Pflichtverteidigung

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Oftmals können sich Beschuldigte einen Verteidiger finanziell nicht leisten und da die Finanzierung der Verteidigung über Prozesskostenhilfe im Strafverfahren nicht möglich ist, stellt sich in der Praxis oft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Übernahme einer Pflichtverteidigung möglich ist. 

Im Strafverfahren ist in vielen Fällen die Mitwirkung eines Verteidigers als sogenannte ‚notwendige Verteidigung‘ gesetzlich vorgeschrieben. Wenn der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat, so ist ihm durch das Gericht ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Bevor das Gericht für den Beschuldigten eine Verteidigung auswählt, gibt es dem Beschuldigten die Möglichkeit selber einen Verteidiger zu benennen. Dieser vom Beschuldigten gewählte Verteidiger wird dann auf dessen Antrag als sogenannter Wahlpflichtverteidiger dem Beschuldigten als Verteidiger beigeordnet.

Astrid Aengenheister
Partner
seit 2004
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Strafrecht
Hausdorffstr.9
53129 Bonn
Tel: 0228/94904-0
Web: http://www.anwaltsbuero-bonn.de/anwalt/astrid-aengenheister/
E-Mail:
Verkehrsstrafrecht, Jugendstrafrecht, Betäubungsmittelrecht
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Antwortet: ∅ 20 Std. Stunden

Fälle der Pflichtverteidigung

Gemäß § 140 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung unter anderem vor, wenn

  • ein Verbrechen (Mindeststrafe ein Jahr) angeklagt ist,
  • die Hauptverhandlung vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht stattfindet,
  • sich der Beschuldigte in Haft befindet:
  • nur eine eingeschränkte Verteidigungsfähigkeit (z.B. bei psychischer Erkrankung) vorliegt,
  • schwierige Rechtsfragen geklärt werden müssen,
  • eine umfassende Beweisaufnahme notwendig ist oder
  • eine Freiheitsstrafe von über 1 Jahr droht. Hierbei sind auch drohende Bewährungswiderrufe zu berücksichtigen.

Zeitpunkt der Beiordnung

Aufgrund der zum 1.1.2010 erfolgten gesetzlichen Änderung zur Pflichtverteidigung in Haftsachen ist im Falle der  Vollstreckung von Untersuchungshaft dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger durch den Ermittlungsrichter beizuordnen. Damit erfolgt in Haftsachen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers bereits im Ermittlungsverfahren. Auch wenn dem Beschuldigten hier ‚unverzüglich‘ ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, so ist ihm auch hier eine Überlegungs- und Erklärungsfrist von 1- 2 Wochen zur Benennung eines Verteidigers einzuräumen.

In Verfahren ohne Vollstreckung von Untersuchungshaft erfolgt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers regelmäßig nach Erhebung der Anklage. Vor der Beiordnung soll der Richter dem Beschuldigten die Möglichkeit geben, einen Verteidiger seines Vertrauens zu benennen. In der Praxis geschieht dies regelmäßig mit Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten.

In Ausnahmefällen kann ein Pflichtverteidiger bei Vorliegen der Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung auch schon vorher im Ermittlungsverfahren beigeordnet werden. Notwendig ist hier ein entsprechender Antrag des Staatsanwaltes an das zuständige Gericht. Ein solcher Antrag kann durch einen vom gewählten Verteidiger des Beschuldigten bei der Staatsanwaltschaft angeregt werden. Dies empfiehlt sich manchmal bei sprachunkundigen Ausländern, bei denen die Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Führung der Verteidigung notwendig ist.

Tipp: Auch wenn in den Fällen, in denen keine Untersuchungshaft vollstreckt wird, die Beiordnung eines Pflichtverteidiger erst nach Erhebung der Anklage erfolgt, sollte anwaltlicher Rat in einem frühzeitigen Verfahrensstadium  –  idealerweise vor der Beschuldigtenvernehmung  - bei einem Strafverteidiger eingeholt werden. Wer nicht die Mittel zur Bezahlung eines Wahlverteidigers hat,  sollte mit dem Verteidiger klären, ob dieser zur Übernahme eines Wahlpflichtmandats bereit ist. Oft lässt sich bereits bei dieser Gelegenheit überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer  Beiordnung im konkreten Fall vorliegen.

Vergütung des Pflichtverteidigers / Kosten des Angeklagten

Der als Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt rechnet seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse ab. Diese Pflichtverteidigervergütung ist gegenüber den Wahlverteidigergebühren reduziert. Pflichtverteidiger können mit dem Mandanten eine zusätzliche Vergütung vereinbaren.

Im Falle einer Verurteilung werden dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens und die eigenen notwendigen Auslagen auferlegt. Dementsprechend trägt der Angeklagte auch die Kosten der Pflichtverteidigervergütung. Im Falle der Mittellosigkeit oder eingeschränkten Zahlungsfähigkeit empfiehlt sich hier ein Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung an das Gericht.

Im Falle eines Freispruchs trägt die Staatskasse sämtliche Kosten, also auch die Ausgaben für die Verteidigung.

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