Unfallträchtiger Weideservice

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Wenn Gefälligkeitsdienste vor Gericht entschieden werden müssen

Pferd & Wagen Rechtsanwältin Michaela Nolte beschäftigt sich seit Beginn ihrer anwaltlichen Tätigkeit im Jahr 2001 mit allen Rechtsfragen rund um das Pferd und den Reitsport und stellt exklusiv für Pferd & Wagen aktuelle Rechtsprechung vor.

Der Fall: Zwei berufstätige junge Frauen, nennen wir sie Anna und Beate, hatten ihre Pferde auf einem Reiterhof untergestellt. Beide hatten sich für die Dauer der Weidesaison auf Folgendes verständigt: Morgens bringt Anna die zwei Pferde auf die Weide, abends holt Beate die Pferde zurück in den Stall. Aus Zeitmangel, vielleicht auch aus Bequemlichkeit, führten sowohl Anna als auch Beate die Pferde gleichzeitig zur Weide. Dabei wurde das eine Pferd mit der linken, das andere mit der rechten Hand gehalten. Ab und an gab es dabei zwar gelegentlich Probleme, weil ein Pferd zum Scheuen neigte. Doch bislang ging alles gut.

Dann geschah Folgendes. Anna führte wie üblich beide Pferde vom Stall zur Weide. Dabei musste sie ein offen stehendes Tor einer anderen Weide passieren. Beide Pferde witterten das Gras und zogen in Richtung Tor. Als Annas Pferd immer stärker zog, ließ sie den Strick los, um BeatesPferd festzuhalten. Annas Pferd jagte in Freudensprüngen über die Weide. Dies wollte sich Beates Pferd nicht entgegen lassen, denn es spürte ebenfalls einen starken „Freiheitsdrang“, stieg, schlug aus und verletzte hierbei Anna erheblich am Kopf. Anna musste mehrere Wochen im Krankenhaus verbringen. Zwei Kieferoperationen waren notwendig.

Das Pferd von Beate war zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversichert. Anna begehrte Schmerzensgeld, Verdienstaufall, pp. Die Versicherung lehnte jedoch jegliche Zahlungen ab. Deshalb erhob Anna Klage.

Das mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Hamburg bestellte einen Gutachter. Dieser stellte auszugsweise in seinem Gutachten fest:

„Es ist grob fahrlässig, zwei Pferde gleichzeitig zu führen und den Führstrick jeweils in derrechten und der linken Hand zu halten. Grundsätzlich sollte man nur ein Pferd führen. Dabei soll die eine Hand den Führstrick halten, die andere Hand wird benötigt, um das Pferd, falls nötig, zu maßregeln.“

„Anna sei vorzuwerfen“, so der Gutachter weiter, „dass sie das Pferd lediglich mit einem Führstrick geführt habe. Der Strick hätte speziell unter Einbeziehung des Nasenrückens oder des Unterkiefers befestigt werden müssen. Vorschriftsmäßig wäre eine Trense oder eine Führkette gewesen.“

Daraufhin wies das Landgericht die Klage von Anna vollständig ab. Zwar treffe Beate als Pferdehalterin eine Gefährdungshaftung. Dennoch könne Anna keine Ansprüche geltend machen, weil sie grob fahrlässig gehandelt habe. Ihr Mitverschulden überwiege dermaßen, dass die Gefährdungshaftung der Tierhalterin entfalle.

Das Urteil wurde nicht rechtskräftig. Im zweitinstanzlichen Verfahren schlossen beide Parteien dann einen Vergleich. Anna erhielt einen Teil ihrer Forderungen. Die Freundschaft zwischen Anna und Beate hatte durch den Rechtsstreit erheblichen Schaden genommen.

Allgemein wirft der Fall die Frage auf, ob und wie weit es überhaupt zulässig ist, zwei Pferde gleichzeitig zu führen. Das gleichzeitige Führen zweier Pferde allein für sich genommen ist äußerst riskant. Unabhängig davon ist in jedem Fall ausreichendes Equipment erforderlich. Das jedochwird in der täglichen Praxis oft nicht eingesetzt. Selten passiert dabei ein Unfall. Doch es kann auch anders kommen. Dann müssen sich Rechtsanwälte, Versicherungen und Gerichte mit der Sache beschäftigen.

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