Der Strafverfahrenssablauf aus Sicht des Opfers

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In letzter Zeit wurde es, vor allem durch die Berichterstattung in der Presse, deutlich, dass die Bereitschaft zu Gewalttaten oder Straftaten zugenommen hat.

Ich möchte Ihnen daher kurz erläutern, wie ein Strafverfahren ablaufen kann, wenn Sie selber Opfer einer solchen wurden oder Ihnen auch eine Straftat im Rahmen einer erstatteten Strafanzeige vorgeworfen wird.

Bianca Vetter
Partner
seit 2009
Rechtsanwältin
Marktstraße 17 / 19,
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Tel: 0711-7223-6737
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Die Verfahrensabschnitte bei Strafverfahren:

Ein Strafverfahren wird durch eine entsprechende Anzeige des Opfers bei der Polizei oder auch durch die Polizei selber nach einer bekannt gewordenen Straftat eröffnet.

Die Polizei erhält nach Eingang einer Strafanzeige oder auch beim Verdacht einer begangenen Straftat von der Staatsanwaltschaft den Auftrag, die Umstände, also den Sachverhalt der Straftat, zu ermitteln und Beweise zu suchen, die die Straftat belegen und nachweisen.

1. Ermittlungsverfahren

Das Ermittlungsverfahren beinhaltet alle Tätigkeiten der Polizei, welche für die Nachweisbarkeit der Straftat relevant sind oder sein könnten.

Hierzu zählen vor allem die Vernehmungen der Opfer, der Zeugen und auch der Verdächtigen durch die Polizei.

Aber auch die Untersuchungen des Tatortes, die Eigenschaft bestimmter gefundener Gegenstände als Beweisstücke oder auch die Einholung von Gutachten werden von der Polizei in Absprache mit der Staatsanwaltschaft vorgenommen.

Hat die Polizei alle relevanten Tatsachen ermittelt und auch die Beweisstücke gesichert und entsprechend untersuchen lassen, wird von der Polizei ein Schlussbericht verfasst und mit allen Protokollen der Vernehmungen und den Berichten der Untersuchungen an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Damit ist das Ermittlungsverfahren beendet.

2. Strafverfahren

Wenn der zuständige Staatsanwalt von der Polizei den Schlussbericht erhält, muss er sich die Akte des Ermittlungsverfahrens ansehen, alle Beweise sichten und auswerten.

Der Staatsanwalt hat daher die Aufgabe zu entscheiden, ob die Straftat dem ermittelten Täter nachgewiesen werden kann oder nachzuweisen ist.

Ist der Staatsanwalt der Meinung, dass die Straftat dem Täter nachgewiesen werde kann, wird er das Strafverfahren einleiten.

Dies kann dadurch geschehen, dass er einen Strafbefehl beim zuständigen Amtsgericht beantragt oder auch eine Anklageschrift an das Amtsgericht schickt, verbunden mit dem Antrag, das Strafverfahren zu eröffnen.

Es ist allerdings auch möglich, dass das Verfahren eingestellt wird, wenn die Straftat nicht dem Verdächtigen oder Beschuldigten nachgewiesen werden kann.

a) Strafbefehlsverfahren

Ein Strafbefehl wird in der Regel erlassen, wenn die Tat nicht schwerwiegend ist und auch keine allzu hohe Strafe nach sich zieht.

Vor allem bei Verkehrsdelikten wie einer Trunkenheitsfahrt oder einer Gefährdung des Straßenverkehrs ohne hohe Schäden ist ein Strafbefehl zu erwarten.

Aber auch bei Diebstählen oder einer Sachbeschädigung kann dies der Fall sein.
Ein Strafbefehl beinhaltet eine kurze Sachverhaltsschilderung, die Benennung der Beweise und auch gleich die ausgesprochene Strafe.

Gegen den Strafbefehl kann der Beschuldigte innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt desselben einen Einspruch einlegen. Dieser kann auch nur darauf beschränkt werden, dass die Strafe zu hoch ist.

Nach einem Einspruch wird es zu einer Verhandlung vor einem Strafrichter kommen, bei welcher dann auch die Beweise herangezogen werden. Das Verfahren entspricht dann genau dem Strafverfahren, das per Anklage eingeleitet worden ist. Der Richter hat deshalb nach der Anhörung des Angeklagten, der Anhörung der Zeugen und der Sichtung der bekannten und etwaiger neuer Beweise die Pflicht zu entscheiden, ob die Straftat von dem Angeklagten begangen wurde und muss eine entsprechende Strafe aussprechen – oder den Angeklagten freisprechen.

b) Strafverfahren mit Anklage

Wird eine Anklageschrift an das zuständige Gericht geschickt und der Richter eröffnet das Hauptverfahren, kommt es zu einer mündlichen Verhandlung.

Auch hier werden alle Beteiligten, wie der Angeklagte, der Nebenkläger (das Opfer hat die Möglichkeit als Nebenkläger aufzutreten), die Zeugen oder Sachverständigen angehört. Auch werden die Beweisstücke zur Kenntnis genommen, also angesehen und evtl. auch besprochen.

Nach Beendigung dieser so genannten Beweisaufnahme werden die Plädoyers gehalten. Das heißt, dass der Staatsanwalt einen konkreten Strafantrag stellen muss. Auch der Angeklagte oder dessen Verteidiger können einen eigenen Antrag stellen. Im Falle einer zugelassenen Nebenklage kann dies auch der Nebenkläger machen.

Nach den Plädoyers gibt es eine Pause, in welcher der oder die Richter ins Beratungszimmer zurückziehen und in geheimer Beratung über eine Strafe entscheiden oder auch darüber, ob der Angeklagte freigesprochen wird.

c) Besonderheit bei Jugendlichen

Bei begangenen Straftaten von Jugendlichen, also Tätern unter 18 Jahren, wird es immer eine Verhandlung geben.
Es gibt zudem die weitere Besonderheit, dass die Jugendgerichtshilfe als Beteiligte bei der Verhandlung dabei ist. Hintergrund hierfür ist, dass bei einer Jugendstrafverhandlung nicht die Strafe im Vordergrund stehen soll, sondern dass dem Jugendlichen gezeigt werden soll, dass er durch seine Tat andere geschädigt hat und für seine Tat einstehen soll. Hier steht vor allem der Erziehungsgedanke im Vordergrund.

Die Jugendgerichtshilfe führt daher im Vorfeld einer Verhandlung Gespräche mit dem Jugendlichen und seinen Angehörigen. Es soll bei diesen Gesprächen herausgefunden werden, ob der Jugendliche seinem Alter und seiner Erziehung nach reif genug ist zu erkennen, dass er eine Straftat, also eine strafrechtlich verbotene Handlung, begangen hat. Auch soll geklärt werden, wie auf den Jugendlichen einzuwirken ist, um weitere Straftaten zu verhindern.

Bei Heranwachsenden, also jungen Leuten zwischen 18 und 21 Jahren, soll die Jugendgerichtshilfe klären, ob das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden kann. Auch hierfür ist die Reife und Einsichtsfähigkeit des Angeklagten maßgebend.

3. Kosten des Verfahrens für einen Strafverteidiger

Die Kosten des Verfahrens für einen selbst gewählten Strafverteidiger oder Rechtsanwalt bemessen sich wie folgt:

Grundgebühr Strafsachen gem. Nr. 4100 VV RVG 165,00 €
Verfahrensgebühr (vorbereitendes Verfahren) gem. Nr. 4104 VV RVG 140,00 €
Verfahrensgebühr (1. Rechtszug Amtsgericht) gem. Nr. 4106 VV RVG 140,00 €
Terminsgebühr (Hauptverhandlung 1. Rechtszug Amtsgericht) gem. Nr. 4108 VV RVG
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG
230,00 €
20,00 €
Nettobetrag
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG
695,00 €
132,05 €
Gesamtbetrag 827,05 €

Bei dieser Berechnung möchte ich Sie darauf hinweisen, dass jeweils die Mittelgebühren herangezogen wurden.

Die Kosten für einen Pflichtverteidiger sind geringer und werden vom Staat bezahlt. Ein Pflichtverteidiger wird bestellt, wenn dem Angeklagten eine schwerwiegende Tat vorgeworfen wird, er eine hohe Strafe zu erwarten hat und/oder er sich zu seiner Verteidigung aus finanziellen Gründen keinen Rechtsanwalt leisten kann.

Bei umfangreichen Ermittlungen der Polizei oder schwerwiegenden Straftaten empfiehlt es sich eine Stundenvereinbarung oder auch eine Pauschalvereinbarung mit dem Rechtsanwalt zu vereinbaren.

4. Rechte und Pflichten als Opfer

Als Opfer wird man ebenfalls in einem Strafverfahren miteingebunden.
Vor allem die Aussage als Zeuge, die zur Aufklärung und zum Beweis der Straftat dient, ist hier zu nennen.

Aber es ist auch möglich, dass man als Opfer an dem Verfahren und an der Verhandlung beteiligt werden kann. Dies ist im Rahmen der Nebenklage möglich, welche durch das Gericht aufgrund eines Antrages des Opfers, oder auch seiner Angehörigen, zugelassen werden kann.

In diesem Zusammenhang sind auch die Rechte des Nebenklägers nicht unerheblich. Man kann eigene Beweisanträge stellen, die Zeugen bei der Verhandlung befragen und auch einen eigenen Antrag zur Höhe der Strafe stellen.

Rechtsanwältin Bianca Vetter

HSV Rechtsanwälte
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Telefon-Nr.: 0711-72236737
Email: vetter@hsv-rechtsanwaelte.de
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