Ankauf von "Steuer-CDs"

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Der Ankauf von Steuer-CD’s - Notlösung, Dauerlösung oder überhaupt keine Lösung?


Nach Bekanntwerden über Ankäufe neuer Steuersünder-CDs bleibt die alte Frage so umstritten wie zuvor: Bewegt man sich hier hinsichtlich der rechtlichen Lage und der moralischen Vorstellungen, die unserem Staatssystem zu Grunde liegen, in einer schwarzen, weißen oder grauen Zone?


Zunächst: Was ist eine Steuer-CD, bei der es sich ja sicherlich nicht um eine Compact Disc handelt, die z.B. zum Steuern der neusten Hybrid Automodelle verwendet wird?


Der Begriff Steuersünder-CD (verkürzt auch Steuer-CD) beschreibt ein optisches Speichermedium, auf dem Datensätze von Bankkunden abgespeichert sind, die dem deutschen Fiskus zum Kauf angeboten wurden. Hierbei handelt es sich um Daten von Bankkunden, die durch Parken von Guthaben in Ländern mit viel geringeren bzw. überhaupt keinen Steuerabgaben im Vergleich zu Deutschland, dem deutschen Staat Steuergelder in erheblichem Maße hinterziehen.


Bis Ende 2010 hatte der Kauf solcher CDs mit Daten von Bankkunden in Liechtenstein und der Schweiz zwar ein paar Millionen Euro gekostet, demgegenüber standen aber 1,8 Milliarden Euro an Steuernachzahlungen.

Nach Einschätzung von Steuerexperten wird die Praxis von Steuer-CD-Ankäufen die „Steuermoral der Bürger" auf Dauer steigern (Lukrative Steuer-CDs, Staat kassiert 1,8 Milliarden Euro von Steuersündern
Spiegel Online vom 18. Dezember 2010). Dies zeigt sich auch in der Tatsache, dass nach Angaben der Steuer-Gewerkschaft die Selbstanzeigen von Steuersündern auf 25.000 in diesem Jahr gestiegen sind, mit dem Ergebnis von ca. 2 Milliarden Euro „Zusatzeinnahmen" für die Staatskasse (Steuer-Gewerkschaft 22.07.2010 Selbstanzeigen von Steuersündern verzehnfacht, Welt online).

Hierüber freut sich der Staat, wenn auch im Stillen und hinter verschlossenen Türen.


Nun stellt sich noch eine Frage: Berechtigte Freude durch legitime Steigerung der Steuermoral?
Denn eines ist klar, der Fiskus hat die Daten von Personen gekauft, welche wohl nicht rechtmäßig gehandelt haben und zweifelsohne die neuen Informationen nicht zur Steigerung der Zahlungsmoral und einer besseren Welt genutzt, sondern schlicht, um mit Ihrem unrechtmäßigen Handeln Geld verdienen wollten.
Personen, die hingegen nicht Ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen und Steuern hinterziehen, sind aber auch nicht als reine Opfer anzusehen.


Ergibt daher Unrecht Unrecht = Gerechtigkeit?


Darf man, um ein legitimes Ziel „Zahlung von Steuern" zu erreichen, auf illegitime Mittel zurückgreifen?


Oder handelt es sich erst gar nicht um ein illegitimes Mittel bei dem Ankauf etwaiger Steuer-CDs?


Ende 2010 hat das BVerfG die strafprozessuale Verwertung von Erkenntnissen, die aus einem staatlichen Ankauf deliktisch erlangter Bankkundendaten stammen, als verfassungsrechtlich zulässig gewertet (BVerfG Beschl. v. 9. 11. 2010 – BVERFG 09.11.2010 Aktenzeichen 2 BVR 2101/09, NStZ 2011, NSTZ Jahr 2011 Seite 103ff.).


Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG zwar für die Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit der angekauften Daten für Rechtsklarheit in der Praxis gesorgt, dennoch ist fraglich, ob das eigentliche Verhalten, der Ankauf der Daten, völkerrechtswidrig, nach deutschem Recht unzulässig oder sogar strafbar ist.


Zunächst ist festzuhalten, dass Zahlung für Informationen ein alltägliches und legales Mittel des Staates ist.


Hinsichtlich völkerrechtlicher Zweifel besteht wohl Einigkeit darüber, dass, wenn der deutsche Staat den Verkäufer nicht zur Erlangung der Daten im Ausland gezielt veranlasst hat, was regelmäßig nicht geltend gemacht wird und wofür in den bislang bekannt gewordenen Fällen keine Anhaltspunkte bestehen, kein Verstoß gegen Völkerrecht vorliegt (So auch im Erg. Pawlik JZ 2010, JZ Jahr 2010 Seite 693, JZ Jahr 2010 Seite 694).


Kernfrage ist daher, ob der Staat überhaupt ermächtigt sein kann, etwaige Daten rechtmäßig anzukaufen.
Den Landesfinanzbehörden kommt nach Art. GG Artikel 108 GG Artikel 108 Absatz II GG die Aufgabe zu, Steuern zu verwalten.


Zu der Verwaltung der Steuer gehört ebenso, erforderliche Informationen zu erlangen, was vorliegend der Fall ist.
Problematisch ist dann aber, ob der Staat im Zusammenhang mit dem Ankauf der Daten in das grundgesetzlich geschützte Recht der Bankkunden auf informationelle Selbstbestimmung eingreift und im Falle eines Eingriffs über eine ausreichende gesetzliche Handlungsermächtigung verfügt.


Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass Kontodaten, welche sich im Ausland befinden, nicht mehr von dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt werden, da der Schutzbereich dieses Grundrechtes nur Geltung innerhalb der territorialen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland entfaltet.


Geht man trotzdem davon aus, dass der Grundrechtschutz hier greift, wird indes aber nicht die Entgegennahme und Verwendung der Daten einen Eingriff in das Grundrecht darstellen.


Verwendet der Staat durch seine Finanzbehörden die Angaben aus den Steuer-CDs, nutzt er die enthaltenen Informationen durch einen Abgleich mit bestehenden Steuerdaten. Diese Nutzung ist durch die allgemeinen Handlungsbefugnisse, die den für die Steuerfahndung zuständigen Dienststellen der Finanzbehörden zur Erforschung von Steuerstraftaten (§ AO § 208 AO § 208 Absatz I 1 Nr. 1 AO) und zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuersachverhalte (§ AO § 208 AO § 208 Absatz I 1 Nr. 3 AO) eingeräumt werden, gerechtfertigt.


Der Ankauf an sich berührt nicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen, da es sich vorliegend ausschließlich um eine Tätigkeit zwischen dem Staat und dem Anbieter der Daten handelt.


Die CD nebst den darauf befindlichen Daten kann nach der strafprozessualen Vorschrift über die Sicherstellung nach § STPO § 94 STPO § 94 Absatz I StPO als Beweismittel für das Strafverfahren in Gewahrsam genommen werden.
Daher darf die Finanzbehörde, ohne die Grundrechte des Einzelnen zu verletzen, Steuerdaten ankaufen und mit bestehenden Daten abgleichen.


Fraglich bleibt dennoch, ob der Staat sich nicht strafbar gemacht hat, indem er die Steuer-CDs angekauft hat bzw. verwenden wird, wobei auch immer wieder der Begriff der Hehlerei nach § STGB § 259 StGB fällt.


Eine solche Strafbarkeit oder hinreichender Tatverdacht ist aber schon aus dem einfachen Grund nicht gegeben, da die illegal erlangten Daten keine beweglichen Sachen i.S.d. § 259 StGB sind.


Ebenso besteht keine Strafbarkeit hinsichtlich des Tatbestandes der Begünstigung § 257 StGB.


Diese scheitert schon daran, dass der Amtsträger beim Ankauf nicht mit der Absicht handelt, dem Informanten Vorteile aus einer Straftat zu sichern.


Natürlich dürfte dem Käufer bewusst sein, dass er die illegale Beschaffung durch Zahlung belohnt. Bei der Begünstigung muss es dem Täter, ohne dass dies der einzige Zweck zu sein braucht, aber auch darauf ankommen, die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu verhindern oder zu erschweren.


Die auf der CD befindlichen Daten sind aus Sicht des Staates ein Beweismittel zum Zweck der Steuererhebung und Strafverfolgung, die der Amtsträger für die Durchführung entsprechender Verfahren auf Grund seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisungen zu sichern hat. Daher bezweckt der Amtsträger eben gerade die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes und nicht dessen Verhinderung.


Andere Straftatbestände kämen ebenso in Betracht, werden wohl jedoch im Großen und Ganzen abzulehnen sein.
Ist der Ankauf der Daten rechtlich zulässig und auch nicht strafbar, können die hieraus gewonnenen Erkenntnisse, erst Recht vor dem Hintergrund der eingangs erwähnten Entscheidung des BVerfG, im Besteuerungs- und auch im Ermittlungsverfahren grundsätzlich verwertet werden. Dies erscheint im Regelfall auch sachgerecht. Zwar hat der Staat einen Straftäter faktisch belohnt, er hat den Eingriff aber weder gemeinsam mit dem Informanten begangen, noch ihn dazu angestiftet. Insbesondere stellt das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung und das Interesse des Staates und der Rechtsgemeinschaft an der Aufklärung schwerwiegender Straftaten, zu denen auch massive Steuerhinterziehungen durch Verbringung von Vermögen ins Ausland gehören, ein gewichtiges Rechtsgut dar.

Diesem Rechtsgut konnte mangels erfolgversprechender Handlungsalternativen bislang nur durch den Ankauf der Steuerdaten Rechnung getragen werden.

Abschließend bleibt trotzdem festzustellen, dass ein solches Handeln nicht schlichtweg hingenommen und als einfache und kostspielige, grenzwertige, Dauerlösung benutzt werden kann.


Denn ein Rückgriff auf grenzwertige Mittel ist immer auch gleichzeitig ein Zeugnis und Eingeständnis für fehlende eigene, ausreichende und legitime, Mittel.