Das richtige Verhalten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren

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Schweigen oder Reden?

Einleitung

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist  für die meisten Mandanten Neuland.

Nicht zuletzt deshalb existieren über die Rechte und Pflichten in diesem Verfahren vielerlei Missverständnisse und Fehlinformationen in der Bevölkerung, die oftmals zu nicht mehr korrigierbaren Folgen führen können.

Eine der hartnäckigsten Fehlvorstellungen betrifft die Frage, wann und ob man als Beschuldigter oder Zeuge zum Reden und zu Aussagen gegenüber Polizei und Staatsanwalt  verpflichtet ist.

Es ist ein verständlicher Reflex, sich als Beschuldigter verteidigen zu wollen, insbesondere, wenn man von seiner Unschuld überzeugt ist. Nur zu oft führen solche, oft emotional aufgeladene  Verteidigungsversuche aber zu unkontrollierten, viel zu weit gehenden Aussagen, die schlimmstenfalls zu einer Selbstbelastung führen. Denn gerade in einem frühen Stadium im Ermittlungsverfahren steht auch die Polizei bzw die Staatsanwaltschaft vor einem weitgehend unklaren Sachverhalt, der meist ohne Mitwirkung des Beschuldigten nicht zu seinen Lasten ausermittelt werden kann.

Beschuldigter

a)    Grundsatz

Entsprechend  gilt der Grundsatz: Als Beschuldigter muss ich zu keinem Zeitpunkt irgendetwas sagen, darf sogar Lügen. Dies gilt sowohl für Vernehmungen durch die Polizei, als auch durch die Staatsanwaltschaft.

Eine kleine Ausnahme gilt für die Bekanntgabe der Personalien, etwa auf einem Beschuldigtenfragebogen. Die Nichtvornahme kann gemäß § 111 OWiG eine Ordnungswidrigkeit darstellen.

Oben dargestellter Grundsatz stellt ein verfassungsgemäß garantiertes Recht dar, weshalb ein Schweigen zu keinem Zeitpunkt zu Lasten des Beschuldigten gewertet werden darf. Man sollte daher unbedingt den oben angesprochenen Verteidigungsreflex unterdrücken, zumindest, bis beispielsweise durch Akteneinsicht klar ist, von welchem Sachverhalt die Ermittlungsbehörden ausgehen.

b)    Ausnahme

Selbstverständlich kann je nach Einzelfall auch eine Ausnahme vom grundsätzlichen Schweigegebot zu machen sein.

Möchte der Beschuldigte etwa ein Geständnis ablegen, kann es eventuell von Vorteil sein, dieses nicht zu lange hinauszuzögern. Ein spätes Geständnis, etwa, wenn die Beweislage erdrückend wird, kann des Geständnis als Strafmilderungsgrund entwerten. Aber Achtung: Dies stellt eine absolute, einzelfallabhängige Ausnahme dar. Auch hier gilt: Zunächst ist in aller Regel Akteneinsicht zu beantragen, um Geständnisse zu vermeiden, die über den eigentlichen, noch weitgehend unermittelten Tatvorwurf hinausgehen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, nachdem Geständnisse ohne vorherige Akteneinsicht mehr Gewicht haben, als solche, die erst nach Kenntnis etwa erdrückender Beweismittel gemacht werden.

Eine schnelle Aussage kann außerdem erforderlich sein, wenn der Beschuldigte bereits Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden gemacht hat. Hier ist etwa schnelles Handeln gefragt, um entlastende Momente vorzutragen oder die Aussagen in einen korrigierten sachlichen Kontext zu stellen.

Führen die strategischen Überlegungen zu dem Ziel, dass tatsächlich eine Einlassung erfolgen sollte, ist diese vollumfänglich zu machen! Denn: Ein Teilschweigen kann, anders als ein Totalschweigen, zu Lasten des Beschuldigten gewertet werden.

Letztlich sollte man sich eines immer vor Augen führen: Eine einmal gemachte Aussage ist in der Welt, und nicht mehr korrigierbar.  Ob und wie ich eine Aussage mache, muss deshalb sorgfältig überlegt sein!

Zeugen

Auch der Zeuge muss zu einer von der Polizei angeordneten Vernehmung weder erscheinen noch eine Aussage machen.

Anderes gilt bei einer von der Staatsanwaltschaft angeordneten Vernehmung, es sei denn, es bestehen besondere Aussageverweigerungsrechte, die abschließend in der StPO geregelt sind.

In Betracht kommt ein Aussageverweigerungsrecht aufgrund bestimmter verwandschaftlicher Verhältnisse zum Beschuldigten, aus beruflichen Gründen, oder, wenn die Gefahr einer Selbstbelastung mit einer Straftat besteht.

Besteht hinsichtlich des letzten Punkts auch nur eine entfernte Möglichkeit, kann nur geraten werden, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden, der bei der Vernehmung dann ein Anwesenheitsrecht hat.

Grundsätzlich ist der Zeuge über die Möglichkeit, bei Bestehen eines Auskunftverweigerungsrechts zu schweigen, zu belehren. Erfolgt keine Belehrung, darf die Aussage zwar im Prozess gegen den Beschuldigten verwertet werden, nicht aber in einem etwaigen Prozess gegen den Zeugen selbst.

Zusammenfassung

Es gilt das grundsätzliche Gebot: Bis zu einer Konsultation des Verteidigers ist zu schweigen! Denn: Eine einmal gemachte Aussage kann nicht rückgängig gemacht werden. Und: Niemand darf dem Beschuldigten sein Schweigen zu Vorwurf machen!

Sodann ist es die Aufgabe des Verteidigers, die bestmögliche Strategie in Bezug auf das Aussageverhalten zu entwickeln.

Auch bei einer Vernehmung als Zeuge gilt: Besteht auch nur die entfernte Gefahr einer Selbstbelastung, ist der Verteidiger zu konsultieren!