Verkehrsunfallrecht: Kein Ersatz von Mietwagenkosten bei zu geringer Fahrleistung

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Grundsätzlich steht dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten ein Mietwagen für die Zeit zu, in der er sein Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen kann. Jedoch muss der Geschädigte bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges darauf achten, seine Schadensminderungspflicht nicht zu verletzen. Diese Pflicht besagt, dass der Geschädigte dafür Sorge zu tragen hat, dass der Schaden nicht größer wird als unbedingt notwendig. Somit findet auch das Recht des Geschädigten auf einen Mietwagen dort seine Grenzen, wo durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges Kosten entstehen würden, die bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise unsinnig hoch erscheinen.

Vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges muss der Geschädigte daher seinen voraussichtlichen Fahrbedarf ermitteln. Ist dieser so gering, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges im Vergleich zu den Kosten eines Taxis, das für diese Fahrten genutzt werden könnte, unverhältnismäßig erscheint, so kann der Geschädigte keinen Mietwagen in Anspruch nehmen bzw. könnte dessen Kosten zumindest nicht in voller Höhe bei der gegnerischen Versicherung geltend machen. Von einer Unverhältnismäßigkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges wird in der Regel dann ausgegangen, wenn die tägliche Fahrtstrecke des Geschädigten durchschnittlich unter 20 km liegt (vgl. Urteil des AG Aachen vom 28.04.2000 – Az. : 84 C 33/00).

Allerdings ist bei der Beurteilung stets auf den Einzelfall abzustellen. Die Nutzung eines Mietwagens kann nämlich im Einzelfall auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Geschädigte nur eine geringe Fahrstrecke damit zurücklegt. Dies vor allem dann, wenn er darauf angewiesen ist, dass ihm ständig ein fahrbereites Fahrzeug zur Verfügung steht. Eine solche Angewiesenheit auf ein fahrbereites Fahrzeug könnte sich z.B. aus beruflichen Gründen ergeben. Etwa für einen Arzt, der Krankenbesuche mit dem Fahrzeug durchführen muss, oder für einen Handelsvertreter, der eine Vielzahl von Warenproben mit sich führen muss. Aber auch Gründe, die sich aus dem persönlichen Lebensbereich ergeben, können erheblich sein.

Etwa wenn der Geschädigte krank ist und schnelle Arztbesuche erforderlich sind. Relevant könnte auch sein, wenn der Geschädigt auf dem Land lebt und das nächste Taxiunternehmen derartig weit entfernt ist, dass unzumutbar lange Wartezeiten für die Anfahrt eines Taxis entstehen würden. Das Landgericht Stendal führte in seinem Urteil vom 20.10.2005 (Az. : 22 S 85/05) zudem aus, dass der zu ersetzende Fahrbedarf keiner starren Grenze folge. Die Erforderlichkeit des Fahrbedarfs richte sich vielmehr nach den konkreten Umständen, die den Lebensbereich des Geschädigten prägten; sie finde ihre Grenze in einem reinen Bequemlichkeits- oder Statusdenken des Geschädigten.

Auch wenn hier von der starren 20 km-Grenze abgewichen wird, wird diese von den Versicherern in der Regel dennoch bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fahrzeuganmietung zugrunde gelegt. Daher sollten Sie rein vorsorglich, bevor Sie im Schadensfall ein Ersatzfahrzeug anmieten, kalkulieren, welchen durchschnittlichen Fahrbedarf Sie haben. Sollte dieser bei unter 20 km am Tag liegen, ist davon auszugehen, dass ihnen die Mietwagenkosten nur dann ersetzt werden, wenn Sie besondere Gründe vorbringen können, warum die Anmietung eines Fahrzeuges notwendig war.


Christian Hemmer
Rechtsanwalt

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