Tierheilpraktiker – Ein Gewerbe ohne bundesrechtliche Vorschriften

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Tierheilpraktiker – Ein Gewerbe ohne bundesrechtliche Vorschriften

Der Bundesgerichtshof hatte bereits 1999 zu der Frage Stellung bezogen, ob die Berufsbezeichnung Tierheilpraktiker durch Personen, die - ohne Arzt zu sein - bei der Behandlung von Tieren Naturheilverfahren anwenden und eine entsprechende Ausbildung abgeleistet haben, sich als "Tierheilpraktiker" bezeichnen dürfen. Der BGH sah darin keine irreführende Angabe (BGH, Urt. v. 22. 4. 1999 - I ZR 108/ 97).

Die Bundesregierung beantwortete aus aktuellem Anlass eine Kleine Anfrage zu dem Thema wie folgt:

Vorbemerkungen der Bundesregierung Nach der von Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) umfassend geschützten Berufsfreiheit ist grundsätzlich auch das Ergreifen eines Berufs möglich, ohne dass es einer rechtlichen Regelung des betreffenden Berufsbildes bedarf. Das Erfordernis, den Beruf des Tierheilpraktikers einer spezialgesetzlichen Berufsregelung zu unterwerfen, kann aus Artikel 12 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden. Vielmehr sind nach Auffassung der Bundesregierung die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Einschränkung der tierheilkundlichen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland, die insbesondere im Tierschutzgesetz, im Arzneimittelgesetz und im Betäubungsmittelgesetz zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zum Tierschutz getroffen worden sind, zur Erreichung der Zielsetzungen dieser Gesetze und allgemein zum Schutz von Mensch und Tier ausreichend. Ein darüber hinausgehendes Bedürfnis zur Schaffung gesetzlicher Regelungen vermag die Bundesregierung nicht zu erkennen. Im Hinblick darauf, dass das Berufsbild des Tierarztes in § 1 der Bundes-Tierärzteordnung (BTÄO) und § 1 der Verordnung zur Approbation von Tierärzten und Tierärztinnen dargestellt ist, sind Abgrenzungsprobleme zum Beruf des Tierarztes ebenfalls nicht zu erkennen.

Frage Nr. 1 Ist es im Sinne der Berufsfreiheit laut Artikel 12 des Grundgesetzes, wenn Berufe ohne gesetzliche Legitimation erlernt und ausgeübt werden und lediglich eine indirekte Regelung durch nicht speziell den Beruf betreffende Rechtsvorschriften die Berufsausübung regeln bzw. einschränken?

Antwort: Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Berufsfreiheit umfassend, also sowohl die Berufswahl als auch die Berufsausübung. Als Beruf ist dabei jede auf Dauer ausgeübte Tätigkeit anzusehen, die der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient (BVerfGE 102, 197, 212). Der Begriff des Berufs ist weit auszulegen. Berufe im Sinne von Artikel 12 Abs. 1 GG sind nicht nur Tätigkeiten in bestimmten, traditionellen oder sogar rechtlich fixierten Berufsbildern, sondern auch vom Einzelnen frei gewählte untypische Betätigungen (vgl. BVerfGE 7, 377, 397). Demnach ist regelmäßig auch das Ergreifen eines Berufs möglich, ohne dass eine rechtliche Regelung dieses Berufsbildes erforderlich ist. Die Tätigkeit des Tierheilpraktikers ist daher auch ohne rechtliche Fixierung ein von Artikel 12 Abs. 1 GG geschützter Beruf. Nach Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Dieser Gesetzesvorbehalt wird weit ausgelegt und bezieht sich über seinen Wortlaut hinaus auf die gesamte Berufsfreiheit, also auch auf die Wahl des Berufs (BVerfGE 54, 237, 246). Auch der Beruf des Tierheilpraktikers könnte demnach gesetzlichen Regelungen unterworfen werden. Zwingend erforderlich ist dies jedoch im Sinne von Artikel 12 Abs. 1 GG nicht. Die Bundesregierung erachtet es weiterhin als ausreichend, dass die Berufsausübung eines Tierheilpraktikers durch eine Vielzahl von Rechtsvorschriften im erforderlichen Umfang eingeschränkt ist. Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und auch des Tierschutzes bestehen Vorschriften auf den Gebieten des Lebensmittelrechts-, des Fleisch- und Geflügelfleischhygienerechts, des Arznei- und Betäubungsmittelrechts, des Tierseuchenrechts sowie des Tierschutzrechtes. Die in diesen gesetzlichen Regelungen genannten, ausschließlich dem Tierarzt vorbehaltenen Tätigkeiten, darf der Tierheilpraktiker nicht ausüben. Eine Verpflichtung zur Schaffung darüber hinausgehender gesetzlicher Regelungen besteht nach Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf Artikel 12 des GG nicht.

Frage Nr. 2 Liegen der Bundesregierung Informationen bzw. verlässliche Quellen darüber vor, seit wann es den Beruf des Tierheilpraktikers in Deutschland gibt?

Antwort: Da der Beruf des Tierheilpraktikers in der Bundesrepublik Deutschland nicht gesetzlich geregelt ist, verfügt die Bundesregierung hierzu über keine validen Daten.

Frage Nr. 3 Liegen der Bundesregierung Statistiken über die Anzahl der praktizierenden/niedergelassenen Tierheilpraktiker und der Tierheilpraktikerschulen in Deutschland vor? Wenn ja, wie viele gibt es? Wenn nein, warum nicht, und wie können die zuständigen Länderbehörden die Einhaltung der spezialrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Ausbildung zum Tierheilpraktiker und der Ausübung dieser Tätigkeit überwachen, wenn keine entsprechend personifizierten Daten, die Kontrollen und Stichproben ermöglichen, vorliegen?

Antwort: Da die Ausübung des Berufs als Tierheilpraktiker keinen bundesrechtlichen Vorschriften unterliegt und eine Erlaubnis zur Ausübung des Berufs nicht vorgesehen ist, liegen der Bundesregierung keine Statistiken über die Anzahl der praktizierenden/niedergelassenen Tierheilpraktiker vor. Bei den Unterrichtsstätten für Tierheilpraktiker handelt es sich um private Einrichtungen; die Bundesregierung verfügt über keine diesbezüglichen Statistiken. Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, unterliegt die Ausübung der Tierheilkunde durch andere Personen als Tierärzte weitgehenden rechtlichen Beschränkungen. Die Einhaltung der spezialrechtlichen Vorschriften wird durch die zuständigen Länderbehörden überwacht. So unterliegen Tierheilpraktiker beispielsweise der amtlichen Tierarzneimittelüberwachung, nachdem sie eine Teilnahme am Arzneimittelverkehr mit nicht apothekenpflichtigen Arzneimitteln gemäß § 67 des Arzneimittelgesetzes (AMG) angezeigt haben. Eine vollständige Abfrage bei den Ländern konnte aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht durchgeführt werden. Aus den eingegangenen Mitteilungen der Länder ergibt sich, dass die Anzahl der dort tätigen Tierheilpraktiker nur teilweise bekannt ist. Ein vollständiges Bild lässt sich mangels umfassender Erkenntnisse nicht erreichen.

Frage Nr. 4 Sieht die Bundesregierung für den Beruf des Tierheilpraktikers den Tatbestand erfüllt, dass – nach Aussagen des Berufsverbandes der Tierheilpraktiker – aufgrund des Bestehens der Tätigkeitsbezeichnung „Tierheilpraktiker" seit 1905 Bestandsschutz für diesen Beruf besteht?

Antwort: Grundsätzlich kann im Rahmen des Artikels 12 Abs. 1 GG jede nicht von vornherein verbotene Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage ergriffen werden, so dass grundsätzlich auch die Tätigkeit des Tierheilpraktikers von Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist. Die von Artikel 12 Abs. 1 GG gewährte Berufsfreiheit gewährleistet die Ausübung eines Berufs jedoch immer nur im Rahmen des geltenden Rechts. So kann der Gesetzgeber im Rahmen des Artikels 12 Abs. 1 Satz 2 GG z. B. bestimmte Tätigkeiten zu einem Berufsbild zusammenfassen und an dieses gesetzliche Regelungen knüpfen (vgl. BVerfGE 13, 97, 117). Bestehende Berufsbilder können gegebenenfalls an veränderte Umstände angepasst werden (BVerfGE 78, 179, 193). Auch der Beruf eines Tierheilpraktikers könnte im Rahmen des Artikels 12 Abs. 1 Satz 2 GG gesetzlich geregelt werden. Die Ergreifung und Ausübung des Berufs müsste dann innerhalb dieser gesetzlichen Regelungen erfolgen. Hinsichtlich der Modalitäten der Berufsergreifung und -ausübung besteht daher kein von vornherein überwiegender Bestandsschutz, zumal diese beim Tierheilpraktiker bislang gesetzlich überhaupt nicht geregelt sind.

Frage Nr.5 Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Autors Colin Goldner, dass die Tätigkeit des Tierheilpraktikers tierschutzrelevant ist bzw. sein könnte?

Antwort: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Tätigkeit des Tierheilpraktikers tierschutzrelevant ist. Das Tierschutzgesetz enthält eine Vielzahl von Regelungen, die von sämtlichen betroffenen Personen im Umgang mit Wirbeltieren zu berücksichtigen sind. Berufsbedingt arbeitet ein Tierheilpraktiker überwiegend an bzw. mit Tieren. Daher gelten für ihn die tierschutzrechtlichen Vorschriften in besonderem Maße.

Frage Nr. 6 Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, wie häufig im Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs des Tierheilpraktikers Verstöße gegen den Tierschutz und gegen das Wettbewerbsrecht vorkamen?

Antwort: Die Einhaltung der spezialgesetzlichen Regelungen wird von den zuständigen Behörden der Länder überwacht. Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht werden im Übrigen nicht von den Überwachungsbehörden sondern von den Mitbewerbern und den sonst berechtigten Verbänden und Einrichtungen verfolgt. Eine Abfrage ist in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht durchführbar.

Frage Nr. 7 Hält es die Bundesregierung für notwendig und angemessen, – sowohl die Ausbildung als auch den Beruf des Tierheilpraktikers unter fachliche Aufsicht des Bundes oder der Länder zu stellen, – eine einheitliche Ausbildungsordnung zu schaffen, – die Voraussetzungen für die Ausbildung zum Tierheilpraktiker festzulegen und – klar zu regeln, wie sich das Berufsbild des Tierheilpraktikers von dem des Tierarztes abgrenzt?

Antwort: Die Bundesregierung sieht keinen Bedarf zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage der Tätigkeit des Tierheilpraktikers, da sie Abgrenzungsprobleme zum Beruf des Tierarztes nicht zu erkennen vermag. Das Berufsbild des Tierarztes ist in § 1 der BTÄO und § 1 der Verordnung zur Approbation von Tierärzten und Tierärztinnen dargestellt. Die Berufsbezeichnung Tierarzt oder Tierärztin darf gemäß § 3 der BTÄO nur führen, wer als Tierarzt approbiert oder zur vorübergehenden Ausübung des tierärztlichen Berufs befugt ist.

Frage Nr. 8 Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Maßnahmen gegen das für viele Tierbesitzer häufig intransparent wirkende Angebots- und Tätigkeitsspektrum von Tierheilpraktikern vorzugehen?

Antwort: Der Bundesregierung liegen hierzu keine Anhaltspunkte vor. Der Angabe „Tierheilpraktiker" als solcher lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass die damit bezeichneten Personen bestimmte gesetzliche Ausbildungs- oder Zugangsvoraussetzungen erfüllen müssen.

Frage Nr. 9 Wie bewertet die Bundesregierung das Verbot der Ausübung des „Berufs" des Tierheilpraktikers in Österreich hinsichtlich eines solchen Tätigkeitsverbotes in Deutschland?

Antwort: Die Bundesregierung erwägt kein gesetzliches Verbot für die Ausübung des Berufs als Tierheilpraktiker.

Frage Nr. 10 Wie bewertet die Bundesregierung – auch hinsichtlich der Harmonisierung der Berufsausübung in den Ländern der EU – die Tatsache, dass in Deutschland ausgebildete Tierheilpraktiker aufgrund des Berufsverbots in Österreich diesen Beruf dort nicht ausüben dürfen?

Antwort: In Österreich ist die Ausübung der Tierheilkunde ausschließlich Tierärzten vorbehalten. Die Ausübung des Berufs als „Tierheilpraktiker" ist in Österreich durch das Tierärztegesetz seit 1992 verboten. Die Tätigkeit als Tierheilpraktiker ist auch nach EU-Recht kein reglementierter Beruf und unterliegt damit nicht den EU-weiten Anerkennungsregelungen.

Frage Nr. 11 Hält die Bundesregierung den Zustand für befriedigend, dass aufgrund der Nichtzulässigkeit des Tierheilpraktikerberufes eine entsprechende Ausbildung weder notwendig ist noch kontrolliert werden muss?

Antwort: Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen.

Frage Nr. 12 Wie grenzt die Bundesregierung den „Beruf" des Tierheilpraktikers von dem des Tierarztes auch hinsichtlich der Möglichkeit ab, bestimmte Eingriffe am Tier vorzunehmen?

Antwort: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Frage Nr. 13 Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, ein Verbot der Tätigkeitsausübung als Tierheilpraktiker, zum Beispiel über eine entsprechende Regelung im Tierschutzgesetz, zu erwirken?

Antwort: Ein Verbot der Ausübung des Berufs des Tierheilpraktikers wäre ein schwerwiegender Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit. Eine solche objektive Berufswahlbeschränkung kommt nur in Betracht, um eine schwerwiegende Gefahr für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren. Der Bundesregierung liegen zurzeit keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Gefährdungslage vor.

Leserkommentare
von guest-12301.05.2010 20:09:01 am 17.04.2010 15:00:16# 1
Ohne den Tierheilpraktiker wäre vor ca 5 Mon. mein Hund nicht mehr am Leben!
Die sogenannten Schulmediziner wollten ihn Euthansieren
    
von SuperSix1 am 19.09.2013 12:28:44# 2
Man könnte auch denn "Beruf" z.B.: des Hausmeisters verbieten......-> Wenn er z.B. an Elektroinstallation eingriffe vornehmen würde, er aber kein Elektroinstallateure ist, kann es auch zur Gefahr für Leib, Leben und Gütern kommen.
Beim "Hausmeister" ist auch klar geregelt wie beim Tierheilpraktiker o.a. was er darf uns was nicht und er wird auch nicht vom Staat überwacht!
Schwarze Schafe gibt es leider überall, sei es bei der Regierung oder Rechtsanwälten usw.
Da ist ist leider mal so und wird sich auch nicht verhindern lassen.
    
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