Braucht man einen Anwalt im Strafrecht? Wie finde ich den richtigen? Was kostet ein Rechtsanwalt?

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Strafverteidiger und Pflichtverteidiger - Alles über den Anwalt für Strafrecht

 

Braucht man einen Anwalt im Strafrecht?

Das altbekannte Sprichwort „vor Gericht und auf hoher See ist man in Gotteshand“ ist ein von Anwälten viel zitierter Spruch der deutlich machen soll, dass die Gerechtigkeit - ähnlich dem mehr oder weniger zufälligen Zusammenspiel von Wind und Wellen - oft nur ein Zufallsprodukt ist.

Leider klaffen jedoch vor allem im Strafrecht Theorie und Praxis so weit auseinander, dass der oben zitierte Spruch leider all zu oft auch für das Strafrecht gelten kann:

Während man sich bei zivilgerichtlichen Streitigkeiten auf paritätischer Ebene trifft, was beispielsweise schon anhand der Sitzanordnung vieler Gerichtssäle deutlich wird (der Richter sitzt anders als im Strafrecht auf selber Höhe wie die anderen Prozessbeteiligten) zeichnet sich das Strafrecht durch eine krasse Subordination, einschneidenden Machtinstrumenten und einem äußerst weit gefassten richterlichen Strafzumessungsumfang aus.

So gibt der Gesetzgeber dem Richter beispielsweise für einen Diebstahl einen Strafrahmen bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe vor! Der kleine Aldidieb könnte also - überspitzt gesprochen - für das Klauen eines Lutschers vom Richter in Berlin nur eine kleine Geldstrafe, beim Richter in München 5 Jahre Freiheitsstrafe bekommen.

Und obwohl sich das Strafrecht mit einer der wichtigsten Güter des Menschen befasst, nämlich seiner Freiheit, stehen dem Angeklagten nur sehr eingeschränkte Rechtsmittel und ein im Vergleich zum Zivil- und Verwaltungsrecht nur abgekürzter Instanzenzug zur Verfügung.

Zum Beispiel wird der beim Landgericht angeklagte Mörder genau nur diese eine Instanz zur Feststellung der ihm zur Last gelegten Tatsachen haben, eine sonst nur noch mögliche Revision würde sich nur mit etwaigen Rechtsfehlern des Landgerichts befassen von denen gute Landgerichtsrichter kaum welche machen! Mit anderen Worten, der Mörder bei dem es um eine lebenslange Freiheitsstrafe geht, bekommt nur eine einzige, sehr eingeschränkte Rechtsmittelinstanz, während derjenige der 20.000 € Schadensersatz einklagt beim Landgericht beginnt, dann zum Oberlandesgericht und am Schluss nah in die dritte Instanz beim Bundesgerichtshof gehen kann...

Kurz um, die Mixtur aus kaum überprüfbaren richterlichen „Ermessensspielraum“ beim Urteil, nur wenigen Kontrollinstanzen und den den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehenden Machtinstrumenten (Haftbefehl, Durchsuchung, Öffentlichkeitfahndung etc...) macht das Strafverfahren sehr schnell zu einem Hochseeabenteur, dass in beide denkbaren Richtungen von Schönwetter bis zum Unwetter vielerlei Entscheidungen zulässt, die dann im schlimmsten Fall nicht mehr zu revidieren sind.

Um nach dieser langen Einleitung auf den Punkt zu kommen: Ja! Man braucht unbedingt einen Anwalt im Strafverfahren auch wenn ein Anwaltszwang grundsätzlich nur bei mittelschwerer und schwerer Kriminalität verpflichtend ist. (siehe dazu Artikel Pflichtverteidigung).

Von den tiefgreifenden Konsequenzen eines Strafverfahrens wie Freiheitsstrafe, Eintragung ins Führungszeugnis, Öffentlichkeit, familiäre und arbeitsrechtlichen Konsequenzen einmal abgesehen, sollte man auch immer Folgendes bedenken:

Ein Anwalt hat die selbe Ausbildung - um genau zu sein, sogar exakt das selbe Studium  - wie ein Richter oder Staatsanwalt genossen, alle Anwälte haben die Befähigung zum Richteramt. Der Anwalt kennt sich also grundsätzlich eben so gut aus wie ein Richter oder Staatsanwalt und weiß in der Regel um die juristischen Probleme oder Herausforderungen eines strafrechtlichen Falls genauestens Bescheid.

Auch hat der Anwalt grundsätzlich einen ganz anderen „Draht“ zum Richter und Staatsanwalt, gerade weil er selbst Jurist ist und Letzteren auf selber Ebene begegnet. Der Anwalt weiß in der Regel wann es sich lohnen kann einzuhaken, juristische Fragen und Probleme zu thematisieren oder strafprozessuale Möglichkeiten auszuschöpfen. Er weiß aber auch wann und inwieweit es sinnvoll ist mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren.

Letztlich ist es auch eine Frage fairer Ausgangsvoraussetzungen, denn als juristischer Laie einem Staatsanwalt und einem Richter ohne Anwalt entgegengesetzt zu sein kann selbst bei der in der Theorie gebotenen Neutralität beider Rechtsorgane nicht als fair bezeichnet werden für jemanden der von Strafrecht keine tiefer gehenden Kenntnisse hat.

 

Wie finde ich den richtigen Anwalt im Strafrecht

Wie und Wo man den richtigen Anwalt findet ist  letztlich von vielen Faktoren abhängig. Hauptkriterien dürften aber vor allem Praxiserfahrung und Kompetenz des Anwaltes sein.

1. Spezialisierter Anwalt:

Um jedoch strafrechtliche Praxiserfahrung und Kompetenz zu garantieren, sollte man bei der Suche nach einem Anwalt für Strafrecht nach Anwälten suchen, die sich auf das Strafrecht spezialisiert haben (z.B. Fachanwälte für Strafrecht oder Anwälte mit Tätigkeitsschwerpunkt Strafrecht).

Ähnlich wie beim Arzt, den man entsprechend seiner Beschwerden aussucht (bei Hautproblemen geht man zum Hautarzt und nicht zum Augenarzt), ist es im umfangreichen deutschen Rechtssystem so, dass kein Anwalt alle Rechtsgebiete gleich gut beherrschen kann. Gerade im Strafrecht, wo Theorie und Praxis Unterschiedlicher nicht sein könnten und es vor allem auch auf Erfahrung ankommt, sollte man unbedingt darauf achten, einen Anwalt zur Seite zu haben, der die Praxis (aber natürlich auch die strafrechtliche Theorie) kennt und einen kompetent beraten und vertreten kann. Dies ist aber wie gesagt grundsätzlich nur bei dem Anwalt möglich, der sich auf das Strafrecht spezialisiert hat!

Nun gibt es aber auch zahlreiche auf das Strafrecht spezialisierte Anwälte, sodass die Wahl des richtigen Anwaltes weiterhin schwer genug fällt:

Aber auch hier kann nochmal eine fachliche Schwerpunktsetzung weiterhelfen, denn auch der spezialisierte Fachanwalt für Strafrecht hat oftmals und ähnlich den Fachärzten eine gezielte Spezialisierung oder einen besonderen Schwerunkt im Strafrecht. So wie der Facharzt für innere Medizin sich innerhalb seiner Spezialisierung auf das Herz (Kardiologe) oder den Bauch (Gastroenterologie) spezialisieren kann, gibt es auch im Strafrecht Anwälte die im Strafrecht nochmals auf besondere strafrechtliche Fälle und Tatbestände spezialisiert sind:

Eine strafrechtliche Schwerpunktsetzung gibt es unter anderem im

-        Wirtschaftsstrafrecht, also Anwälte für Strafrecht, die sich vor allem auf die Wirtschaftsdelikte wie Betrug, Korruption und Untreue spezialisiert haben

-        Steuerstrafrecht, also Anwälte für Strafrecht, die sich vor allem mit Steuerdelikten beschäftigen

-        Sexualstrafrecht, also Anwälte für Strafrecht die Ihren Schwerpunkt bei Straftaten  gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben

-        Opferschutz, also Anwälte für Strafrecht, die sich vor allem auf Opfervertretung spezialisiert haben

-        Verkehrsstrafrecht, also Anwälte für Strafrecht, die sich auf die Vertretung und Verteidigung bei Verkehrsstraftaten und Ordnungswidrigkeiten spezialisiert haben

-        Umweltstrafrecht

-        Amtsdelikte

-        Betäubungsmittelstrafrecht

-        Gewaltdelikte

-        Medizinstrafrecht

-        etc....

Hat man letztlich anhand der entsprechenden Fachgebietsspezialisierung einen oder mehrere Anwälte gefunden, können zusätzlich noch Internetbewertungen oder aber auch Empfehlungen bei der endgültigen Auswahl des Anwaltes weiterhelfen. So gibt es gerade im Internet zahlreiche Bewertungsportale, die wie bei Restaurants oder Onlineshops auch die Anwälte bewerten.

Zu Guter Letzt zählt natürlich immer noch der persönliche Eindruck. Viele Anwälte für Strafrecht bieten ein unverbindliche Erstgespräch oder Kennenlerngespräch an, in welchem man seinen zukünftigen Anwalt kennenlernen und sich einen ersten persönlichen Eindruck machen kann.

Was kostet ein Anwalt im Strafrecht?

Die Kosten eines Anwaltes im Strafrecht richten sich grundsätzlich nach Art und Schwere des Deliktes: Denn in der Regel ist ein kleiner Ladendiebstahl juristisch und prozessual deutlich einfacher zu bewerten als eine Sexualstraftat, ein Mord oder Wirtschaftsdelikte:

Daher rechnen auf das Strafrecht spezialisierte Anwälte in der Regel auch auf Stundenbasis oder einem vorher vereinbarten Pauschalhonorar ab. Das heißt die Kosten variieren je nach dem wie viel juristischer Aufwand darin steckt.

Die Stundensatzpreise betragen durchschnittlich 180,00 € bei den Pauschalen variiert dies sehr stark, sodass man hier am Besten direkt beim Anwalt nachfragt.

Natürlich gibt es aber auch Anwälte die nach den gesetzlichen Gebühren abrechnen. Wie hoch diese sind kann ganz einfach auf dieser Seite herausgefunden werden: http://www.rechtsanwaltsgebuehren.de/Berechnen/StrafR.html

Allerdings gibt es in gesetzlich vorgeschriebenen Fällen z.B. bei Taten mit einer Straferwartung von mehr als einem Jahr, wenn man in U-Haft sitzt oder nicht in der Lage ist sich selbst zu verteidigen (Stichwort Ausländer) die Möglichkeit der sog. Pflichtverteidigung.

Die Pflichtverteidigung (auch notwendige Verteidigung) bedeutet letztlich, dass der Staat unter gewissen Voraussetzungen den Anwalt (vorerst) bezahlt, weil z.B. für den Beschuldigten eine besonders schwere Rechtsfolge zu erwarten ist. Diese Pflichtverteidigung ist darüber hinaus auch völlig unabhängig davon, ob man sich einen Anwalt leisten kann oder nicht. (Siehe hierzu Artikel zur Pflichtverteidigung). Ob die Voraussetzungen einer sog. Pflichtverteidigung vorliegen ist jedoch im Einzelfall schwer zu bestimmen. Liegen die Voraussetzungen aber nicht vor,gibt es keine andere Möglichkeit als den Anwalt selbst zu bezahlen.

Aber auch bei der Frage nach der Bezahlung des Anwaltes gilt: Anwälte sind keine geldgierigen Unmenschen! In der Regel ist jeder Anwalt bereit eine Ratenzahlung zu vereinbaren oder ausstehende Zahlungen auch einmal zu stunden.

Achtung: Die Anwaltskosten (zumindest in Höhe der gesetzlichen Gebühren) bekommt man bei einem Freispruch natürlich zurückerstattet. Nicht jedoch wenn das Verfahren eingestellt wird!

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass man sich angesichts der sehr schweren und tiefgreifenden Konsequenzen eines Strafverfahrens unbedingt eines Anwaltes bedienen, zumindest sich aber vorab einmal anwaltlich beraten lassen sollte.

Den richtigen Anwalt im Strafrecht sollte man anhand der Spezialisierung auf das Strafrecht aussuchen (also Fachanwalt für Strafrecht bzw. Tätigkeitsschwerpunkt im Strafrecht) und dann ggf. nach Bewertungen oder Empfehlungen (z.B. im Internet) gehen, wobei letztlich der persönliche Eindruck z.B. im Rahmen eines unverbindlichen Erstberatungsgesprächs ein weiterer Punkt zur Überzeugungsbildung sein kann.

Die Kosten im Strafrecht variieren je nach Art und Umfang der Tätigkeit. Am besten sprechen Sie Ihren Anwalt hierauf gleich zu Beginn an und lassen sich hierrüber eingehend beraten.

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