Wird die "GEZ" jetzt endlich für verfassungswidrig erklärt?

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Bundesverfassungsgericht überprüft Rundfunkbeitrag

Seit der GEZ-Reform zum 01.01.2013 ist der Rundfunkbeitrag (früher: GEZ-Gebühren) nicht wie gewohnt an das Vorliegen von Empfangsgeräten wie Radio, TV oder Internet-Empfang geknüpft, sondern lediglich an die Wohnung. Somit gilt die Beitragspflicht grundsätzlich für jeden. Laut Rechtsprechung heißt es: Rundfunkgebühren müssen bezahlt werden unabhängig davon, ob die öffentlich-rechtlichen Sender tatsächlich genutzt werden oder nicht. 

Nun gibt es erfreuliche Neuigkeiten: Am 27.09.2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass diese Pflicht im gewerblichen Bereich auch entfallen kann. Das Urteil bezog sich auf Zusatzbeiträge für Hotel- und Gästezimmer. Diese Ausnahme sei allerdings nur verfassungsgemäß, sofern in den Zimmern tatsächlich keine Empfangsmöglichkeit bestehe (Az: BVerwG 6 C 32.16). 

Aufgrund des kürzlich entschiedenen Urteils und der etlichen Verfassungsbeschwerden von Privatpersonen und Unternehmen, möchte das Bundesverfassungsgericht den Rundfunkbeitrag nun grundlegend auf den Prüfstand stellen. Am 30.08.2017 hat der Vizepräsident des Bundesverfassungsgericht, Professor Dr. Ferdinand Kirchhof, einen Fragenkatalog an 41 Stellen verschickt, unter anderem an den Bundestag, Bundesrat, sowie Landtage. Die vergleichsweise sehr kurze Frist zur Stellungnahme läuft zum 31.10.2017 aus. Es heißt die Richter wollen das Thema mit ihrem Fragenkatalog komplett neu „aufrollen“. Man kann auf das Urteil der Karlsruher Richter äußerst gespannt sein, da die deutsche Rundfunkverfassung bisher nicht auf verfassungsrechtlich verankerten Vorgaben basiert, sondern lediglich auf Rechtsprechung. 

Auszug des Anschreibens

1. Wie ist der Rundfunkbeitrag finanzverfassungsrechtlich zu qualifizieren? Wie wirkt es sich auf die Qualifizierung des Rundfunkbeitrags aus, dass der Rundfunkbeitrag im privaten Bereich durch die Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft beinahe die gesamte Bevölkerung beitragspflichtig stellt? 

2. Auf welchen Erwägungen beruht die tatbestandliche Anknüpfung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich an die Wohnungsinhaberschaft, insbesondere vor dem Hintergrund der Medienkonvergenz und der Zunahme mobiler Empfangsgeräte? Welche Alternativen wären vorstellbar? 

3. In welchem Umfang waren in den einzelnen Bundesländern zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags Wohnungen mit herkömmlichen Rundfunkempfangsgeräten (vor allem Fernsehgeräten) ausgestattet? In welchem Umfang waren in den einzelnen Bundesländern zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags Wohnungen mit internetfähigen Empfangsgeräten (PC, Laptops, Tablets, Smartphones et cetera) und Breitbandverbindungen ausgestattet, das heißt mit - mobilem oder stationärem - Internetzugang, dessen Geschwindigkeit mindestens dem 3G-Standard entsprach? In welchem Umfang sind dies Wohnungen, die nicht zugleich über herkömmliche Empfangsgeräte verfügen? 

4. Auf welchen Erwägungen beruhte die Erhebung des Rundfunkbeitrags in Höhe von 17, 98 € zum 1. Januar 2013 angesichts des erwirtschafteten Überschusses nach Einführung des Rundfunkbeitrags? 

5. Wie rechtfertigt es sich, dass Einpersonenhaushalte mit der vollen Höhe eines Rundfunkbeitrags belastet werden, wohingegen Mehrpersonenhaushalte aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung den Beitrag unter sich aufteilen können? Insbesondere: Welche verwaltungstechnischen Umstände bedingen eine solche Lösung? 

6. Wie rechtfertigt es sich, dass Zweitwohnungen mit der vollen Höhe eines Rundfunkbeitrags belastet werden, obwohl der Beitragspflichtige zum gleichen Zeitpunkt den Rundfunk nur einmal nutzen kann? Insbesondere: Welche verwaltungstechnischen Umstände bedingen eine solche Lösung? 

7. In welchem Umfang waren in den einzelnen Bundesländern zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge mit herkömmlichen Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet? In welchem Umfang waren in den einzelnen Bundesländern zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrags Betriebsstätten mit internetfähigen Empfangsgeräten (PC, Laptops, Tablets, Smartphones et cetera) und Breitbandverbindungen, das heißt mit - mobilem oder stationärem - Internetzugang, dessen Geschwindigkeit mindestens dem 3G-Standard entsprach, ausgestattet? 

8. Wie und mit welchem Aufwand erfolgt im nichtprivaten Bereich die Ermittlung nicht angemeldeter Betriebsstätten sowie für die Zwecke des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV genutzter Kraftfahrzeuge und die Verifikation dazu erteilter Auskünfte durch die Landesrundfunkanstalten und den Beitragsservice, vor allem im Hinblick auf die Verteilung der Beschäftigten auf einzelne Betriebsstätten und die Nutzung eines Kraftfahrzeugs für gewerbliche und öffentliche Zwecke nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV? 

9. Wie rechtfertigt sich die Erhebung des Rundfunkbeitrags auf für die Zwecke des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV genutzte Kraftfahrzeuge in Bezug auf den Gedanken des Vorteilsausgleichs und im Verhältnis zur Beitragsfreistellung rein privat genutzter Kraftfahrzeuge? Wie rechtfertigen sich die (degressive) Staffelung nach Beschäftigtenzahlen und der Anknüpfungspunkt der Betriebsstätte in § 5 Abs. 1 RBStV jeweils für sich und in Kombination miteinander in Bezug auf den Gedanken des Vorteilsausgleichs? 

Weitere Neuigkeiten auf europäischer Ebene

Gleichzeitig beschäftigt sich der Tübinger Richter Dr. Matthias Sprißler mit der Frage, ob die Beitragspflicht überhaupt EU-rechtskonform ist. Das Landgericht setzte, aufgrund des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags des Landes Baden Württemberg, zahlreiche Zwangsvollstreckungsverfahren aus und richtete im August 2017 einen Fragenkatalog an den EuGH. 

Anlass dafür waren Zwangsvollstreckungsbescheide, die von dem Südwestrundfunk aufgrund der selbstständig erlassenen Festsetzungsbescheide erteilt wurden. Die rechtliche Situation erlaubte den Rundfunkanstalten die Gebühr selbst, ohne gerichtliche Teilnahme, einzutreiben. Weiterhin empfinde das Gericht den Rundfunkbeitrag als eine europarechtlich unzulässige Beihilfe, die einer Steuer gleicht, da die Zahlungspflicht von keinerlei Gegenleistung des Senders abhängt. Diese staatliche Beihilfe stelle einen Nachteil für inländische privaten und ausländische Sendern dar. Demzufolge liege ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und die Informationsfreiheit vor. Diese rechtlichen Unklarheiten sollen deshalb von dem EuGH beurteilt werden. 

Nun bleibt abzuwarten welche konkreten Ergebnisse aus diesen Prozessen folgen. Es ist jedoch erfreulich, dass nach Langem wieder Bewegung in den Prozess zu kommen scheint. Besonders das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts lässt ein positives Ergebnis erhoffen. 

Leserkommentare
von fb477510-37 am 01.11.2017 11:58:41# 1
ein sehr interessanter Artikel , zu dem ich etwas beitragen kann und zwar zu diesem Absatz ,,Gleichzeitig beschäftigt sich der Tübinger Richter Dr. Matthias Sprißler mit der Frage, ob die Beitragspflicht überhaupt EU-Recht konform ist. Das Landgericht setzte, aufgrund des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags des Landes Baden Württemberg, zahlreiche Zwangsvollstreckungsverfahren aus und richtete im August 2017 einen Fragenkatalog an den EuGH. '''''''' Leider ist es hier so das gegen Herr Dr. Sprißler von Seiten des SWR einen Befangenheitsantrag gestellt wurde .
    
von fb477512-50 am 01.11.2017 12:18:17# 2
Ich lass mich mal überaschen.....denen fällt garantiert wieder was neues ein damit es do bleibt.
Kann nur hoffen das endlich dieser ganze Apparat zerlegt un verkleinert wird und kann nur hoffen das kein Richter von oben mundtot oder anderweitig aus seinem Amt entfernt wird.
    
von so475670-44 am 04.11.2017 02:23:59# 3
Die Rechtsauffassung, dass der Rundfunkbeitrag einer Steuer gleichkommt, wurde ja bereits öfter vertreten. Interessant ist daran, dass auch hochrangige Richter dieser Ansicht sind. Interessant ist weiter die Anmerkung von Prof. Kirchhof, dass die Landesrunkfunkanstalten nun hohe Gewinne erwirtschaften, was ja wohl nicht gesetzeskonform sein dürfte. Da stellt sich die Frage, wohin diese Gewinne fließen - werden daraus Rücklagen gebildet, Altschulden beglichen oder fließen sie in die Landeshaushalte?

    
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