Die Anwaltswahl ist frei - Vorsicht bei Empfehlungen von Rechtsschutzversicherungen

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Im folgenden Artikel befasst sich Rechtsanwalt Türker mit der freien Anwaltswahl. Es wird aufgezeigt, warum man mit Empfehlungen von Rechtsschutzversicherungen vorsichtig umgehen sollte.

Jeder Mensch hat das Recht frei zu entscheiden, durch welchen Rechtsanwalt er oder sie vertreten werden möchte. Dies ist ein unbeschränkbares Grund- und Menschenrecht. Die Beziehung zwischen dem Mandanten und seinem Rechtsanwalt ist eine besondere, im Idealfall von gegenseitigem Vertrauen und Respekt getragene Beziehung. Der Anwalt muss das uneingeschränkte Vertrauen seines Mandanten genießen um diesen bestmöglich vertreten zu können.

Auf dieser Basis muss das Problem der sog. Vertrauensanwälte der Rechtsschutzversicherungen durchleuchtet werden.

1.) Was versteckt sich hinter dem Begriff Vertrauensanwalt?

Dies ist ein Geschäftsmodell, für beide Seiten. Rechtsschutzversicherungen sind mit Gewinnerzielungsabsicht tätige (Groß-)Unternehmen, die darauf bedacht sind, einen Einnahmenüberschuss zu erzielen. Damit dies gelingen kann müssen die eingenommenen Prämien höher sein, als die Ausgaben (Anwalts-, Gerichts- und andere Prozesskosten).

Anwälte sind ebenfalls mit Gewinnerzielungsabsicht tätige Dienstleister, die ebenfalls darauf bedacht sind, höhere Einnahmen als ihre Ausgaben zu tätigen. Dafür sind sie auf (solvente) Mandanten angewiesen, die ihre (nicht gerade geringen) Honorare bezahlen können.

Hier ergibt sich ein interessanter Schnittpunkt zwischen Anwälten und Rechtsschutzversicherern: Wenn eine Rechtsschutzversicherung mit einem Anwalt einen sog. Kooperationsvertrag schließt, wo die eine Seite zusagt, den Anwalt mit reichlich Mandaten zu versorgen und seine Gebühren brav zu zahlen und die andere Seite dafür verspricht, nicht die vollen anfallenden Gebühren zu liquidieren, sondern Abschläge hinzunehmen und nicht jedes (eventuell notwendige, aber teure) Mittel einzusetzen und kostenauslösende Maßnahmen generell etwas zurückzufahren, dann ist ein für beide Seiten wirtschaftlich attraktives Modell gefunden.

2.) Wer ist der Leidtragende bei diesem Geschäftsmodell?

Schon der Begriff "Vertrauensanwalt der XY-Rechtsschutzversicherungs-AG" ist entlarvend. Der Anwalt muss nicht das Vertrauen der Rechtsschutzversicherung genießen, sondern einzig das des Mandanten. In vielen Fällen lassen sich für eine effektive Rechtsdurchsetzung oder Verteidigung kostenauslösende Maßnahmen nicht vermeiden (bspw. müssen Prozesse geführt werden, auch wenn die Chancen gerade noch ausreichend sind, Gutachter müssen beauftragt werden etc.). Der Anwalt, der aber seinem Kooperationspartner versprochen hat, gerade solche Maßnahmen zu vermeiden, wird in den Konflikt geraten, entweder im Einzelfall die Mandanteninteressen nicht ganz so effektiv wahrzunehmen, wie er sollte oder aber in Konfrontation mit seinem Kooperationspartner treten. Wenn er sich wirtschaftlich von den Aufträgen des Kooperationspartner abhängig gemacht hat, dann wird er sich im Zweifel gegen die Interessen des eigenen Mandanten entscheiden müssen.

Der Leidtragende ist dann der Bürger, dessen Interessen zu kurz kommen, obwohl er brav seine Versicherungsprämien zahlt und seine Rechtsschutzversicherung für alle notwendigen Rechtsverfolgungsmaßnahmen normalerweise aufkommen muss.

3.) Was ist dem Bürger zu empfehlen?

Ihr Rechtsschutzversicherer ist nicht Ihr Freund, sondern Ihr Vertragspartner, der legitimerweise daran interessiert ist, nicht mehr für Sie auszugeben, als er von Ihnen kassiert. Dies ist kein vorwerfbares Verhalten.

Genausowenig kann Ihnen aber vorgeworfen werden, dass Sie eine bestmögliche Rechtsverteidigung anstreben. Sie sollten sich daher nicht von Ihrer Rechtsschutzversicherung einen Anwalt aufschwatzen lassen, sondern sich selbst einen wirklich unabhängigen Rechtsanwalt aussuchen, der Ihr Vertrauen genießt und ohne Interessenskonflikt Ihre Interessen wahrt.

Wenn Ihr Rechtsschutzversicherer darin ein Problem sieht und allzu sehr auf die Inanspruchnahme des eigenen Vertrauensanwalts drängt oder Ihnen das Gerücht erzählt, dass zumindest für die Erstberatung der "hauseigene" Anwalt aufgesucht werden muss, dann sollten Sie ernsthaft über den Wechsel Ihres Rechtsschutzversicherers nachdenken.