Betrug! Kein Kostenersatz für Abmahnungen mit falschen Rechtsausführungen!

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In den vergangenen Jahren wurden bundesweit mehr als 2 Millionen Abmahnungen ausgesprochen.

Die betroffenen Anschlussinhaber sollen geschützte Dateien, meist Musik- oder Filmwerke, über illegale Tauschbörsen im Internet verbreitet haben.Die Empfänger der Abmahnung werden dabei zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zu einer - oft horrenden - Geldzahlung aufgefordert. Dabei werden alleine die Rechtsverfolgungskosten meist mit Beträgen von 500,00 Euro bis zu ca. 3.000,00 Euro beziffert.

Zumindest diese Kosten können jedoch oft gar nicht erfolgreich gerichtlich durchgesetzt werden. Insbesondere dann nicht, wenn die Abmahnung falsche Rechtsausführungen enthält. Dies hat das Amtsgericht Düsseldorf nun in einer aktuellen Entscheidung bestätigt und spricht dabei sogar von einem betrügerischen Verhalten der Abmahner (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 08.10.2013 – 57 C 6993).

Thilo Wagner
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Das war der Fall:

Mit Schreiben vom 06.09.2009 mahnten die Kläger („führende Tonträgerhersteller") die Beklagte (eine unbescholtene Inhaberin eines Telefonanschlusses) ab, mit der Begründung, von ihrem Anschluss aus seien am 04.08.2008 um 22:46 Uhr 537 Musikdateien zum Herunterladen zur Verfügung gestellt worden. Eine nähere Konkretisierung der vorgeworfenen Tat erfolgte nicht.

Unter anderem hieß es in dem Schreiben: "Inwieweit Sie die Rechtsverletzungen selbst begangen haben, wurde bislang zwar nicht abschließend geklärt, als Inhaber des verfahrensgegenständlichen Internetanschlusses sind Sie jedoch jedenfalls zur Erstattung der Rechtsverfolgungskosten verpflichtet. Bereits dieser Kostenerstattungsanspruch führt dabei - angesichts der regelmäßig in Fällen der vorliegenden Art gerichtlich angenommenen Gegenstandswerte von 10.000,00 Euro pro verfügbar gemachtem Audiotitel - zu erheblichen Ersatzbeträgen. Dies verdeutlicht die beispielhafte Berechnung eines Kostenerstattungsanspruchs bei nur zehn zur Verfügung gestellten Musikdateien der o.g. vier Mandanten, aus der sich eine Kostenerstattungsforderung von 2.998,80 Euro ergibt...". Zusätzlich wurden in dem Abmahnungsschreiben weitere Schadensersatzansprüche in Höhe von einigen tausend Euro angekündigt.

Die Beklagte unterzeichnete am 19.09.2009 eine der Abmahnung beigefügte von den Prozessbevollmächtigten der Kläger vorformulierte Vergleichsannahmeerklärung, die unter anderem zur Abgeltung aller Urheberrechtsverletzungen eine Verpflichtung zur Zahlung von 4.000,00 Euro enthielt.

Im Nachhinein verweigerte die Beklagte jedoch die Zahlung der Vergleichssumme und wurde schließlich vor dem Amtsgericht Düsseldorf auf Zahlung der 4.000,00 Euro verklagt.

Die Entscheidung des Amtsgericht Düsseldorf: Abmahnung = versuchter Betrug!

Das Amtsgericht Düsseldorf hat die Zahlungsklage abgewiesen.

In der Entscheidung führt das Amtsgericht aus, dass die Kläger die Zahlung des Vergleichsbetrags nicht verlangen könnten, da der Vergleichsschluss durch ein „betrügerisches Verhalten" der Abmahnenden erlangt worden sei.

In der Entscheidung heißt es wörtlich:

...Die Klägerinnen haben den Vergleichsschluss hier durch betrügerische Handlung gemäß § 263 StGB erlangt, indem sie die Beklagte gezielt über die Rechtslage hinsichtlich der Haftung des Anschlussinhabers getäuscht haben und ihr dadurch vorgespiegelt haben, sich in einer derart ausweglosen Situation zu befinden, dass die Unterzeichnung des außergerichtlichen Vergleichs über 4.000,00 Euro für sie die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit ist.

Auch Rechtsauffassungen stellen Tatsachen gemäß § 263 Abs. 1 StGB dar, wenn durch ihre Äußerung beim Empfänger der Eindruck erweckt wird, es handele sich hierbei um allgemein anerkannte rechtliche Auffassungen, denen ein Gericht im Falle eines Prozesses folgen wird....

...Die Erklärung durch einen Rechtsanwalt, dass der Inhaber eines Internetanschlusses stets zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten für über den Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen verpflichtet ist und diese bereits bei nur 10 zur Verfügung gestellten Titeln im Hinblick auf einen Gegenstandswert von 10.000,00 Euro pro Titel 2.998,80 Euro betragen, beinhaltet, soweit sich keine einschränkenden Erläuterungen finden, zugleich die Erklärung, dass es sich hierbei nicht nur um die exklusive Meinung der Rechtsanwaltskanzlei der Klägerseite handelt, sondern dass die hier dargestellte Rechtsauffassung in der Rechtsprechung anerkannt ist...

...Die von den Klägerinnen im Abmahnschreiben vom 09.09.2009 dargestellte Rechtsauffassung, wonach der Anschlussinhaber für die Rechtsanwaltskosten von Abmahnungen wegen über den Anschluss begangener Urheberrechtsverletzungen unabhängig von seiner Täterschaft stets haftet, hatte bereits im Jahr 2009 keine Grundlage in der Rechtsprechung. Dass nämlich die Störerhaftung des Anschlussinhabers nach § 97 Abs. 1 UrhG zur Vermeidung einer ausufernden Haftung durch Dritte die Verletzung von Prüfpflichten voraussetzt, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch bereits vor der im Jahr 2010 ergangenen Entscheidung "Sommer unseres Lebens" des Bundesgerichtshof anerkannt (BGH NJW 1999, 1960). Somit haben die Klägerinnen der Beklagten in ihrem Abmahnschreiben eine unzutreffende der Beklagten ausweglos erscheinende Rechtslage vorgespiegelt...

...Somit liegt eine Täuschungshandlung gemäß § 263 Abs. 1 StGB vor, die geeignet ist einen Irrtum über die in der Rechtsprechung anerkannte Rechtslage auszulösen, der wiederum Grundlage einer Vermögensverfügung durch Abschluss des Vergleichsvertrages ist, wobei in der Begründung dieser Verbindlichkeit bereits ein Vermögensschaden zu erblicken ist. Es kommt nicht darauf an, ob die aufgezeigte Täuschungshandlung und der hierauf basierende Irrtum tatsächlich kausal für den Abschluss des Vergleichsvertrages durch die Beklagte war oder sie ihn auch bei zutreffender Darstellung der Rechtslage abgeschlossen hätte. In dem Versenden des täuschenden Abmahnschreibens nebst vorformulierter Vergleichserklärungen liegt nämlich zumindest ein versuchter Betrug gemäß §§ 263, 22, 23 StGB, weil nach Vorstellung der Klägerinnen gerade die ausweglose Darstellung der Rechtslage dazu führen soll, dass die abgemahnte Person die Vergleichsannahmeerklärung unterzeichnet...".

Das Amtsgericht Düsseldorf findet in der Entscheidung sehr deutliche Worte, indem sie der Abmahnindustrie sogar ein betrügerisches Verhalten vorhält.

In der Sache ähnlich, allerdings ohne den Vorwurf des Betruges, hatte zuvor bereits das Landgericht Hamburg entschieden (Az. 308 O 109/12 - Urteil vom 21.9.2012). Die Hamburger Richter urteilten, dass Kostenersatz für eine Abmahnung zumindest dann nicht verlangt werden kann, wenn in dem Schreiben falsche Rechtsausführungen gemacht werden.

Fazit

Viele Abmahnungen enthalten solche oder ähnliche Textbausteine:

Sie sind „...in Anbetracht der über Ihren Internetzugang begangenen Rechtsverletzungen - und zwar ebenfalls unabhängig von Ihrer eigenen Tatbegehung - ...jedenfalls zur Erstattung der Rechtsverfolgungskosten verpflichtet...der Unterlassungsanspruch besteht im Übrigen unabhängig davon, ob Sie die Rechtsverletzung selbst begangen haben..."

Diese Rechtsausführungen sind falsch. Der Anschlussinhaber ist nicht ohne weiteres für jede möglicherweise über seinen Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich. Ein Anspruch kann nur dann durchgesetzt werden, wenn dem Anschlussinhaber die vorgeworfene Tat oder zumindest die Verletzung zumutbarer Sicherungspflichten vorgeworfen werden kann.

Ein Kostenersatz für eine Abmahnung mit falschen Rechtsausführungen sollte daher keinesfalls gezahlt werden. Im Falle einer Klage sollte sich auf diese für die Abgemahnten günstige Rechtsauffassung des Amtsgerichts Düsseldorf berufen werden.

Wer eine Abmahnung erhält, sollte keinesfalls die dem Schreiben beiliegende vorformulierte Verpflichtungserklärung ungeprüft unterschreiben, Auskünfte erteilen oder die oft viel zu hoch bemessenen Forderungen erfüllen! In der Regel können die mit einer Abmahnung zu Unrecht geltend gemachten Ansprüche durch einen Urheberrecht erfahrenen Rechtsanwalt kostengünstig abgewehrt werden.

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