Verkehrsstrafrecht - die (fahrlässige) Körperverletzung bei Personenschäden

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Der Autounfall mit Personenschaden und seine Folgen

§ 229 StGB: Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 230 StGB: (1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

Straferwartung Ersttäter, keine besonderen Tatumstände

Geldstrafe von 30 Tagessätzen, 0 bis 3 Monate Fahrverbot (Achtung: dieses Fahrverbot wird immer mit Rechtskraft wirksam, nicht, wie bei z.B. bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, spätestens 4 Monate nach Eintritt der Rechtskraft), 5 Jahre Einträge im Bundes- und Verkehrszentralregister (kein Eintrag im Führungszeugnis, da bei erster/einzigen Verurteilung nur Geldstrafe über 90 Tagessätze in Führungszeugnis aufgenommen wird), Eintrag von Punkten im Verkehrszentralregister.

Geldstrafe wird bestimmt nach persönlichen Einkommensverhältnissen, wobei das frei verfügbare Einkommen des Beschuldigten durch 30 (Anzahl der Tage eines Monats) geteilt wird.

Frei verfügbares Einkommen = Nettoeinkommen abzüglich (nur) von Unterhaltsverpflichtungen für Kinder und Ehepartner (Kosten für Wohnung und Lebensunterhalt werden nicht berücksichtigt!)

Beispiel: Beschuldigter verdient netto € 2.100,-- pro Monat, hat 2 Kinder im Alter von 2 und 4 Jahren, Ehefrau ist nicht berufstätig, sie bezieht kein eigenes Einkommen:

€ 2.100,-- minus 2 x € 250,-- für beide Kinder = € 1.600,--. Da Mann Alleinverdiener ist, werden ihm hiervon 60% als frei verfügbares Einkommen zugerechnet: € 960,-- geteilt durch 30 (Anzahl der Tage eines Monats) = € 32,-- Höhe eines Tagessatzes; Geldstrafe also 30 Tagessätze zu je € 32,--, insgesamt€ 960,--

Beschuldigter ist im Strafverfahren nicht verpflichtet, Angaben zu machen, auch nicht über die Einkommensverhältnisse. Falls keine Angaben gemacht werden, können Staatsanwaltschaft und Gericht schätzen (welchen Beruf übt Beschuldigter aus, welches Fahrzeug hat Beschuldigter gefahren?)

Achtung: Angabe eines hohen Einkommens führt zu hoher Geldstrafe!

Verfahrensablauf

Polizei wird zum Unfall gerufen, führt Ermittlungen durch (Unfallaufnahme, Spurensicherung, Zeugenaufnahme und -befragung, Versand von Anhörungsbögen an Beschuldigten und Zeugen).

Wenn polizeiliche Ermittlungen abgeschlossen sind, beantragt die Staatsanwaltschaft Erlass eines Strafbefehls (auf Briefbogen des Gerichts werden Sachverhalt und Strafvorschlag geschrieben). Ist der Richter am Amtsgericht mit dem Strafvorschlag der Staatsanwaltschaft einverstanden, unterschreibt er den Strafbefehl und ein schriftliches Urteil ohne Hauptverhandlung vor Gericht ist in der Welt.

Gegen den Strafbefehl kann der Beschuldigte innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung Einspruch (ohne Begründung) einlegen. Einspruch kann auch begründet werden oder sich nur gegen die Höhe der festgesetzten Tagessätze richten (nach Vorlage einer Einkommensbescheinigung kann dann die Höhe eines Tagessatzes auf die tatsächlichen Verhältnisse im Beschlusswege (ohne Hauptverhandlung) korrigiert werden).

Möglichkeit der Verfahrenseinstellung

Ein Ermittlungsverfahren oder ein Strafprozess kann mit Zustimmung aller Beteiligten gegen Auflagen eingestellt werden. Das ist geregelt in Paragraf 153a der Strafprozessordnung.

Voraussetzung für eine Einstellung ist, dass die Auflagen geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und dass die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht.

Neben einer Wiedergutmachung des Schadens gehören zu den möglichen Auflagen die Zahlung eines Geldbetrags zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder an die Staatskasse. Als Auflage kann auch das Erbringen sonstiger gemeinnütziger Leistungen erteilt werden.

Wenn ein Gericht nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ein Verfahren gegen Auflagen einstellt, ist dieser Beschluss nicht anfechtbar und damit rechtskräftig. Die Angeklagten gelten dann als unschuldig.

§ 153 StPO: (1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

§ 153a StPO: (1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

  • 1. zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
  • 2. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
  • 3. sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
  • 4. Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
  • 5. sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, oder
  • 6. an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder § 4 Abs. 8 Satz 4 des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.

Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nr. 4 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 bis 5 entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden können, vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluss. Der Beschluss ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, dass gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

Verhaltensempfehlungen für betroffene Autofahrer

  • Unbedingt auf Verfahrenseinstellung ohne oder mit Auflagen (Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung) hinarbeiten.
  • Mit geschädigter Person bereits am Unfallort sprechen, Hilfe anbieten, ggf. ins Krankenhaus fahren oder auf Fahrt ins Krankenhaus begleiten
  • Ggf. verzichtet geschädigte Person auf Zurufen von Polizei
  • Gegenüber der Polizei keinerlei Angaben machen (das ist das Recht eines jeden Beschuldigten!)
  • Mit geschädigter Person nach Unfall Kontakt aufnehmen (anrufen, Entschuldigungsschreiben schicken (Kopie für eigene Unterlagen anfertigen))
  • Über eigene Kfz.-Haftpflichtversicherung unverzügliche Schadenregulierung veranlassen (Telefongespräch mit Sachbearbeiter der Versicherung für eigene Unterlagen dokumentieren)
  • Strafverteidiger soll im Gespräch mit Staatsanwalt auf Verfahrenseinstellung ohne oder mit Auflagen (Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung) hinwirken

Argumente für eine Einstellung:

  • 1. Straßenverkehr ist grundsätzlich gefährlich, kann ja jedem mal passieren;
  • 2. Beschuldigter ist noch nie straf- oder verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten;
  • 3. Beschuldigter hat sich um Geschädigten vorbildlich gekümmert;
  • 4. Beschuldigter hat sich bei Geschädigtem entschuldigt;
  • 5. Beschuldigter hat Geschädigtem zu schneller Schadenregulierung verholfen;
  • 6. Mit Geldzahlung an gemeinnützige Einrichtung wird noch Gutes getan.

Folge: Keine Geldstrafe, kein Fahrverbot, keine Einträge im Bundes- und Verkehrszentralregister, kein Eintrag von Punkten im Verkehrszentralregister

Mit Geldzahlung an gemeinnützige Einrichtung ist Abgabe an die Bußgeldstelle zur Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit (z.B. Verursachung Unfall: Geldbuße € 60,--, Eintrag von Punkten im Verkehrszentralregister) ausgeschlossen.