Gefahr bei unüberlegten und ungeprüften Kündigungen von TK-Verträgen, Mischverträgen und Internet-System-Verträgen

Mehr zum Thema: Vertragsrecht, Kündigung, Werkvertrag, Nachforderungen, Hosting, AGB
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Wann befreit eine Kündigung wirklich von Zahlungsverpflichtungen?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass gemischte Verträge, die auch Werkleistungen, z.B. über die Erstellung von Internetseiten beinhalten, prinzipiell kündbar sind, auch wenn sie zusätzlich Dienstleistungen wie Hosting beinhalten. Ein Kündigungsausschluss über AGB ist in diesen Fällen unwirksam.

Die auch grundlos mögliche, freie Kündigungsmöglichkeit gemäß § 648 BGB gilt aber nur für Verträge, die vorwiegend Webdesign als Werkleistung zum Inhalt haben. Die Einstufung und Abgrenzung ist schon für Juristen schwierig, für Laien wohl unmöglich.

Stefan Musiol
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Für Telekommunikationsdienste und die immer häufiger beworbenen Tätigkeiten wie das Schalten von Online-Anzeigen oder Suchmaschinenwerbung kann auch Dienstvertragsrecht anwendbar sein. In diesem Fall wäre bei Zeitverträgen, die über zwei Jahre wirksam abgeschlossen sind, das ordentliche „normale“ Kündigungsrecht mit einer bestimmten Kündigungsfrist nach den Vertragsvereinbarungen (AGB) ausgeschlossen.

Mehrjährige Webdesign-Verträge sind ohne Begründung – aber nur sehr teuer - kündbar

Langzeitige Verträge über Webdesignleistungen wie solche, die von der Euroweb Internet GmbH erstmals praktiziert wurden und deren Systematik von anderen Gesellschaften grundlegend übernommen wurde, sind gemäß § 648 BGB kündbar. In letzter Zeit wurden solche „Internet-System-Verträge“ über die Erstellung von Internetpräsentationen u.a. unter der Bezeichnung „eventomaxx“ aus Lübeck angeboten. Dies war auch der Standort der Gesellschaft Stemico, die von der Berliner Gesellschaft Bitskin übernommen wurde. Die Bitskin GmbH Berlin meldete später Insolvenz an und wurde liquidiert. Die Marke wurde übernommen und fortgeführt. Mit offensichtlichen personellen Kontinuitäten tritt gerade auch sehr hochpreisig ein Unternehmen „VENDOWEB“ vom Standort Oldenburg auf. Der derzeitige Geschäftsführer Dennis Becker ist typischer Weise auch der Geschäftsführer der eventomaxx GmbH und das Bankkonto wird aktuell auch bei einer Bank in Lübeck geführt.

Auch die Euroweb Gruppe befindet sich in einem ständigen Wandel mit neuen Marken und Gesellschaften. Während Unternehmen regelmäßig auf die Bekanntheit ihrer Marken setzen und diese langjährig ausbauen wollen, sind die Akteure diese Gesellschaften wie Daniel Fratzscher daran anscheinend nicht interessiert. So wurde jetzt die „WWWE“ GmbH in Düsseldorf mit Webauftritt unter wwwe.de installiert. Dies lässt nichts Gutes erahnen. Denn es scheint so, als ob diese Unternehmer gerade das Gegenteil anstreben: Einen verdorbenen Ruf mit immer neuen Bezeichnungen „tarnen“.

Auch wenn eine scheinbar „einfache“ Kündigung möglich ist, wird sie in aller Regel auch sehr teuer. Denn nach der Abwicklungsregelung in § 648 BGB ist dem Anbieter faktisch der gesamte Rohgewinn für den Auftrag zu zahlen, der bei der einer überteuerten Vertragsgestaltung entsprechend hoch ausfallen kann. Es müssen also Leistungen bezahlt werden, die Betroffene nie erhalten haben.

Alternative: außerordentliche Kündigung „aus wichtigem Grund“

Daher sollte man auch hier die Möglichkeit der im Gesetz in § 648a BGB neu geregelten Kündigung aus wichtigem Grund – außerordentlichen Kündigung – prüfen. Bei wirksamer Kündigungserklärung werden bestellende Unternehmen vom Vertrag frei und müssen – genau anders als bei der „freien“ Kündigung – nur die erhaltenen und weiter nutzbaren Leistungen bezahlen.

Doch Vorsicht! Die rechtlichen Anforderungen an diese Kündigungserklärung sind sehr hoch. Ohne anwaltliche Begleitung schon bei der Vorbereitung der Kündigungserklärung sind bei komplexen Leistungen die Aussichten für eine wirksame Vertragsbeendigung sehr niedrig.

Die Folgen einer unwirksamen Kündigung sind desaströs (s. unten), aber mit fachlicher Beratung leicht zu vermeiden.

Bei reinen Dienstverträgen ist nur eine außerordentliche Kündigung oder einvernehmliche Vertragsaufhebung möglich

Bei reinen Dienstverträgen kann geprüft werden, ob Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung (§ 314 BGB) vorliegen. Dies kann bei einem Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen beispielsweise ein Umzug ins Ausland oder ein Gebiet sein, in dem die Leistungen nicht erbracht werden können.

Die häufig als Grund einer Kündigung angeführte Geschäftsaufgabe und Gewerbeabmeldung wird aber in der Regel nicht anerkannt.

Folgen einer unwirksamen Kündigung

Wird eine rechtlich unwirksame Kündigung vom Dienstleister nicht anerkannt, kann sich dies doppelt negativ auf den Betroffenen auswirken. Denn er erhält die Leistung nicht mehr - weil er sie nicht annimmt oder der Dienstleister davon ausgehen kann – muss aber weiter voll dafür bezahlen.

Fazit: zuerst überlegen und abwägen!

Daher ist es ratsam, zunächst das Kündigungsrecht anwaltlich prüfen zu lassen und gegebenenfalls eine dem Dienstleister eine Vertragsaufhebung gegen Teilzahlung oder Umstellung in einen besser nutzbaren Dienst oder andere Leistungen anzubieten, bevor die vielleicht ganz untaugliche „Kündigungskeule“ geschwungen wird.

Ist die Leistung mangelhaft und dies der Hintergrund der beabsichtigten Vertragsbeendigung, muss gemäß § 314 BGB in der Regel zunächst eine Abmahnung unter Fristsetzung erfolgen, damit der Mangel beseitigt werden kann. Eine sofortige Kündigung ist unwirksam und verbaut wegen der folgenden Leistungsverweigerung des Dienstleisters meist Möglichkeiten, die Mängel festzustellen.

Auch bei Mängeln ist daher die Beiziehung anwaltlicher Beratung (z.B. zunächst als günstige Erstberatung) dringend zu empfehlen, damit deren Relevanz und das weitere Vorgehen geklärt werden können.

Der frühzeitige anwaltliche Rat ist immer der effektivste!

Muss ich nach Kündigung gem. § 648 BGB die vorgelegte Kündigungsabrechnung bezahlen?

Die Webdesign-Unternehmen Euroweb, Webstyle, European Website Company, eventomaxx, Vendoweb legten in den hier bekannten Fällen unter Verweis auf diese Regelung Kündigungsabrechnungen in Höhe von 50 – 95 % der Vertragssumme vor.

Wer hier hofft, über eine anwaltliche Abwehr um höhere Schlusszahlungen herumzukommen, sollte bedenken, dass die Anbieter über eine teilweise zehnjährige Erfahrung aus tausenden Gerichtsprozessen verfügen und ihre Methodik daher ständig an Vorgaben der Rechtsprechung anpassen konnten.

Daher ist eine fachjuristische Prüfung in jedem Fall zur Vermeidung massiver finanzieller Schäden im Unternehmen geboten, auch bevor man in laienhafte Verhandlungen mit dem Anbieter tritt und damit auch offenlegt, dass man sich vom Vertrag lösen will.

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