Berufsunfähigkeitsversicherung – Falle(n) bei Vertragsschluss

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Berufsunfähigkeitsversicherung – Falle(n) bei Vertragsschluss

Besprechung BGH, Urteil vom 5.3.2008 (IV ZR 119/06)

1.Angaben bei Vertragsschluss / Gesundheitsfragen

Gesundheitsfragen spielen, wenn Sie eine Personenversicherung (Berufsunfähigkeits-, Kranken-, Renten - oder Lebensversicherung) abschließen, eine zentrale Rolle im Gespräch mit dem Vermittler. Anhand dieser schriftlich aufgenommenen Angaben kann der Versicherer nämlich einschätzen, ob er eine Versicherung so abschließen will oder aber ob er dies nur mit einer höheren Prämie oder mit einem Risikoausschluss tut. So wird z. B. ein Lebensversicherer, wenn der Kunde Raucher ist, hierfür einen finanziellen Aufschlag kalkulieren. Wenn gar zum Beispiel ein schweres Rückenleiden bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung vorliegt, wird der Versicherer hierfür einen Leistungsausschluss vereinbaren wollen. Soweit die Theorie.

In meiner Mandatspraxis kommen leider immer wieder Fälle vor, wo der Versicherungsagent oder Makler die Gesundheitsfragen verharmlost oder schlecht darüber aufklärt und aus diesem Grund viele künftige Versicherungsnehmer falsche oder unvollständige Angaben machen. Wird nun ein Leistungsantrag (nach dem Versicherungsfall) gestellt, prüft der Versicherer aber spätestens dann sehr genau, ob möglicherweise unterlassene Angaben im Rahmen der Gesundheitsfragen bei Antragstellung die Möglichkeit eröffnen, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten oder gar den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Der Schock ist dann groß, wenn der Versicherer sich aufgrund eines Rücktritts leistungsfrei erklärt und die zum Teil erhebliche Versicherungsleistung verwehrt wird.

 

2.Der BGH-Fall

Das scharfe Schwert des Rücktritts wird von Versicherern aber häufig zu früh gezückt und bleibt dann nur eine stumpfe Waffe. So hat nämlich auch der Versicherer bei Vertragsschluss Obliegenheiten. Verletzt er diese, kann er sich auf fehlerhafte oder unvollständige Angaben des Versicherungsnehmers nicht berufen und muss zahlen! Einen solchen Fall betrifft die vorliegende BGH-Entscheidung zur Berufsunfähigkeitsversicherung:

Dort begehrte der Kläger erhebliche monatliche Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. In dem Antragsformular, das ein Versicherungsagent für den Kläger ausgefüllt hatte, waren sämtliche Fragen nach Vorerkrankungen und Beschwerden verneint worden. Allerdings hatte der Kläger kurz vor dem Vertragsschluss infolge eines Schlittenunfalls eine Wirbelsäulenprellung erlitten. Infolgedessen wurde bei einer Röntgenuntersuchung festgestellt, dass der Kläger degenerative Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen aufwies. Zwei Jahre später, lange nach Abschluss der Versicherung, wurde beim Kläger ein schweres Lumbalsyndrom diagnostitziert, welches unstreitig zur erheblichen Berufsunfähigkeit des Klägers und somit zum Versicherungsfall führte.

Der Versicherer trat daraufhin vom Vertrag zurück und erklärte die Anfechtung, da der Kläger die ihm bekannten Vorerkrankungen verschwiegen habe. Der Kläger hatte aber nach seiner Behauptung den Versicherungsagenten über die Verschleißerscheinungen, den Schlittenunfall und die damit einhergehende Arbeitsunfähigkeit informiert, was der Agent nicht vermerkt habe.

Erstinstanzlich und in der Berufung verlor der Kläger. So wurde es als nachgewiesen angesehen, dass der Kläger den Agenten gerade nicht die degenerative Veränderung der Wirbelsäule offenbart habe. Unstreitig hatte der Kläger jedoch allgemeine Rückenbeschwerden sowie die Tatsache erwähnt, dass der vorliegende Schlittenunfall zum Anlass für den Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung genommen werde.

Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Er wies auf die von den Gerichten nicht geprüfte Nachfrageobliegenheit des Versicherers hin. Danach habe der Versicherer beim zukünftigen Versicherungsnehmer nachzufragen, wenn dieser unvollständige oder unklare Angaben mache. Fülle ein Agent das Antragsformular – wie im vorliegenden Fall - aus, müsse sich der Versicherer dessen Kenntnis zurechnen lassen. Müssten die gegenüber dem Agenten gemachten Angaben dem Versicherer aber vor Augen führen, dass der Antragsteller seiner Anzeigeobliegenheit noch nicht vollständig genügt habe, ginge es zu Lasten des Versicherers, dass die gebotene Rückfrage unterbleibe. Dann aber scheide aber zugleich ein Rücktritt aus, da ein Rückgriff auf die unvollständigen Angaben treuwidrig sei (§ 242 BGB: Grundsatz von Treu und Glauben).

Im vorliegenden Fall sah der BGH diese Voraussetzungen als erfüllt an, da der Kläger die Rückenschmerzen erwähnt hatte und zudem auch nahe gelegen hätte, dass ein Zusammenhang zwischen dem Schlittenunfall und dem daraufhin erfolgten Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung bestand. Dies hätte der Versicherer hinterfragen müssen. Dementsprechend hätte der Versicherer hier, wie generell in Fällen, wo Rückenschmerzen erwähnt werden, die Ursachen der Schmerzen näher ergründe müssen. Andernfalls sei nach Auffassung des BGH eine vernünftige Risikoprüfung zudem überhaupt nicht möglich. Dass dies nicht geschah, gehe zu Lasten des Versicherers. Der BGH hob das Urteil auf und wies an die Vorinstanz zurück. Die Karten werden dort neu gemischt.

 

3.Fazit

Es kann nicht genug davor gewarnt werden, bei Vertragsschluss falsche oder unvollständige Angaben zu machen. Sie riskieren dadurch den wertvollen Versicherungsschutz! Weiterhin macht es Sinn, wenn bereits im Vorfeld geplanter wichtiger, großer Versicherungsabschlüsse beim Vorhandensein von gesundheitlich problematischen Aspekten ein versicherungsrechtlich versierter Anwalt zu den Konsequenzen befragt wird. Im Gegensatz zum Versicherungsagenten oder Makler hat der nämlich einen entscheidenden Vorteil: seine Unabhängigkeit von Provisionsinteressen! So können sinnlose Versicherungen und hohe Prämien vermieden werden. Da rechnet sich der Anwalt!

Die vorliegende Entscheidung zeigt auf, dass es sich spätestens bei angeblicher Leistungsfreiheit des Versicherers lohnt, einen versicherungsrechtlich orientierten Anwalt nachprüfen zu lassen, ob noch etwas zu retten ist. Denn gerade die Versicherungsagenten machen Fehler, die dem dahinter stehenden Versicherer nach ganz herrschender Rechtsprechung zugerechnet werden. Auch wenn „unabhängige Makler" falsch beraten, dort können die Fehler dem Versicherer selbst nicht zugerechnet werden, kommen durchaus Schadensersatzansprüche gegen den Vermittler selbst in Betracht.

Angesichts der Frage, ob man beispielsweise monatlich 1000 € Berufsunfähigkeitsrente bekommt oder leer ausgeht, dürfte sich diese Beratung anbieten. Zumal der Hinweis erlaubt ist, dass eine Rechtsschutzversicherung, selbst wenn Sie vordergründig bei demselben Versicherer besteht, aufgrund der Spartentrennung durchaus objektiv ist und gerade in derartigen Fällen fast immer die Anwaltskosten (vorbehaltlich der genauen Umstände) des Mandanten trägt! Ich bekomme in derartigen Fällen den Eindruck, dass die Rechtsschutzversicherer bei Konzernidentität sogar besonders vorsichtig sind und deswegen unbürokratisch Deckungsschutz erteilen.

Sollten Sie betroffen sein, können Sie mich gerne kontaktieren. Ich bin mit derartigen Fällen vertraut und vertrete Mandanten hierzu auch bundesweit. Ich bin als Versicherungsrechtler schwerpunktmäßig mit derartigen Fällen befasst und auch vertraut und kenne deswegen die behandelte Materie sowie weitere Probleme und gerichtliche Entscheidungen. Rufen Sie im Falle eines Falles einfach unverbindlich an bzw. kontaktieren Sie mich via Email! Denken Sie daran: Vertrauen ist gut, Anwalt ist besser!


Burgwedel, den 05.06.2008
©Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt
RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

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