Verrechnung Krankentagegeld mit Verletztengeld und Übergangsgeld - die Nettolohn-Obergrenze

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Unzulässige Kürzung des KTG in Summenversicherung

 

Im Falle eines Berufsunfalles oder einer Rehabilitationsmaßnahme erhält der Versicherte mit einer Krankentagegeldversicherung auch Leistungen in Gestalt des Verletztengeldes und der Übergangsgeldes.

Fast regelmäßig weist der private Krankentagegeldversicherer seinen Kunden darauf hin, dass diese Leistungen auf das versicherte Krankentagegeld anzurechnen seien und insgesamt lediglich ein Anspruch auf maximal den Nettoverdienst durch alle Leistungen insgesamt bestünde.

Dem Kunden klingt diese Aussage meist plausibel und er nimmt die Kürzung hin, zumal sich in seinen Versicherungsbedingungen regelmäßig eine Klausel finden lässt, die wie folgt (oder ähnlich) lautet:

„Das Krankentagegeld darf zusammen mit sonstigen Krankentage- und Krankengeldern das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen nicht übersteigen. Maßgebend für die Berechnung des Nettoeinkommens ist der Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Tarif keinen anderen Zeitraum vorsieht." (§ 4 Nr. 2 der Musterbedingungen KTG)

Aber folgt daraus aus zwingend, dass der Versicherte statt des meist vereinbarten Tagessatzes von 50 € oder 80 € nur die Differenz zum Nettolohn und Verletztengeld/Übergangsgeld erhält?

Bei Abschluss der Krankentagegeldversicherung wird ein bestimmter Tagegeldsatz fest vereinbart, es ist mithin fast regelmäßig eine sogenannte „Summenversicherung". Das heißt, versichert ist nicht ein Schaden (der Ausfall des Nettoverdienstes) sondern es wird ein gewisser, vertraglich vereinbarter,  Betrag bei eintreffen bestimmter Voraussetzungen fällig.

Nach herrschender Meinung ist gemäß § 4 Nr. 2 der Musterbedingungen Krankentagegeld KEINE Begrenzung der Höhe auf den Nettoverdienst unter Anrechnung von Verletztengeld oder Übergangsgeld maßgeblich.

Zwar lautet es in § 4 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zum Krankentagegeld, dass "das durch Zusammentreffen von Krankentage- und Krankengeldern  auf den Kalendertag umgerechnete Nettoeinkommen nicht überschritten werden" darf. Dabei handelt es sich jedoch nur eine Sollvorschrift, die eine bestimmte Rechtsfolge für den Fall des Überschreitens des Nettoeinkommens nicht anordnet. § 4 Nr. 2 enthält keine Rechtsfolgenbestimmung und ist insoweit zumindest unklar. Entsprechende Zweifel bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingung gehen zu Lasten des Beklagten als Verwenders (§ 5 AGBG; Bach/Moser, a.a.O., § 4 MBKT Rdnr. 9) .

Der unklare Regelungsinhalt von § 4 Nr. 2 hat zur Folge, dass bei Eintritt des Versicherungsfalls eine (automatisierte) Anrechnung sonstiger Krankentagegelder oder Krankengelder auf das vom Versicherer zu leistende Krankentagegeld auf diese Bestimmung nicht gestützt werden kann. Insbesondere ist in § 4 Abs.2 auch nicht das Verletztengeld erwähnt, eine weitere Unklarheit.

So hat es das  Oberlandesgericht Hamm Az. : 20 U 263/93 mit Urteil vom 25.03.1994 entschieden. Und andere Gerichte sehen die Rechtslage entsprechend (OLG Saarbrücken 20.3.2002 – 5 U 816/01, zfs 2002, 445; OLG Hamm 3.11.1999 – 20 U 102/99, VersR 2000, 750; zust. Bach/Moser/Wilmes, § 4 MBKT 94 Rn 9; Prölss/Martin/Prölss, § 4 MBKT 94 Rn 2 sowie BGH 19.12.1975 – IV ZR 107/74, VersR 1976, 431 zu ähnlichen AVB; vgl auch BGH 4.7.2001 – IV ZR 307/00, VersR 2001, 110 .)

Zu der Frage hat sich auch der Bundesgerichtshof  - BGH, Urteil vom 4. 7. 2001 - IV ZR 307/00 (Stuttgart )- geäußert.

Der BGH führt aus, dass die Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung (KEINE Anrechnung) oder Schadenversicherung (Begrenzung auf das Nettogehalt) ausgestaltet sein kann:

 "Die für die Versicherungsform der Schadenversicherung charakteristische abstrakte Bedarfsdeckung ist dann gegeben, wenn der Versicherte im Versicherungsfall eine im Voraus bestimmte Entschädigung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit erhält, ohne Rücksicht darauf, welchen Verdienstausfall er tatsächlich hat. Vielmehr soll pauschal ein Bedarf gedeckt werden, von dem angenommen wird, dass er bei durch Arbeitsunfähigkeit eintretendem Verdienstausfall entstehen könne. Dagegen wäre die Krankentagegeldversicherung als Schadensversicherung einzuordnen, wenn sie auf Deckung des konkreten Verdienstausfallschadens des Versicherten zielte und sich demgemäß die zu erbringenden Versicherungsleistung den Einkommensschwankungen des Versicherten ständig und automatisch anpasste (vgl. Senat, VersR 1974, VERSR Jahr 1974 Seite 184 unter II; Neeße, VersR 1976, VERSR Jahr 1976 Seite 704 [ VERSR Jahr 1976 Seite 707 ])."

Entscheidend ist also, ob der Versicherungsvertrag und die ihm zu Grunde liegenden Bedingungen eine solche Berechnung der Versicherungsleistung nach Maßgabe des konkreten Verdienstausfalls vorsehen.

Wenn die Versicherung dem Versicherten grundsätzlich ein vertraglich von vornherein vereinbartes Tagegeld - von der Karenzzeit abgesehen - für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit vorsieht, ist also - wie für eine Summenversicherung typisch - eine pauschale Bedarfsdeckung vereinbart .

Es lohnt also immer, noch einmal genau in den Versicherungsvertrag zu sehen oder diesen prüfen zu lassen. Denn in den bisher meist vorliegenden Versicherungsverträgen besteht eine Krankentagegeldversicherung nach einem bestimmten Tarif, es wird Krankentagegeld entsprechend § 4 Abs. 1 MB/KT nach Tarif mit Tarifbedingungen gezahlt. Dabei ist meist ein fester Tagessatz als Zahlbetrag vertraglich vereinbart.

Die Anrechnungsabsicht durch den Versicherer ist kritisch zu betrachten und wird nach Maßgabe der Gestaltung des Vertrages als Summenversicherung regelmäßig unberechtigt sein.

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