb Internet GmbH nach dem Urteil aus ihrem so wörtlich „unschlüssigen und nicht nachvollziehbaren" Vortrag zu § 649 BGB keine Ansprüche ableiten.

Dies ist tatsächlich zwingend logisch. Denn zu einer Fremdvergabe konnte es wegen der zeitnahen Kündigung des Architekten durch Euroweb gar nicht mehr kommen. Nicht einmal die Inhalte der Internetpräsentation waren abgestimmt worden. Dass ausgerechnet der Auftrag des Architekten nicht fremdvergeben worden wäre, konnte Euroweb aber weder behaupten noch nachweisen. Damit ist davon auszugehen, dass die wesentlichen Kosten erspart wurden.

Euroweb blieb im Ergebnis nur der pauschale Restanspruch auf Zahlung von 5% der Vertragssumme gemäß § 649 S.3 BGB und die Belastung mit 95% der Verfahrenskosten.

Die Euroweb Internet GmbH kann gegen das Urteil noch Berufung einlegen.

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Leserkommentare
von JR Fastix am 01.05.2012 19:06:36# 1
Wo und bei welchem Anlass hat die Euroweb verlauten lassen, dass eine Abwehr ihrer Forderungen für die Betroffenen zu „einem doppelten Schaden" führt? Darüber konnte ich im Netz nichts finden. Setzt sich das Landgericht Meiningen mit dieser Entscheidung: 2 O 744/11 nicht in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf, bspw. der Entscheidung 22 O 12/10 vom 16. März 2012? Nach Auskunft des Gerichts soll dieses Urteil inzwischen in Rechtskraft erwachsen sein und dass ist, wie ich glaube, auch bei der Entscheidung I-5 U 105/11 der Fall? Beide Urteile sehen die Abrechnung der Euroweb als schlüssig an und stellen heraus, dass grundsätzlich zwischen Schlüssigkeit und Richtigkeit zu unterscheiden sei, wobei der Auftraggeber (Kunde) zu beweisen hat, dass eine schlüssige Abrechnung tatsächlich unrichtig ist. Wichtig scheint mir zu sein, dass auch an dieser Stelle einmal deutlich wird, dass bei einer Kündigung nach Werkvertragsrecht iSv 649 BGB grundsätzlich auch Entgelte geschuldet werden, nämlich die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, § 649 Satz 2 BGB. Der Vergütungsanspruch soll also nach dem Willen des Gesetzgebers gerade dem Werkunternehmer als Empfänger der Kündigung erhalten bleiben. Diese Tatsache wird in Ihrem Artikel zu wenig deutlich, wie ich finde, Herr Musiol - ist das Taktik oder Absicht?
    
von Rechtsanwalt Stefan Musiol am 02.05.2012 18:39:31# 2
Bei Interesse an weiteren Gerichtsentscheidungen (OLG Düsseldorf, Landgericht Berlin), die falsche und unzureichende Kündigungsabrechnungen zum Gegenstand hatten und entsprechend beurteilt haben, nehme ich auf den weiteren Artikel der Serie "Folgen der freien Kündigung des Werkvertrags gemäß § 649 BGB" Bezug
    
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