Keine Gutachtenanordnung wegen hohen Alters

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VG Saarlouis stärkt Rechte älterer Fahrerlaubnisinhaber

Allein das hohe Alter eines Fahrerlaubnisinhabers (hier: 80 Jahre) und das damit regelmäßig verbundene Absinken sowohl der geistigen als auch der körperlichen Leistungsfähigkeit bietet für sich genommen keinen Anlass, die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr durch ein ärztliches Gutachten überprüfen zu lassen; hinzukommen muss vielmehr, dass der altersbedingte Abbau der körperlichen und /oder geistigen Kräfte mit auf die Fahreignung bezogener Relevanz im Einzelfall zu greifbaren Ausfallerscheinungen geführt hat, die Zweifel an der uneingeschränkten Kraftfahreignung aufkommen lassen.

So entschied das VG Saarloius mit Beschluss vom 28.9.2011 (Az. 10 L 790/11) in einem Eilverfahren.

In dem entschiedenen Fall hatte die Fahrerlaubnisbehörde einem 80-Jährigen die Fahrerlaubnis entzogen, nachdem dieser sich geweigert hatte, sich einer angeordneten Überprüfung seiner gesundheitlichen Eignung durch einen Amtsarzt zu unterziehen. Begründet wurde diese Anordnung alleine mit einem allgemeinen altersbedingten Absinken der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit, welche Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten.

Aufgrund dieser Weigerung hatte die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen auf der Grundlage von §§ 3 StVG, 46 FeV i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen.

Im Rahmen des gegen den Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung gerichteten Eilverfahrens hat das VG Saarlouis festgestellt, dass eine solchermaßen begründete Fahrerlaubnisentziehung rechtlich schon deshalb keinen Bestand haben kann, weil die Fahrerlaubnisbehörde nicht nach § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden Kraftfahreignung des Betroffenen ausgehen durfte. Nach Satz 1 dieser Regelung darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Dies setzt allerdings voraus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anforderung eines solchen Gutachtens vorlagen, diese insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war.

Daran fehlte es nach Auffassung des VG Saarlouis im entschiedenen Fall, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass Tatsachen bekannt geworden seien, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen und insoweit die Anforderung eines (amts-)ärztlichen Gutachtens rechtfertigen würden.

Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Erforderlich sind konkrete Tatsachen, die den hinreichenden Verdacht fehlender Kraftfahreignung begründen. Nicht jeder auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutende Umstand kann ein hinreichender Grund für die Anforderung eines (amts-)ärztlichen Gutachtens sein. Vielmehr muss sich die Anforderung eines (amts-)ärztlichen Gutachtens auf solche Erkrankungen oder Mängel beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, dass sich der Betroffene als Führer eines Kraftfahrzeuges nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde. Einer Aufforderung zur Beibringung eines (amts-)ärztlichen Gutachtens müssen daher tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt werden, die einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen.

Auf solchermaßen konkrete Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die körperliche oder geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlen könnte, war die Gutachtenanforderung der Fahrerlaubnisbehörde aber gerade nicht gestützt. Vielmehr wurde die Aufforderung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen und ein Gutachten eines Amtsarztes des Gesundheitsamtes beizubringen, allein damit begründet, dass sich aus einem Bericht der Polizei Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben würden. Dem insoweit in Bezug genommenen Polizeibericht waren allerdings keine hinreichenden Tatsachen zu entnehmen, welche geeignet wären, vernünftige Zweifel an der Kraftfahreignung zu wecken.

Zwar hieß es in dem anlässlich eines Verkehrsunfall erstellten Polizeibericht, dass der Betroffene angegeben habe, unter „Druck" gestanden zu haben, weshalb es auch zu einem Zahlendreher in der von ihm auf einem Zettel am beschädigten PKW hinterlassenen Telefonnummer gekommen sei, sowie nicht daran gedacht zu haben, die Polizei zu informieren, so dass er offensichtlich mit der Situation überfordert gewesen sei. Zudem habe der Betroffene nach den Angaben des sachbearbeitenden Polizeibeamten insgesamt einen verwirrten Eindruck gemacht und sei nicht in der Lage gewesen, den Unfallhergang zusammenhängend zu schildern; auch habe er in „keinster" Weise sein Fehlverhalten eingesehen, dass er sich nach dem Unfall bei der Polizei hätte melden sollen, da es nur einem Zufall zu verdanken gewesen sei, dass er als Unfallverursacher hätte ermittelt werden können.

Diese polizeilichen Feststellungen sind nach Auffassung des VG Saarlouis allerdings nicht geeignet, den Verdacht zu begründen, dass der Betroffene in gesundheitlicher Hinsicht nicht mehr fahrgeeignet ist. Insbesondere lassen die mitgeteilten Umstände nicht erkennen, dass die Kraftfahreignung aufgrund körperlicher Mängel ausgeschlossen sein könnte. 

Allein das hohe Alter und das damit regelmäßig verbundene Absinken sowohl der geistigen als auch der körperlichen Leistungsfähigkeit böten ebenfalls keinen Anlass, die Eignung  zum Führen von Kraftfahrzeugen durch ein amtsärztliches Gutachten überprüfen zu lassen. Hinzu kommen muss vielmehr, dass der altersbedingte Abbau der körperlichen und/oder geistigen Kräfte mit auf die Fahreignung bezogener Relevanz im Einzelfall zu greifbaren Ausfallerscheinungen geführt hat, die Zweifel an der uneingeschränkten Kraftfahreignung aufkommen lassen.

Als ein solches auf ein Absinken der für die Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer relevanten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit hindeutendes Vorkommnis könne weder ein von dem Betroffenen verursachter Verkehrsunfall noch dessen Verhalten anlässlich seiner polizeilichen Befragung zu diesem Verkehrsunfall angesehen werden.

Dafür, dass der Verkehrsunfall, bei dem der Betroffene beim Versuch, aus einer Parklücke auszuparken, einen neben ihm parkenden PKW beschädigt hatte, auf einen altersbedingten Eignungsmangel und nicht auf eine bloße Unachtsamkeit zurückzuführen ist, fehle es an jeglichen Anhaltspunkten. Aber auch die in dem Polizeibericht  geschilderten Auffälligkeiten rechtfertigten das Vorliegen von Eignungszweifeln nicht. Weder ein Mangel an Einsicht noch bloße Sturheit könnten das Vorliegen altersbedingter Einschränkungen der Kraftfahreignung als naheliegend erscheinen lassen.

Gleiches gelte hinsichtlich der polizeilichen Feststellung, dass der Betroffene insgesamt einen verwirrten Eindruck gemacht habe und nicht in der Lage gewesen sei, den Unfallhergang zusammenhängend zu schildern. Davon abgesehen, dass es sich insoweit lediglich um einen bei dem Polizeibeamten entstandenen subjektivenen Eindruck handele, könne dieser bereits mangels hinreichend konkreter und belegter Anknüpfungspunkte weder einen Rückschluss auf das Vorliegen gerade einer altersbedingten Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit noch auf das Vorliegen einer sonstigen psychischen Erkrankung zulassen.