Erste Hilfe für Opfer von Straftaten

Mehr zum Thema: Strafrecht, Opfer, Anzeige, Strafanzeige, Straftat, Opferanwalt
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

Was sollte man als Opfer tun, welche Rechte und Pflichten gibt es?

Wenn man Opfer  einer Straftat wird, stellt sich regelmäßig die Frage, was unmittelbar, später oder generell zu tun ist.

Muss man Anzeige erstatten? Wie bekomme ich Schadensersatz? Wer hilft mir bei psychischen Folgen? Wer ist der richtige Ansprechpartner? ...

Bei der Beantwortung dieser ersten Fragen kommt es maßgeblich auf die erlittene Straftat an: Bei Vermögens- und Eigentumsdelikten (z.B. Betrug, Diebstahl) ist eine polizeiliche Anzeige oft schon aus versicherungsrechtlichen Gründen gefordert, um den Schaden über eine etwaige Versicherung ersetzt zu bekommen. Gleiches kann aber z.B. auch bei Körperverletzungsdelikten in Bezug auf die Krankenkasse gelten. Andererseits ist es grundsätzlich jedem selbst überlassen, ob er zur Polizei geht oder nicht. Wenn die Strafverfolgungsbehörden allerdings auch ohne die Strafanzeige Kenntnis von der Straftat bekommen, sind sie in der Regel gesetzlich verpflichtet zu ermitteln, selbst wenn das Opfer dies nicht wünscht.

1. Strafanzeige und Schadensersatz

Aus anwaltlicher Sicht kann die Stellung einer Strafanzeige und einem damit verbundenem Einschreiten von Polizei und Staatsanwaltschaft nur zugeraten werden. Denn ungeachtet der Tatsache dass man immer damit rechnen muss, das von einem Täter der nicht strafrechtlich verfolgt wird eine gewisse Wiederholungsgefahr ausgeht, sind die rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen des Strafverfahrens für das Opfer unter Umständen besser und es insgesamt betrachtet weniger aufwendig zu seinem Recht auf Schadenswiedergutmachung zu kommen, sowohl materiell als auch immateriell. Denn das Strafverfahren das in der Regel durch eine entsprechende Strafanzeige des Opfers eingeleitet wird, hat den Vorteil, dass andere, nämlich Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungsarbeit leisten, d.h. das Opfer braucht sich um die Beweissicherung und die Möglichkeiten den Täter der Tat zu überführen keine Gedanken und vor allem keine Arbeit machen.

Würde das Opfer nur seinen Schaden vom Täter ersetzt verlangen wollen z.B. Schmerzensgeld müsste das Opfer alle Beweise zusammentragen, sogar selbst Geld bezahlen um einen Zivilprozess anzustreben etc…

Ein weiterer wenn nicht sogar der größte Vorteil an einem Strafverfahren für das Opfer ist, dass es vielschichtige Möglichkeiten der Schadenswidergutmachung bzw. des Schadensersatzes gibt, meist sehr unbürokratisch und ohne dass das Opfer selbst gerichtlich gegen den Täter vorgehen muss. So bietet das Straferfahren z.B. die Möglichkeiten eines sog. Täter Opfer Ausgleichs, des Adhäsionsverfahrens    oder eines strafgerichtlichen Vergleichs zu Gunsten des Opfers (mehr dazu unten ausführlich). Soweit die Polizei wie oben erwähnt ohnehin nicht schon selbst Kenntnis von der Straftat erlangt hat kann eine Strafanzeige bei jeder Polizeidienststelle gemacht werden.

2. Anwalt?!

Grundsätzlich braucht ein Opfer bei einem Strafverfahren von Gesetzes wegen keinen Anwalt. Anders als bei den Tätern ist dies selbst bei schweren Straftaten nicht zwingend sich eines Anwaltes zu bedienen. Dennoch empfiehlt es sich als Opfer einer Straftat einen Anwalt zu konsultieren, der einem die rechtlichen Möglichkeiten und Folgen zum einen aufzeigen zum anderen aber das Opfer vor möglichen Stolperfallen wie z.B. einer eigenen Belastung warnen oder aber auch bzgl. weiterer Opferhilfe und Opferschutzes vor allem in Bezug auf die Zeugenrolle des Opfers beraten kann.

Natürlich ist der Gang zum Anwalt und vor allem eine anwaltliche Vertretung nicht um sonst. Zwar muss grundsätzlich der Täter diese Kosten bezahlen, diese aber vorab auslegen muss in der Regel das Opfer! Mit anderen Worten ist es grundsätzlich so, dass das Opfer seinen Anwalt zunächst bezahlen muss und sich das Geld dann von dem Täter holen kann.

Da der Gesetzgeber aber in den letzten Jahren gemerkt hat, wie wichtig es ist, dass auch das Opfer und nicht nur der Täter anwaltlich beraten sein muss und viele Opfer den Gang zum Anwalt scheuen, weil Sie entweder glauben, dass sie den Anwalt selbst bezahlen müssen (wie oben gezeigt ist das grundsätzlich nicht der Fall) oder eben nicht in der Lage sind die Kosten des Anwaltes vorab auszulegen, gibt es gesetzlich festgeschriebene finanzielle Hilfemöglichkeiten: So wird die anwaltliche Vertretung bei Opfern schwerer Straftaten (z.B. schwere Gewaltdelikte und Sexualstraftaten) vom Staat getragen. Bei den meisten anderen Straftaten ist bei Opfern mit finanziellen Schwierigkeiten die Möglichkeit einer sog. Prozesskostenhilfe gegeben. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Hilfsorganisationen wie den Weißen Ring, die Opfern auch finanzielle Hilfe leisten.

Soweit man sich als Opfer dazu entschieden hat anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen (was aus o.g. Gründen dringend anzuraten ist) stellt sich natürlich die Frage, welcher Anwalt der richtige ist? Hierfür gibt es natürlich kein Patentrezept aber ausschlaggebende Kriterien sollten vor allem Vertrauen und Kompetenz sein! Letzteres impliziert, dass man sich grundsätzlich an einen auf das Strafrecht (einschließlich Opfervertretung) spezialisierten Anwalt wenden sollte, da das Strafrecht und speziell die Opfervertretung gesonderte Fachkenntnisse und viel Praxiserfahrung erfordern denn bei Herzproblemen würde man vermutlich auch nicht zum Augenarzt gehen?

3. Psychische Hilfe

Neben der juristischen Aufarbeitung einer Straftat, also Strafe des Täters einerseits und Schadensersatz des Opfers andererseits, ist ncht selten auch eine psychische Hilfe erforderlich. Eine solche kann das Strafverfahren aber auch der Anwalt nur bedingt geben, da seelische Wunden nur bedingt durch eine strafrechtliche Aufarbeitung und einer strafrechtlichen Genugtuung geheilt werden können. Hierfür sind Psychologen und Therapeuten notwendig, die in der Regel von der Krankenkasse bezahlt werden. Eine

4. Welche Rechte habe ich als Opfer einer Straftat?

Selbstverständlich darf das Opfer einer Straftat nicht rechtlos gestellt sein und so sieht das Gesetz gleich zahlreiche Rechten (aber auch Pflichten – siehe dazu gesonderten Artikel) vor:

  1. Rechtsbeistand

    Jeder Verletzte einer Straftat hat das Recht sich eines Rechtsanwaltes als Beistand zu bedienen und kann sich durch diesen vertreten lassen. (siehe oben)

  2. Recht auf Akteneinsicht

    Für jeden Verletzten einer Straftat kann ein Rechtsanwalt die Akten, die dem Gericht vorliegen, einsehen. Das bedeutet, dass sich das Opfer durch seinen Anwalt ein umfassendes Bild über den Verfahrensgang und den Ermittlungsstand machen kann und der Opferanwalt so auch frühzeitig die Weichen für etwaige Anträge und vor allem Schadensersatzansprüche stellen kann.

  3. Informationsrecht

    Der Verletzte einer Straftat erhält auf seinen Antrag hin Mitteilung über Einstellung oder Ausgang des Strafverfahrens bzw. über die Anordnung freiheitsentziehender Maßnahmen.

  4. Anwesenheitsrecht einer Vertrauensperson

    Zur Vernehmung als Zeuge kann der Verletzte eine Person seines Vertrauens hinzuziehen.

  5. Recht auf Zeugenbeistand

    Das Opfer das immer auch zugleich Zeuge sein wird das Recht sich eines Zeugenbeistandes zu bedienen, also einem Anwalt der während der Vernehmung (ob bei Polizei oder vor Gericht) des Opfers dafür sorgt dass seine Rechte eingehalten werden und dem Opfer in dieser unangenehmen Situation als seelischer Beistand dient.

  6. Schutz des Opfers durch Verheimlichung der Anschrift

    So kann das Opfer unter gewissen Voraussetzungen verlangen, dass seine Anschrift geheim bleibt, das heißt das niemand Kenntnis über den Wohnort des Opfers hat. Statt dessen kann z.B. die Kanzleianschrift des Anwaltes angegeben werden.

  7. Ausschluss des Beschuldigten/Angeklagten bei der Vernehmung / Videovernehmung

    Wenn der Untersuchungszweck gefährdet wird oder aber zu befürchte ist dass das Opfer in Anwesenheit des Täters nicht aussagen bzw. die Wahrheit sagen würde, kann der Beschuldigte für die  Dauer der Vernehmung ausgeschlossen werden oder aber das Opfer in einem anderen Raum also getrennt vom Täter mit Hilfe einer Videoübertragung vernommen werden wenn ein schwerwiegender Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist.

  8. Ausschluss der Öffentlichkeit

    Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kann die Öffentlichkeit zum Schutze der Privatsphäre des Opfers ausgeschlossen werden.

  9.  Zeugnisverweigerungsrecht

    Jedes Opfer ist zugleich Zeuge, oftmals sogar das einzige Beweismittel gegen den Täter.
    Als Zeuge muss man aber nicht um jeden Preis aussagen denn  für das Opfer als Zeugen kommt ggf. aus persönlichen Gründen (z.B. mit dem Täter verwandt, verlobt oder verheiratet), aus beruflichen Gründen (z.B. Berufsgeheimnisträger)  oder aber auch wenn sich das Opfer  selbst oder einen nahen Angehörigen einer Straftat verdächtigen würde ein sog. Zeugnisverweigerungsrecht in Betracht, d.h. man muss dann nicht als Zeuge aussagen, weder bei der Polizei noch bei Gericht!

  10. Nebenklage (siehe dazu gesonderten Artikel)

    Das Opfer kann unter gewissen Voraussetzungen auch als sog. Nebenkläger auftreten und wird so zum Verfahrensbeteiligten welcher mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die sonst nur der Staatsanwaltschaft zustehen aber gleichzeitig an diese nicht gebunden ist. D.h. das Opfer als Nebenkläger übt seine Rechte unabhängig von der Staatsanwaltschaft aus. Insbesondere ist er, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. Weiterhin hat er – unter den gesondert geregelten Voraussetzungen – wichtige Rechte wie z. B. Richter- und Sachverständigen- Ablehnung, Beweisantragsrecht, Fragerecht (§ 397 Abs.1 StPO). Darüber hinaus kann er unabhängig von der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen.

    Nebenkläger kann aber nur werden, wenn er Verletzter eines der im Katalog des § 395 StPO aufgeführten Nebenklagedelikte ist, z.B. bei sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Beleidigung, Verleumdung , versuchtem Mord, versuchtem Totschlag, Aussetzung, und allen vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten sowie allen Freiheitsdelikten einschließlich erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme. Seit neuestem können auch Stalkingopfer Nebenkläger werden.

  11.  Schadensersatz und Schmerzensgeld

    Selbstverständlich hat jedes Opfer das zu Schaden gekommen ist, sei es materiell, körperlich oder psychisch, einen entsprechenden Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Frage ist lediglich wie das Opfer an seinen Anspruch kommt. Grundsätzlich muss sich nämlich der Geschädigte an die Zivilgerichte - also an ein vom Strafgericht unterschiedliches Gericht - wenden, was für das Opfer zwingend Kosten, Zeit und Aufwand verursacht.

Im Rahmen des Strafverfahrens gibt es aber eine Vielzahl an weiteren und oftmals unkomplizierteren Wegen an seinen Anspruch zu gelangen: So bietet z.B. das sog. Adhäsionsverfahren eine selbstständige Möglichkeit im Rahmen des Strafverfahrens seinen zivilrechtlichen Anspruch durchzusetzen, ebenso ist es möglich vor dem Strafgericht einen vollstreckbaren Vergleich zu schließen. Im Rahmen des sog. Täter Opfer Ausgleichs kann der Täter seine Strafe mildern indem er dem Opfer den Schaden ersetzt oder sich zumindest ernsthaft darum bemüht. 

Letztlich ist es also für das Opfer einer Straftat grds. nur von Vorteil seine Ansprüche gleich im Rahmen des Strafprozesses geltend zu machen und nicht den oftmals mühsamen zivilrechtlichen Weg zu wählen. 

Das könnte Sie auch interessieren
Strafrecht Wann unterliegen Straftaten der Verjährung?