LG Düsseldorf: Filesharing-Klage abgewiesen! Keine Rechte an Musikwerken nachgewiesen!

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Das Landgericht Düsseldorf hat die auf Zahlung von 3.505,40 Euro gerichtete Filesharing-Klage eines führenden deutschen Tonträgerherstellers abgewiesen

Die beklagte Inhaberin eines Internetanschlusses, der in dem Prozess die Teilnahme an einer illegalen Internettauschbörse vorgeworfen wurde, muss nach der Entscheidung des Berufungsgerichts weder Schadensersatz noch Kostenersatz zahlen. Sämtliche Verfahrenskosten wurden dem klagenden Musikunternehmen auferlegt (Urteil des LG Düsseldorf vom 23.03.2016 – 12 S 31/14).

Die aktuelle Filesharing-Entscheidung des LG Düsseldorf ist insbesondere für Juristen interessant, da sie sich im Wesentlichen mit der Frage der so genannten Aktivlegitimation auseinandersetzt. Die Aktivlegitimation betrifft im Zivilprozess die Frage, ob dem Kläger ein behauptetes Recht tatsächlich zusteht.

Thilo Wagner
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Vorliegend hatte die klagende Plattenfirma behauptet, dass ihr umfassende Rechte an dem Musikwerk „X" des „Y" zustünden. Dies wurde von der Beklagten bestritten.

Nach einem mehrjährigen Prozess kam das Landgericht Düsseldorf letztlich zu dem Schluss, dass die Klägerin die von ihr behaupteten Rechte an dem Tonträger nicht hinreichend bewiesen habe. Damit gewann die Beklagte das lange geführte Gerichtsverfahren.

Das Filesharing-Urteil des LG Düsseldorf vom 23.03.2016 – 12 S 31/14 im Wortlaut:

„Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach Grundsätzen der Lizenzanalogie sowie Erstattung von Abmahnkosten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von Musik-CD-Alben in einem Internet-Filesharing-Netzwerk.

Wegen des tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Mit Urteil vom 01.10.2014 hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung von 1.600,00 EUR Wertersatz sowie 755,80 EUR Kostenersatz verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Klägerin könne sich auf die Vermutung ausschließlicher Rechtsinhaberschaft nach §§ 85, 10 UrhG wegen eines „P-Vermerks" auf dem Einleger der betroffenen CD-Alben berufen. Das pauschale Bestreiten der Beklagten greife auch wegen der abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung und trotz des Umstandes, dass diese ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben wurde, nicht durch, Anhaltspunkte für Fehler bei der Anschlussermittlung geben es nicht, zumal der Anschluss der Beklagten unter der Nutzung derselben Tauschbörse innerhalb von vier Monaten viermal ermittelt worden sei. Die Beklagte habe die Vermutung ihrer Täterschaft nicht widerlegt und ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Insbesondere habe sie nicht mitgeteilt, ob auch im relevanten Zeitraum eine weitere Person eigenständig Zugang zu ihrer Wohnung hatte. Den Wertersatz schätzt das Gericht auf je 100 EUR für jedes der 16 Musikstücke auf der CD. Eine Überkompensation der Klägerin erfolgt nicht, Tauschbörsenteilnehmer hafteten nicht als Gesamtschuldner. Es sei auch keine Verjährung eingetreten. Die Abmahnkosten seien nach § 97 a Abs. 1 ZPO zu ersetzen unter Zugrundelegung des 10-fachen Werts des Lizenzschadens als Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch.

Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beklagte mit der Berufung und begehrt die Klageabweisung. Die Klägerin verfolgt mit der eingelegten Anschlussberufung das Ziel, die Beklagte über die Verurteilung hinaus entsprechend ihrer Anträge erster Instanz zum Ersatz weiterer 900,00 EUR Schadensersatz und Erstattung weiterer 249,60 EUR Abmahnkosten, jeweils nebst Zinsen, zu verurteilen.

Wegen der genauen Anträge erster Instanz und des ergänzenden Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

A. Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO und begründet worden, § 520 ZPO.

In der Sache hat die Berufung Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Urteil erster Instanz war daher auf die Berufung der Beklagten hin abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

I.

Die Klägerin hat schon ihre Aktivlegitimation nicht schlüssig dargelegt. In der Darstellung des „Sachverhalts" in der Klageschrift (S. 2-7) findet sich – ebenso wie in den weiteren Schriftsätzen und der Berufungserwiderung – keinerlei tatsächliches Vorbringen zum Entstehen eines Rechts der Klägerin. Weder hat die Klägerin vorgetragen, welche Handlungen bezüglich des Entstehens des streitgegenständlichen Tonträgers auf sie zurückgehen, noch hat sie behauptet, Verträge mit ursprünglich Berechtigten geschlossen zu haben.

II.

Einzig unter der Überschrift „Rechtliche Bewertung" (S. 7-19 der Klageschrift) gibt die Klägerin an, ihr stünden Rechte hinsichtlich des gegenständlichen Tonträgers zu. Die Rechtsausführungen sind aber bereits in sich widersprüchlich.

1.

Einerseits meint die Klägerin, ihr stünden „ausschließliche Verwertungsrechte im Sinne der §§ 85, 16, 17, 19a UrhG" zu. Ausweislich der Begrifflichkeit der "Verwertungsrechte" und des Inhalts der zitierten Normen stützt sich die Klägerin damit auf Rechte, die allein der Hersteller eines Tonträgers innehat. Dass ihr Vorbringen diesen tatsächlichen Kern hat, wird weiter durch das Zitat des § 10 Abs. 1 UrhG in der (anwaltlich erstellten) Klageschrift und der Berufungserwiderung gestützt, denn diese Norm betrifft allein die originäre Rechtsinhaberschaft, während bei Bestehen von abgeleiteten Rechten (Nutzungsrechten) allein § 10 Abs. 3 UrhG einschlägig wäre.

Andererseits weist die Klägerin darauf hin, auf dem CD-Einleger des streitgegenständlichen Albums sei sie als „exklusive Lizenznehmerin" bzw. als „Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte" bezeichnet, womit sie andeutet, dass ihr (lediglich) abgeleitete bzw. übertragene Rechte zustehen.

Die Klägerin kann sowohl bezogen auf die Rechte aus § 85 UrhG, wie auf die Rechte des Werkschöpfers jedoch nicht zugleich Tonträgerherstellerin (sowie Urheberin) und zugleich lediglich Nutzungsberechtigte Lizenznehmerin sein.

Erläuternden Vortrag, insbesondere zu der Rechtekette, enthalten – wie ausgeführt – weder die Klageschrift, noch das sonstige Parteivorbringen.

2.

Die Klägerin kann sich zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation auch nicht auf die Vermutung des § 10 UrhG i.V.m. mit dem Vermerk auf dem CD-Einleger stützen.

Zwar findet § 10 Abs. 1 UrhG gemäß § 85 Abs. 4 UrhG auch auf die Berechtigung des Tonträgerherstellers Anwendung, so dass anhand des ℗+©- Vermerks grundsätzlich auf die Tonträgerherstellereigenschaft zu schließen ist (kritisch: Sricker/Loewenheim/Vogel, UrhR, 4. Aufl., § 85 UrhG, Rn. 30 wegen der auch in der Entscheidung BGH GRUR 2003, 228 beschriebene Mehrdeutigkeit des ℗- Vermerks).

Auf der mit Anlage K5 vorgelegten Kopie eines CD-Covers lauten jedoch sowohl der Urhebervermerk ©, als auch der Tonträgerherstellervermerk ℗ nicht auf die Klägerin, sondern auf die Firma „I." als teil einer „F. GbR", und es ist dort in englischer Sprache angegeben, dass eine exklusive Lizenz an die „U." als Teil der Klägerin eingeräumt ist. Weist der auf dem CD-Cover befindliche Vermerk lediglich auf eine Lizenznehmereigenschaft der Klägerin hin, so steht einer aus dem Vermerk abgeleiteten Vermutung einer Berechtigung nach § 85 UrhG schon entgegen, dass in § 85 Abs. 4 UrhG allein auf die Vorschrift des § 10 Abs. 1 UrhG, die den (originären) Urheber bzw. Hersteller betrifft verweisen ist, nicht jedoch auf den § 10 Abs. 3 UrhG, der im Falle bloßer Nutzungsrechtsinhaberschaft anwendbar ist.

Aber auch soweit unbeschadet des Vorausgeführten § 10 Abs. 3 UrhG unmittelbar für den Inhaber abgeleiteter Tonträger-Rechte anwendbar ist (so wohl: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 85, Rn. 62A: kritisch: Schricker/Loewenheim/Vogel, a.a.O.), findet sich in § 10 Abs. 3 UrhG zugleich die Beschränkung, dass die Vermutung nur in Bezug auf Unterlassungsansprüche und den einstweiligen Rechtsschutz, nicht aber, wie hier, zur Geltendmachtung von Schadensersatzansprüchen Anwendung findet. Insoweit bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Klägerin ihre Berechtigung darlegen und im Bestreitensfall beweisen muss. Wie ausgeführt, fehlt es an einer solchen Darlegung.

3.

Die Behauptung, die Klägerin sei bei großen deutschen Online-Verkausplattformen von mp3-Dateien als „Rechtsinhaberin" angegeben, genügt zur Darlegung des Rechteerwerbs und des Umfangs der Berechtigung ebenso wenig wie die – auch nicht erfolgte – Vorlage eines Auszugs aus der Katalogdatenbank „Media-Cat" der PhonoNet GmbH. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass Eintragungen in eine Katalogdatenbank gundsätzlich ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft an Tonträgerherstellerrechten bilden (vgl. BGH GRUR 2016, 176 – Tauschbörse I). Die Klägerin hat aber, anders als in dem von dem BGH entschiedenen Sachverhalt nicht nur den Auszug der Datenbank nicht vorgelegt, sondern auch keine ergänzenden Umstände vorgetragen, die der Katalogdatenbank dahingehend ein besonderes indizielle Gewicht zukommen lassen, etwa, dass Umstände für die Richtigkeit der darin enthaltenen Daten sprechen. Zudem findet sich in dem Katalog nach dem Klägervortrag lediglich die Angabe, die Klägerin sei „Inhaberin der Auswertungsrechte".

Die in diesem Zusammenhang angebotenen Beweise „Inaugenscheinahme der jeweiligen Musiktitelinformation innerhalb einer großen deutschen Online-Verkaufsplattform von mp3-Musikdateien, ggf. ersatzweise Inaugenscheinahme von entsprechenden Bildschirmausdrucken" sowie „Vorlage der relevanten Vertragsauszüge" sind, ohne dass substantiiert zum Inhalt der Angaben auf den Verkaufsplattformen oder zu den Verträgen Vortrag erfolgt, unbestimmt. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, welche tatsächliche Wahrnehmung der Zeuge H. bezeugen soll oder bezeugen kann.

4.

Allein, dass die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, macht die Darlegung der Berechtigung durch die Klägerin nicht entbehrlich.

Die Erklärung erfolgt "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" und mit einem Begleitschreiben, in dem die Beklagten dargestellt hat, sie habe die behauptete Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Weder stellt sie sich als Anerkenntnis dar, noch ist sie durch sie der Rechtsstreit um die Verletzung präjudiziert (BGH GRUR 2013, 1252). Die Klägerin ist zudem der Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 07.05.2014, die Angaben der Unterlassungserklärung sei mit dem Ziel, ein kostenintensives Unterlassungsverfahren mit drohendem sehr hohen Streitwert zu vermeiden, nicht entgegentreten.

III.

Die Klägerin war, obwohl das Berufungsgericht der amtsgerichtlichen Beurteilung, eine Vermutung der Rechtsinhabereigenschaft ergeben sich schon auf Grund des P-Vermerks auf dem CD-Einleger, nicht beigetreten ist, auf die Schlüssigkeitsmängel der Klage nicht gesondert hinzuweisen (§ 139 ZPO). Die Kammer verkennt nicht, dass die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei drauf schützt, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Sachvortrags erforderlich sein kann (vgl. BGH NJW-RR 2010, 70). Die Frage der Rechtsinhaberschaft ist aber in beiden Instanzen zwischen den Parteien erörtert worden. Die Klägerin hatte mithin Anlass, zur Natur ihrer Berechtigung (originäres oder abgeleitetes Recht), deren Herleitung und zu dem Umfang, der auch für die Höhe des Schadensersatzsverlangens von Bedeutung ist, vorzutragen. Die Klägerin hat jedoch im Berufungsrechtszug lediglich auf den P- und C-Vermerk auf dem CD-Cover verwiesen und zudem darauf, dass dann, wenn das Gericht das Bestreiten der Beklagten für ausreichend erachtete, entsprechend ihres umfassenden Beweisangebots erster Instanz Beweis erhoben werden müsste (Schriftsatz v. 25.03.2015, S. 1).

 

B. Anschlussberufung der Klägerin

Aus vorgenannten Gründen ist die Anschlussberufung der Klägerin unbegründet.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Streitwert (Berufung+Anschlussberufung): 3.505,40 EUR"

Fazit – Richtige Reaktion bei Filesharing-Abmahnung:

Bereits bei Erhalt einer urheberrechtlichen Filesharing-Abmahnung sollten Sie einen in diesen Fällen erfahrenen Rechtsanwalt zu Rate ziehen. Die hierdurch entstehenden geringen Kosten lohnen sich doppelt: Zum einen können Gerichts- und Strafverfahren in fast allen Fällen vermieden werden und zum anderen können die von der Gegenseite geforderten Geldzahlungen häufig vollständig abgewehrt werden.

Wer diesen Rat nicht berücksichtigt hat und eine Filesharing-Klage im Briefkasten vorfindet, sollte sich gegen die Inanspruchnahme anwaltlich verteidigen. Ein im Urheberrecht erfahrener Anwalt wird Ihnen den ersten Schrecken nehmen, die Chancen und Gefahren des Filesharing-Klageverfahrens realistisch einschätzen und dafür sorgen, dass der Prozess optimal geführt wird. In dem gerichtlichen Verfahren sollte stets auch die Aktivlegimation bestritten werden. Wie das vorliegende Berufungsurteil zeigt, kann kann bereits dadurch der Filesharing-Prozess gewonnen werden.

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