Verteidigungs-ABC bei Insolvenzstraftaten: Beschuldigter, Ermittlungsverfahren, polizeiliche Vernehmung, Verhandlung, Urteilsabsprache ua.

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1. Abgrenzung/ Wann ist man Beschuldigter, wann Angeklagter und wann Zeuge?

Verdächtiger erlangt die Stellung eines Beschuldigten, wenn die Polizei oder Staatsanwaltsschaft Maßnahmen mit dem erkennbaren Ziel ergreift, gegen ihn strafrechtlich vorzugehen (BGH in STV 1997, 281). In Abgrenzung zum Beschuldigten haben die Begriffe "Angeschuldigter" und "Angeklagter" folgende Bedeutung:
Im Sinne des § 157 StPO ist Angeschuldigter der Beschuldigte, gegen den die öffentliche Klage erhoben ist, Angeklagter der Beschuldigte oder Angeschuldigte, gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen ist. Zeuge ist, wer als Beweisperson in einem- nicht gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren Auskunft über persönliche Wahrnehmungen gibt (BGHSt 22, 347 ff.).

2. Grundsatz des fairen Verfahrens und Vernehmungsgrundsätze

In der Strafprozessordnung gilt der Grundsatz eines fairen Verfahrens.
Die Staatsanwaltschaft ist gemäß § 160 Abs. 2 StPO grundsätzlich verpflichtet, auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Es gibt kritische Stimmen, die behaupten, dass sich Ermittungen manchmal einseitig auf belastende Umstände konzentrieren.
Aus Vorsichtsgründen sollte sich der Beschuldigte frühzeitig um anwaltlichen Rat und Begleitung kümmern,damit auch entlastende Umstände ermittelt und berücksichtigt werden und keine Fehler im Ermittlungsverfahren passieren.

Im Falle einer Vernehmung gelten folgende Grundsätze:

  • Aufklärung über den Gegenstand der Vernehmung §§ 52, 55 StPO
  • Belehrung über etwaige Zeugnis- und und Auskunftsverweigerungsrechte

    3. Erweiterte Ermittlungen

    Äußerungen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren können gegen ihn verwendet werden. 

    Sobald ein Verdächtigter als Beschuldigter angesehen und belehrt wird, hat der das Recht auf eine jederzeitige Verteidigerkonsultation, § 137 StPO.
    Ob, wann und was zur Verteidigung ausgeführt wird, ist genau abzuwägen und Teil der Verteidigungsstrategie. Im Insolvenzstrafrecht hat sich in der Praxis vielfach bewährt, dass der Beschuldigte nicht allein Fragen bei der polizeilichen Vernehmung beantwortet, sondern eine Vertretungsanzeige durch den Verteidiger erfolgt, die Ermittlungsakte eingesehen wird und dann erst eine ausführliche Stellungnahme durch den Bevollmächtigten Rechtsanwalt in Absprache mit dem Beschuldigten erfolgt. In vielen Fällen werden danach Ermittlungsverfahren eingestellt oder es wird nur ein Teil der vorher im Raum stehenden Straftaten angeklagt oder im vereinfachten Strafbefehlsverfahren geklärt.

    4. Wie verhalte ich mich im Ermittlungsverfahren? Grundsatz

    Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, einer polizeilichen Vorladung Folge zu leisten- anders bei einer richterlichen Ladung oder Ladung durch die Staatsanwaltschaft, § 163 a Abs.3 StPO. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Beschuldigten ohne anwaltlichen Rat zur polizeilichen Vernehmung kamen und sich selbst durch widersprüchliche Auskünfte in (unnötige) Schwierigkeiten gebracht haben.

  • Zum Beispiel verteidigen sich manche Geschäftsführer gegen den Vorwurf, Sozialversicherungsbeiträge verbotenermaßen zu spät ausgeglichen zu haben mit dem Argument: "Ich konnte die offenen Sozialversicherungsbeiträge nicht pünktlich bezahlen, weil der Kontokorrent ausgeschöpft war". Mit dieser Verteidigung räumt der Geschäftsführer jedoch ein, dass die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig war. So wird aus einer "einfachen" Veruntreuung der Soialversicherungsbeiträge eine (höher bestrafte) Insolvenzverschleppung.

    Manche Geschäftsführer kennen dann auch nicht die Fristen zur Aufstellung der Bilanzen und teilen bei der polizeilichen Ermittlung auf Frage mit, die Bilanz sei verzögert erstellt worden. Mit dieser Auskunft wird mit wenigen Sätzen aus dem Vorwurf des nicht pünktlichen Zahlens der Sozialversicherungsbeiträge ein möglicher Bankrott. Denn der Bankrotttatbestand kann auch dadurch verwirklicht werden, dass der Geschäftsführer keinen Überblick über seine Zahlen hatte und dadurch das rechtzeitige Anmelden der Insolvenz verkannt hat. Das verspätete Erstellen der Bilanz kann den Bankrottvorwurf erfüllen.
    Beim Bankrottvorwurf könnte schon eine Freiheitsstrafe im Raum stehen.

    Der Grundsatz lautet daher:

    Reden bedeutet "Gefahr",
    Schweigen "Gold"

    Aus einem Schweigen oder der Tatsache, dass man einen Rechtsanwalt einsetzt, dürfen keinerlei Schlüsse zum Nachteil des Beschuldigten oder Angeklagten gezogen werden (BGHSt 20, 281).

    5. Durchführung der Hauptverhandlung

     

    Wenn die Bemühungen und die Stellungnahme des Verteidigers nicht zu einer (vollständigen) Einstellung gemäß §§ 153 a bis d, 170, 205 StPO führen oder ein Strafbefehl folgt, ist die weitere Strategie gründlich abzuwägen.

    Die Hauptverhandlung bedeutet "Öffentlichkeit" und bedeutet oft ein langwieriges Verfahren, Kosten für die Verteidigung und möglicherweise Aufklärung von Details, die unangenehm sind. In der Hauptverhandlung kann andererseits ein Freispruch erzielt werden.

    Chancen eines Freispruchs, Folgen der Verurteilung, Kosten der Verteidigung müssen abgewogen werden. 

    Wenn ein Strafbefehl ergangen ist, wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung, sind die negativen Folgen eines solchen Urteils übersichtlich.
    Andererseits kann schon ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung z.B. mit 90 Tagessätzen zu fatalen Nebenfolgen führen und die Möglichkeiten ausschließen, weiterhin Geschäftsführer zu sein. Ferner kann es zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
    Die realistische Abwägung der Chancen ist eine der Hauptaufgaben der Verteidigung.

    In der Hauptverhandlung gibt es die Möglichkeit einer sogenannten Verteidigererklärung für den Angeklagten, in der der Verteidiger (schriftlich) Ausführungen macht, wenn der Angeklagte diese Erklärung als eigene Einlassung verstanden wissen will und dieses auch gegenüber dem Gericht so bestätigt (BGH NStZ 90, 447).

    Natürlich kann der Angeklagte in der Hauptverhandlung zum Vorwurf Stellung nehmen und auf die Fragen des Strafrichters, des Staatsanwalts und seines Verteidigers antworten.

    In bestimmten Fällen hat eine Einlassung positive Auswirkungen- in anderen weniger.

    Der Strafverteidiger kann in jeder Lage des Verfahrens gemäß § 137 Abs. 1 i.V.m. § 243 Abs.4 StPO eine Verteidigungsschrift abgeben.

    6. Konfliktverteidigung oder Urteilsabsprache?

    Es gibt mache bekannte Strafverteidiger, die vom ersten Tag ihrer Einsetzung an nach Verfahrensfehlern der Ermittler oder des Gerichts forschen und das Gericht mit formellen Anträgen z.B wegen Befangenheit überschütten. Zielstellung ist Freispruch um jeden Preis.
    Die Strategie geht jedoch bei einer Konfliktverteidigung oft nicht auf.
    Konfliktverteidigung kann dem Angeklagten manchmal auch schaden.
    Ob sich Insolvenzstrafverfahren für die Strategie der Konfliktverteidigung eignen, ist fraglich. .

    In Insolvenzstrafsachen kommt es -unter anderem- auf insolvenzrechtliche, handelsrechtliche und betriebswirtschaftliche Kompenten an.
    Eine sachliche Auseinandersetzung bringt hier meist viel bessere Ergebnisse.
     
    Je nach Verlauf der Verhandlung ist Zielstellung eine Einstellung des Verfahrens im Sinne des § 153 a StPO oder eine Urteilsabsprache.

    Die Urteilsabsprache ist in § 257 c StPO zugelassen.

    Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.