Strafrecht am Spieltag: Registriert - Die Datei "Gewalttäter Sport"

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Ein Überblick über die Voraussetzungen der Eintragung in die BKA-Datei und die theoretischen Möglichkeiten, dort wieder heraus zu kommen

Neben Stadionverboten richtet sich der Vorwurf unverhältnismäßiger Repressionen gegenüber Fußballfans häufig gegen die Datei "Gewalttäter Sport", die Ende des Jahres 2012 etwa 15.000 Eintragungen umfasste. Die Datei wird von Kritikern u.a. mit dem Argument abgelehnt, viel zu weitreichend und intransparent sowie rechtsstaatlich bedenklich zu sein. Ohne an dieser Stelle auf die verschiedenen Argumentationen einzugehen, soll im Folgenden zunächst ein verkürzter Überblick über Voraussetzungen und Möglichkeiten im Falle einer Eintragung gegeben werden um auch denjenigen, die sich bislang noch nicht mit der Materie auseinandergesetzt haben, zu ermöglichen, sich ein eigenes Bild zu machen.

Gesetzliche Grundlagen der Verbunddatei

Die Datei "Gewalttäter Sport" wird beim Bundeskriminalamt (BKA) als Verbunddatei geführt. Ihre gesetzlichen Grundlagen bilden das Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG) und die dazu ergangene "BKA-Daten-Verordnung" (BKADV) sowie eine konkretisierende und gemäß § 34 BKAG geforderte Errichtungsanordnung, die allerdings nicht einsehbar ist. Daher soll im Rahmen dieses Artikels auf die Angaben der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei NRW zurückgegriffen werden, soweit sie sich in einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen widerspiegeln.

Matthias Düllberg
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Der gesetzliche Zweck einer Verbunddatei im Allgemeinen besteht gemäß § 2 BKAG darin, die Bundes- und Landespolizeibehörden mit zuvor erhobenen Informationen und Auskünften bei der "Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung" zu unterstützen. Die Datei "Gewalttäter Sport" im Besonderen ist in § 9 Abs. 1 Nr.3 b) BKADV genannt. Eingaben in die Datei erfolgen direkt durch die Polizeidienststellen der Länder, die gemäß § 12 BKAG dann auch für die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und die Zulässigkeit der Speicherung verantwortlich sind.

Wer und was wird eingetragen?

Das BKAG erlaubt zunächst in § 8 Abs. 1 die Speicherung der Daten von Beschuldigten. Gespeichert werden neben allgemeinen Personendaten auch Angaben zu den Details des Vorwurfs (z.B. Tatort, vorgeworfene Strafnorm). Weitere Daten können gemäß § 8 Abs. 2 BKAG gespeichert werden, wenn dies für andere Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist. Unabhängig davon ist die Datenspeicherung auch gegenüber Personen zulässig, die zwar verdächtig sind, aber noch nicht als Beschuldigte geführt werden. Soweit aufgrund von "bestimmten Tatsachen" zu befürchten ist, dass eine weder beschuldigte noch verdächtige Person künftig Straftaten "von erheblicher Bedeutung" begehen wird, erlaubt § 8 Abs.5 BKAG auch bzgl. dieser die Datenspeicherung.

Konkret bezogen auf die Datei „Gewalttäter Sport" gibt die ZIS hierzu an, dass

Angaben zur Person und Ereignis (Speicherungsgrund, Stadionverbot, Vereinszuordnung [und] Weitere Erkenntnisse zur Person, wie beispielsweise veranlasste präventiv polizeiliche Maßnahmen […]"

für die Dauer von 5 Jahren gespeichert werden, wenn gegen eine Person ein Ermittlungsverfahren wegen verschiedenster Delikte eingeleitet wurde. Namentlich geht es dabei zunächst um Delikte gegen Leib und Leben anderer Personen, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Verstöße gegen Waffenrechtliche Bestimmungen und dergleichen mehr. Aber auch Delikte die nicht auf den ersten Blick in einer Gewalttäterdatei zu erwarten sind, führen zur Eintragung. So etwa vorgeworfene Diebstähle, Beleidigungen, Verstöße gegen das Vermummungsverbot oder der Missbrauch von Notrufeinrichtungen pp. Unabhängig von einem konkreten Vorwurf werden darüber hinaus die Daten derer erfasst, die von polizeilichen Maßnahmen, wie etwa Platzverweisen und Ingewahrsamnahmen betroffen sind, soweit sich aus deren Verhalten der Verdacht schließen lässt, sie werden nach Einschätzung der Polizei künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen.

Einer nachgewiesenen Beteiligung an einer Straftat bedarf es hingegen nicht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil vom 09.06.2010 (6 C 5.09) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund des präventiven Charakters der Aufnahme in die Datei die Unschuldsvermutung nicht tangiert sei, da es bei der Datenspeicherung und -verwendung allein um "vorbeugende Straftatenbekämpfung" gehe. Diesbezüglich hat sich das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2257/01) bezogen.

Welche Konsequenzen hat die Eintragung?

Die Eintragung in die Datenbank selbst hat für den Betroffenen keine unmittelbar spürbaren Konsequenzen. Dies insbesondere, da Personen und Einrichtungen außerhalb der diversen Polizeibehörden keinen Zugriff auf die erhobenen Daten haben, wenngleich die seitens der ZIS angeführten Speicherungsgründe ohnehin deckungsgleich mit den Gründen sind, die regelmäßig zur Verhängung eines Stadionverbotes führen. Die erhobenen Daten stehen allerdings jeder Polizeidienststelle und damit praktisch jedem Polizeibeamten zur Verfügung. Sie können von diesen genutzt werden, um zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gegen eingetragene Personen präventive Maßnahmen auf Grundlage des Polizeirechts zu ergreifen oder vorzubereiten, wie etwa Gefährderansprachen oder Bereichsbetretungsverbote für anstehende sportliche Großereignisse. Bei Fußballspielen mit Auslandsbezug sind auch Ausreiseverbote denkbar.

Wie erfährt man von der Eintragung?

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über die Eintragung in die Datei und über eine mögliche Weitergabe der Daten ist gemäß § 36 BKAG nicht vorgesehen. Allerdings verweist diese Vorschrift ausdrücklich nicht auf den § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), so dass auf Antrag seitens des BKA Auskunft über Art, Umfang und Verwendung der erhobenen Daten zu erteilen ist. Zwar gibt es hiervon auch Ausnahmen, sofern z.B. die Datenerhebung selbst bereits strengste Geheimhaltung erfordert. In der Regel werden diese Voraussetzungen allerdings nicht ernsthaft vorliegen, so dass der Auskunftsanspruch überwiegend besteht.

Rein Praktisch wird die Erteilung der (kostenlosen) Auskunft häufig von der vorherigen Übersendung einer beglaubigten Kopie des Ausweises abhängig gemacht. Sollte ein Auskunftsersuch dennoch nicht bearbeitet oder unbegründet abgelehnt werden, besteht die Möglichkeit, sich diesbezüglich gemäß § 19 Absatz 6 BDSG an den Bundesdatenschutzbeauftragten zu wenden. Diesem gegenüber ist die erbetene Auskunft regelmäßig zu gewähren, so dass zumindest eine Überprüfung des Versagungsgrundes möglich ist.

Wann wird der Eintrag gelöscht?

Ein Eintrag in der Datei wird Ablauf der Speicherungsfrist von 5 Jahren, beginnend mit dem Tag des die Eintragung begründenden Sachverhalts, wieder gelöscht. Sofern in der Zwischenzeit ein weiterer Speicherungsgrund entsteht, läuft für diesen die Frist separat, so dass im Unterschied zu anderen Dateien, z.B. dem Bundeszentralregister, keine Kumulation der Eintragungen vorgenommen wird.  Vor Ablauf dieser Frist kommt eine Löschung nur unter äußerst engen Voraussetzungen in Betracht.

Ausdrücklich sind die Daten eines Betroffenen gemäß § 32 Abs.2 BKAG zu löschen, wenn die (weitere) Speicherung unzulässig ist oder die Daten nicht mehr für die zugedachte Aufgabenerfüllung benötigt werden, wobei diese Voraussetzungen überwiegend nicht vorliegen werden. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts folgt die Unzulässigkeit einer Speicherung nämlich einzig gemäß § 8 Abs. 3 BKAG aus einer endgültigen Verfahrenseinstellung oder einem Freispruch. Dies allerdings nur, wenn sich aus der Entscheidung selbst ausdrücklich der positive Nachweis der Unschuld ergibt, was jedenfalls bei Verfahrenseinstellungen mangels hinreichenden Tatverdachts die Ausnahme und überdies auch gesetzlich nicht vorgesehen ist. Sofern noch ein "Restverdacht" bestehen bleibt, ist die weitere Speicherung nach Auffassung des BVerwG zulässig (vgl. die oben bereits genannte Rechtsprechung von BVerwG und BVerfG). Dass neben den in § 8 Abs. 3 BKAG genannten Gründen keine weiteren Unzulässigkeitskriterien in Betracht gezogen wurden ist insoweit konsequent, als das Gericht die o.g. Rechtsgrundlagen akzeptiert und die gespeicherten Daten diesen entsprechen. Gegen die weitere Erforderlichkeit der Datenspeicherung wird regelmäßig kaum ein Argument zu finden sein, da diese ohnehin alle 5 Jahre überprüft wird und solange von dem Fortbestand der polizeilichen Prognose auszugehen sein wird, die schon zur Speicherung führte. Wegen dieser Prognose wird auch die Einschätzung gegenüber nicht beschuldigten Personen, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung zu befürchten seien, kaum aussichtsreich beanstandet werden können.

Ein erfolgreiches Vorgehen gegen eine Eintragung in die Datei und eine Löschung vor Ablauf der 5-Jahres-Frist ist damit zwar im Einzelfall nicht ausgeschlossen, gleichwohl aber sehr unwahrscheinlich. Ob weitere auf diese Daten gestützte polizeiliche Maßnahmen wiederum rechtmäßig sind, ist dann natürlich anhand einer separaten Überprüfung der konkreten Maßnahme zu beurteilen.

Zusammenfassung

Abschließend bleibt damit festzuhalten, dass die Datei "Gewalttäter Sport" eine Vielzahl personen- und anlassbezogener Daten enthält, die unter durchaus geringen Voraussetzungen, überwiegend auf Grundlage diverser polizeilicher Prognosen und Situationseinschätzungen, erhoben und gespeichert werden. Ein konkreter Vorwurf muss dazu weder zwingend erhoben, noch nachgewiesen werden. Wenngleich die Datenerhebung selbst noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Betroffenen hat, sind künftige Maßnahmen auf dieser Informationsgrundlage zumindest nicht ausgeschlossen; häufig ohne dass der Betroffene überhaupt Kenntnis von dem Eintrag hat. Zudem führt die Fortdauer der "Gefahrenprognosen" sogar im Falle eines sich nicht bestätigenden Anfangsverdachts dazu, dass eine Löschung vor Fristablauf kaum mehr möglich ist.

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