Fitnessstudios vor Gericht: Die Kündigung einer Mitgliedschaft bei einem Fitnessstudio
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Die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio ist für viele gesetzter Bestandteil des Alltags. Dementsprechend kommt es bei solchen Dauerverträgen nicht selten zu Streitigkeiten zwischen den Betreibern und den Kunden. Meist geht es dabei um Fragen der Vertragslaufzeit und der Kündigungsmöglichkeiten, wie die folgenden Gerichtsentscheidungen zeigen:
Laufzeit
Die Laufzeitklauseln (z.B. Mindestlaufzeit von 24 Monaten) in Fitnessstudioverträgen waren in der Vergangenheit wiederholt Thema vor Gericht, da diese nach Auffassung mancher Kunden als AGB-rechtswidrig eingestuft wurden.
Im Jahre 2012 entschied der Bundesgerichtshof, dass eine Laufzeitbestimmung in Formularverträgen, nach der die Erstlaufzeit des Vertrages 24 Monate beträgt, grundsätzlich mit AGB-rechtlichen Grundsätzen vereinbar ist keine unangemessene Benachteiligung des Kunden (§ 307 Abs. 1 BGB) darstellt (BGH v. 08.02.2012 - XII ZR 42/10).
Ein besonderer Streitpunkt sind immer wieder Fälle, in denen im Formularvertrag des Fitnessstudios eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten vereinbart und zusätzlich der Vertragsbeginn nach hinten hinausgeschoben wird. Beispiel: Der Kunde unterzeichnet einen Fitnesstudiovertrag am 22.01.2003, im Vertragsformular wird als Vertragsbeginn aber erst der 01.03.2003 eingetragen; zusätzlich wird eine Vertragslaufzeit von 24 Monaten vereinbart, während der eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sein soll.
Problematisch an solchen Konstellationen ist die Vorschrift des § 309 Nr. 9a) BGB. Demnach sind Klauseln, die einen Vertragspartner bei bestimmten Dauerschuldverhältnissen länger als zwei Jahre binden, unwirksam. Demnach gehen das AG Kaiserslautern (Urteil v. 01.06.2007 - 7 C 2243/06) und das AG Aachen (Urteil v. 23,06.2005 - 84 C 2/05) von der Unwirksamkeit solcher Klauseln aus.
Zu beachten ist allerdings, dass § 309 Nr. 9 BGB nur auf Vertragsverhältnisse anwendbar ist, die die "regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender" zum Gegenstand haben. Erstreckt sich die vertraglich geschuldete Leistung des Fitnessstudiobetreibers lediglich auf die Überlassung der Räumlichkeiten und Geräte und nicht auf besondere Dienstleistungen, hat dieser Vertrag mietrechtlichen Charakter, § 309 Nr. 9 BGB ist dann nicht anwendbar (BGH v. 08.02.2012 - XII ZR 42/10).
Zahlung der Mitgliedsbeiträge
Was die Zahlungsweise der Mitgliedsbeiträge betrifft, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Lastschriftklausel im Fitnessstudiovertrag grundsätzlich zulässig ist. Der Kunde kann allerdings dabei nicht auf das aufwändige Abbuchungsverfahren verwiesen werden (BGH v. 29.05.2008 - III ZR 330/07).
Das AG Bamberg hatte einen Fall zu entscheiden, in dem laut Fitnessstudiovertrag die Fälligkeit des Mitgliedsbeitrags faktisch um bis zu einem Jahr und neun Monate nach vorn verlagert wurde. Letztlich trägt der Kunde bei einer solchen Konstellation das Insolvenzrisiko des Fitnessstudiobetreibers. Darin sah das AG Bamberg eine unangemessene Benachteiligung des Kunden, die Klausel sei nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam (AG Bamberg v. 29.11.2010 - 105 C 1729/10).
Widerrufsrecht
Je nach den Umständen, die zum Vertragsabschluss geführt haben, kommt ein Widerrufsrecht des Kunden in Betracht. Hintergrund ist das Widerrufsrecht bei so genannten Haustürgeschäften (§ 312 BGB), welches unter anderem auch bei Freizeitveranstaltungen oder bei überraschendem Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen Anwendung findet.
Das AG Dortmund entschied 2010 über einen Fall, in dem ein Fitnessstudio in der Fußgängerzone Gutscheine für ein Probetraining verteilen ließ. Das AG sah in dieser Konstellation kein Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB, da es sich bei einem kostenlosen Probetraining um keine Freizeitveranstaltung im Sinne des Gesetzes handle. Das Ansprechen in der Fußgängerzone falle auch nicht unter überraschendes Ansprechen im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen, sodass auch kein Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB bestehe (AG Dortmund v. 16.03.2010 - 425 C 8389/09).
Ein Widerrufsrecht ist dagegen nach Ansicht des LG Koblenz dann anzunehmen, wenn ein Studiobetreiber dem späteren Kunden einen Gewinngutschein für ein siebentägiges Probetraining zusendet, dieser daraufhin einen Termin vereinbart und am ersten Probetrainingstag ein Fitnessstudiovertrag abgeschlossen wird. Bei dieser Situation lägen die Tatbestandsvoraussetzungen einer Freizeitveranstaltung im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB vor (LG Koblenz v. 02.10.2007 - 6 S 19/07).
Ähnlich urteilte das AG Eschweiler: Gewinnt ein Kunde ein Probeabonnement im Rahmen einer Veranstaltung vor einem Einkaufscenter und wird ihm dann ein Vertrag zur Unterschrift bei Einlösung des Probetrainings zur Unterschrift vorgelegt, bestehe ein Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB (AG Eschweiler v. 14.07.2005 - 26 C 93/05). Im vorliegenden Fall bestand laut Vertrag zwar ein Sonderkündigungsrecht nach einer zweiwöchigen Probezeit, allerdings genügte die Formulierung nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung.
Nach Ansicht des AG Bad Iburg kann auch ein "Tag der offenen Tür" eines Fitnessstudios, für den per Flyer mit einem vermeintlichen Gratisangebot geworben wird, eine Freizeitveranstaltung im Sinne des § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB darstellen, mit der Folge, dass dem Kunden ein Widerrufsrecht zusteht (AG Bad Iburg v. 06.03.2007 - 4 C 61/07).
Anders entschied z.B. das LG Bielefeld zu "Schnupperkursen". Bei einem "Schnupperkurs", der dem Kunden die Möglichkeit eröffnet, zunächst unverbindlich das Angebot eines Fitnessstudios zu besichtigen und sich zu informieren, handle es sich um keine Freizeitveranstaltung nach § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB, die ein Widerrufsrecht begründe. Bei solchen "Schnupperkursen" sei der eigentliche Verkaufs- oder Werbezweck für den vernünftigen Verbraucher offensichtlich. Allerdings stellt auch das LG Bielefeld klar, dass es immer auf die konkrete Situation der Vertragsanbahnung ankomme (LG Bielefeld v. 27.12.2006 - 20 S 130/06).
Außerordentliche Kündigung bei gesundheitlichen Problemen
Ein Dauerstreitthema zwischen Studiobetreibern und Kunden ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung bei gesundheitlichen Problemen des Kunden, wie eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen zeigt.
Das LG München I stellt zur Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung aufgrund Krankheit allgemein fest, dass es mit dem gesetzlichen Leitbild für typische Fitnessstudioverträge nicht vereinbar sei, wenn der Studiobenutzer das vereinbarte Nutzungsentgelt weiter zahlen muss, obwohl er wegen einer Erkrankung oder Verletzung die von dem Studiobetreiber angebotenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen kann (LG München I v. 03.08.2006 - 34 S 21754/05).
Auch das LG Münster geht davon aus, dass demjenigen, der wegen gesundheitlicher Defizite wesentliche Teile des vertraglich fixierten Nutzungsumfangs eines Fitnessstudios nicht mehr wahrnehmen kann, ein Kündigungsrecht zusteht (LG Münster v. 22.02.2011 - 6 T 48/10).
Nach dem LG Kiel besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen Erkrankung auch dann, wenn diese zwar vor Abschluss des Fitnessstudiovertrages schon einmal aufgetreten, jedoch wieder vollständig verheilt ist (im vorliegenden Fall eine Knieerkrankung, LG Kiel v. 30.01.2009 - 8 S 54/08).
Ähnlich urteilte das AG Geldern im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung: Bei einer ärztlich attestierten chronifizierten Depression bestehe ein außerordentliches Kündigungsrecht, auch wenn diese schon bei Vertragsschluss bekannt war. In dem vom AG Geldern entschiedenen Fall wurde die Krankheit allerdings vor Vertragsschluss dem Fitnessstudio offenbart (AG Geldern, Urteil v. 20.03.2006 - 4 C 428/05).
Das AG Oberhausen urteilte zugunsten eines Kunden, der wegen einer Bandscheibenveränderung unter anderem attestiert bekam, dass ihm vom Fitnesssport dringend abgeraten wird. Dem Kunden stehe in einer solchen Situation ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Dabei sei auch unerheblich, dass der Kunde theoretisch noch das vorhandene Wellnessangebot des Fitnessstudios benutzen könne (AG Oberhausen v. 04.06.2007 - 37 C 968/06).
Das AG Wuppertal hielt zwei Atteste, die ein HWS-Syndrom, psychosomatisches Rheuma und eine HNO-Erkrankung diagnostizierten, für nicht ausreichend, um ein außerordentliches Kündigungsrecht zu beweisen. Die Atteste allein würden nicht beweisen, dass eine dauerhafte Erkrankung vorliegt, die eine Nutzung des Fitnessstudios insgesamt unmöglich mache (AG Wuppertal v. 11.01.2005 - 37 C 545/04).
Ein Attest, in dem lediglich bescheinigt wird, "eine Fortführung des Trainings im Fitness- bzw. Sportstudio könne zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führen", ist nach Ansicht des AG Lichtenberg völlig unzureichend und kann ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht beweisen (AG Lichtenberg v. 28.09.2006 - 12 C 215/06).
Ärztliches Attest
Unabhängig von der Frage, ob gesundheitliche Probleme des Nutzers ein außerordentliches Kündigungsrecht begründen, stellt sich die Frage, inwieweit der Nutzer dies durch die Vorlage von ärztlichen Attesten beweisen muss.
Nach Ansicht des AG Freiburg (Breisgau) muss der Nutzer, der sich auf ein außerordentliches Kündigungsrecht beruft, den Kündigungsgrund auch nicht im Einzelnen darlegen. Eine Pflicht zur Substantiierung, beispielsweise durch Vorlage eines Attests, bestehe erst im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens über die Wirksamkeit der Kündigung (AG Freiburg (Breisgau) v. 20.05.2009 - 55 C 3255/08). Im vorliegenden Fall litt der Nutzer unter klaustrophobischen Symptomen und konnte daher die engen Räumlichkeiten des Fitnessstudios nicht betreten.
Das AG Dieburg hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine Klausel im Fitnessstudiovertrag, wonach der Kündigungsgrund durch „geeignete Belege" glaubhaft zu machen ist, gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) verstößt und damit unwirksam ist (AG Dieburg v. 09.02.2011 - 211 C 44/09).
Außerordentliche Kündigung bei Schwangerschaft
Verbraucherfreundlich entschied das AG München die Frage, ob eine Schwangerschaft zur außerordentlichen Kündigung der Mitgliedschaft berechtigt. Das Gericht führte zwar aus, dass eine Schwangerschaft im Allgemeinen keinen Kündigungsgrund darstelle. Wenn die Schwangere allerdings aufgrund der Häufung der damit verbundenen Beschwerden nicht mehr in der Lage ist, das Fitnessstudio zu benutzen, besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht. Die Schwangere darf auch nicht auf eine Ruhendstellung des Vertrages verwiesen werden (AG München v. 09.06.2010 - 251 C 26718/09).
Anders das AG Hannover: Dieses sieht in einer Schwangerschaft keinen besonderen Kündigungsgrund, eine Ruhendstellung des Vertrages sei insoweit ausreichend. Auch die geänderte persönliche Situation der Mutter nach der Geburt stelle für sich genommen keinen außerordentlichen Kündigungsgrund eines Fitnessvertrages dar (AG Hannover v. 28.05.2009 - 568 C 15608/08).
Außerordentliche Kündigung bei Umzug
Manchmal machen persönliche Umstände die Nutzung eines örtlichen Fitnessstudios zunichte, zum Beispiel bei beruflich bedingten Umzügen.
Nach Auffassung des LG Gießen berechtigt ein Wohnsitzwechsel des Benutzers regelmäßig nicht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages (LG Gießen v. 15.02.2012 - 1 S 338/11).
Dagegen geht das AG München von einem außerordentlichen Kündigungsrecht aus, wenn eine Kundin infolge eines Stellenwechsels ihres Ehemanns und des damit verbundenen Umzugs von München nach Wien das Angebot ihres Fitnessstudios nicht mehr wahrnehmen kann (AG München v. 17.12.2008 - 212 C 15699/08).
Betreiberwechsel
Nicht selten kommt es bei Fitnessstudios zu einem Wechsel des Betreibers. Für die Kunden stellt sich dann die Frage, ob sie aufgrund des Betreiberwechsels ein besonderes Kündigungsrecht haben.
Das LG Stuttgart stellt hier darauf ab, ob der Fitnessstudiovertrag überwiegend mietrechtlichen Einschlag hat oder nicht. Falls ja, gelte § 566 BGB, wonach der neue Vermieter (also der neue Fitnessstudiobetreiber) in die Rechte und Pflichten der bestehenden Vertragsverhältnisse eintritt. Ist der bisherige Betreiber bislang nicht persönlich gegenüber den Kunden in Erscheinung getreten (z.B. als Personal Trainer) und wird das Angebot auch sonst nicht vom neuen Betreiber eingeschränkt, steht dem Kunden nach Ansicht des LG Stuttgart kein Kündigungsrecht zu (LG Stuttgart v. 13.02.2007 - 5 S 199/06).
Schadensersatz wegen Verletzung bei Einweisungstraining
Wer als Nutzer vor Beginn des Trainings die Frage nach der "Sportgesundheit" ohne jegliche Einschränkung bejaht, kann vom Fitnessstudio keinen Schadensersatz/Schmerzensgeld verlangen, wenn sich vergangene orthopädische Beschwerden nach einem einweisenden Krafttraining wieder einstellen. So kann man das Fazit einer Entscheidung des LG Erfurt (Urteil v. 01.02.2006 - 3 O 1890/05) zusammenfassen. In diesem Fall hatte ein Nutzer verschwiegen, dass er in der Vergangenheit mehrfach wegen Rückenbeschwerden einen Arzt aufgesucht und Krankengymnastik erhalten hat.
Fazit: Auf den Einzelfall kommt es an
Die zuvor aufgezeigten Entscheidungen zeigen, dass es gerade bei dem Dauerthema Kündigungsmöglichkeiten keine einheitliche Rechtsprechung gibt. Das liegt sicher auch daran, dass die meisten Streitigkeiten wegen der verhältnismäßig geringen Streitwerte abschließend vor den Amtsgerichten entschieden werden. Wichtig ist also immer, den Einzelfall so genau wie möglich zu beleuchten, wenn es zwischen Fitnessstudio und Nutzer zum Rechtsstreit kommt.