Die Haftung beim Reitunfall

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Die Haftung beim Reitunfall

Rechtsanwältin Raupers beschäftigt sich regelmäßig mit Fragen zur Haftung bei Reitunfällen. Neben der Frage, wer eigentlich die Verantwortung für das Pferd zum Unfallzeitpunkt getragen hat, spielt auch der Geschehensablauf des Unfallhergangs eine entscheidende Rolle.

Das Gesetz regelt die Haftung des Tierhalters und Tierhüters für Schäden, die ein Tier anrichtet. Hierunter fallen auch Reitunfälle, die durch das Pferd verursacht oder mitverursacht wurden.

Birgit Raupers
Partner
seit 2002
Rechtsanwältin
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30938 Großburgwedel
Tel: 05139/985 78 25
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Arbeitsrecht, Handelsrecht, Kaufrecht, Tierkaufrecht

I. Die Haftung des Tierhalters bei Reitunfällen:

Die Haftung des Tierhalters ist im Gesetz in §833 BGB geregelt.

1. Wer aber ist Tierhalter?

  • Die Eigentümer des Pferdes, der sich jedoch nicht täglich kümmert?
  • Die Reitbeteiligung, die gegen Entgelt zwei Mal die Woche das Pferd im Reitunterricht bewegt?
  • Der Reitstallbetreiber, in dessen Obhut sich das Pferd befindet?

Das Gesetz selbst enthällt keine Definition.
Als Tierhalter wird derjenige angesehen, der die Bestimmungsmacht über das Tier hat, es aus eigenem Interesse hält und für die Kosten des Tieres aufkommt, den Nutzen und Wert hieraus zieht und auch das Risiko des Verlustes trägt. Nach dieser Definition wäre auf jeden Fall der Eigentümer Tierhalter. Dies muss aber nicht zwingend sein:

Stellt ein Pferdebesitzer über einen längeren Zeitraum sein Pferd einem Profireiter zur Verfügung, so wird derjenige Tierhalter. Gleiches gilt für den Aufzüchter oder den Gnadenhofbetreiber. Reitvereine sind Tierhalter in Bezug auf die vereinseigenen Pferde.

Ob eine Reitbeteiligung ebenfalls Tierhalter sein kann, hängt von der Art und Weise der Nutzung des Pferdes ab: Kann sie das Pferd nach ihrem Gusto einsetzen und kümmert sie sich überwiegend um das Pferd, weil der Besitzer keine Zeit hat, so kann die Reitbeteiligung anstelle oder neben dem Besitzer Tierhalter sein. Eine Reitbeteiligung, die das Pferd 2 –3 mal die Woche reitet und das Pferd nicht zur freien Verfügung hat, ist nicht als Tierhalterin anzusehen. Möglicherweise ist sie jedoch Tierhüterin. Hierzu jedoch später.

Es kommt also auf den Einzelfall an, ob jemand, der nicht Eigentümer und Besitzer des Pferdes ist, als Tierhalter anzusehen ist.

2. Wann haftet der Tierhalter für Schäden, die das Pferd anrichtet?

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass tierisches Verhalten unberechenbar sein kann. Nach § 833 BGB haftet der Tierhalter für Schäden, die sein Tier verursacht, wenn sich der Schaden aufgrund einer tierspezifischen Gefahr verwirklicht hat.

Unter einer tierspezifischen Gefahr ist willkürliches, selbständiges Verhalten des Pferdes wie bspw. Bocken, Scheuen, Ausschlagen zu verstehen.

Damit grenzt der Gesetzgeber die Haftung für Schäden ab, die durch ein Tier entstehen, welches unter menschlicher Leitung steht.

Ein Beispiel:

Wenn der Reiter mit dem Pferd im Parcour über ein Hindernis springt und beim Sprung stürzt, weil er die Balance nicht halten konnte, stand das Pferd unter menschlicher Leitung, weil das Pferd den Anweisungen seines Reiter Folge geleistet hat. Der Tierhalter haftet nicht.

Verweigert das Pferd den Sprung, indem es vor dem Hindernis plötzlich und unerwartet seitlich ausweicht und der Reiter aufgrund dessen vom Pferd fällt, war das Pferd zu diesem Zeitpunkt vom Reiter nicht beherrschbar, also unberechenbar. Der Tierhalter haftet.

3. Der Unfall mit dem eigenem Pferd:

Fällt der Tierhalter von seinem eigenen Pferd, so hat er grundsätzlich für seinen Schaden selbst aufzukommen.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Unfall durch einen Dritten verschuldet wurde.

Ein Beispiel:

Ein Hubschrauber fliegt derart tief über eine Weide, auf der sich ein Reiter befindet, dass das Pferd in Panik losstürmt über den Weidezaun springt, dabei strauchelt und stürzt, wobei sich der Reiter schwer verletzt. Wäre der Hubschrauber nicht zu tief geflogen, hätte sich das Pferd nicht erschreckt und wäre nicht durchgegangen.

Eine etwaige Mithaftung für das Losstürmen seines Pferdes von ca. 20 % muss sich der Reiter zurechnen lassen.

Gleiches gilt, wenn freilaufende Hunde bellend auf das Pferd zulaufen und so einen Fluchtinstinkt bei dem Pferd auslösen mit der Folge, dass es scheut und den Reiter abwirft.

Kommt es mit dem eigenem Pferd zu einem Unfall, bei welchem nicht der Reiter, sondern Dritte geschädigt werden, haftet der Reiter als Tierhalter, wenn der Unfall durch das unberechenbare Verhalten des Pferdes ausgelöst wurde. Eine solche Haftung ist im folgendem Fall gegeben:

der Reiter hatte wiederholt erfolglos versucht, mit seinem Pferd ein Hindernis zu überwinden. Bei einem erneuten Versuch brach das Pferd seitlich aus und riss dabei einen Helfer, der seitlich am Hindernis stand, zu Boden. Der Reiter kann nicht darauf verweisen, dass sich der Helfer freiwillig in Gefahr begeben hat. Denn er selbst hätte erkennen müssen, dass sein Pferd aufgrund der vorherigen fehlgeschlagenen Versuche, den Sprung zu überwinden, nicht sicher beherrschbar war. Es wurde als grob fahrlässig angesehen, dass der Reiter trotzdem einen weiteren Springversuch unternahm, obwohl sich Menschen in der Nähe des Sprunges aufhielten.

4. Der Unfall mit dem fremden Pferd:

Etwas andere gilt, wenn der Reitunfall durch ein fremdes Pferd verursacht wird. Dann ist der Tierhalter zunächst grundsätzlich für den Schaden, den der Fremdreiter durch das unberechenbare Verhalten des Pferdes erleidet, haftbar.

Zunächst ist zu klären, ob der Fremdreiter tatsächlich durch das tierspezifische, also unkontrollierbare Verhalten des Pferde gestürzt ist oder einen eigenen Beitrag zum Unfall geleistet hat. Hat der Reiter falsche Hilfen gegeben? Hat er das Pferd überfordert und sich wissentlich in eine gefährliche Situation begeben?

Verstößt zum Beispiel der Fremdreiter gegen die (nachweislich) erteilten Anweisungen des Tierhalters, bspw. mit dem Pferd nicht im Gelände zu galoppieren, weil dies zum Durchgehen neigt oder begibt er sich freiwillig in Gefahr, weil er mit dem Pferd springt und kommt dann zu Schaden, kann die Haftung des Tierhalters wegen Mitverschuldens des Fremdreiters begrenzt oder ausgeschlossen sein.

Dies gilt auch, wenn der Fremdreiter die Stellung eines Tierhüters einnimmt.

Tierhüter ist derjenige, „der selbständig durch Vertrag die Aufsicht über ein Tier übernommen hat", §834 BGB. Indiz für die Stellung als Tierhüter ist immer der selbstständige Umgang mit dem Pferd in einem bestimmten Rahmen. Die Reitbeteiligung, der Stallbetreiber, der Bereiter sind Tierhüter.

Es fragt sich, ob ein Tierhüter selbst den Tierhalter in Anspruch nehmen kann, wenn er durch das Pferd, dessen Aufsicht er übernommen hat, geschädigt wird. Haftet der Pferdebesitzer, wenn seine Reitbeteiligung vom Pferd fällt, weil das Pferd bockt?

Grundsätzlich besteht eine Haftung des Tierhalters auch in diesem Fall. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tierhüter seine Pflicht verletzt hat:

Ein Beispiel:

Die Reitbeteiligung trainiert mit sechs anderen Reitern in der Reithalle. Sie befindet sich auf der rechten Hand. Da sie zu wenig Abstand zum Hufschlag lässt, kommt es zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Pferd. Das Pferd scheut, die Reitbeteiligung stürzt. Der Tierhalter haftet, wenn überhaupt, nur anteilig, da die Reitbeteiligung ein Mitverschulden trifft.

Die Entgeltlichkeit der Reitbeteiligung spielt bei der Haftung des Tierhalters zunächst keine Rolle. Sie kann aber je nach Ausgestaltung der Tierhalterhaftungsversicherung dazu führen, dass die Versicherung nicht für den Schaden aufkommt!

II. Die Haftung des Tierhüters bei Reitunfällen:

Wer als Tierhüter anzusehen ist, wurde unter I 4 erläutert.

Wie ist jedoch die Haftung, wenn es zu einem Unfall eines anderen Reiters oder Pferdes kommt, bei welchem das Pferd von dem Fremdreiter geritten wurde?

Auch hier kommt es auf den Einzelfall an.
Grundsätzlich können der Pferdehalter und die Reitbeteiligung dem Geschädigten gegenüber gemeinschaftlich nach §840 BGB haften.

Ein Beispiel:

Das Reitpferd der Reitbeteiligung, einer erfahrenen Reiterin, scheut ohne erkennbaren Anlass und kollidiert mit einem anderen Pferd, welches sich eine langwierige Verletzung zuzieht. Die Besitzerin des verletzten Pferdes nimmt sowohl die Reiterin als auch die Halterin in Anspruch.

Die Reitbeteiligung haftet nicht, wenn sie nachweisen kann, dass sie an dem Unfall keine Schuld trifft. Dies kann mit der Reiterfahrung, regelmäßigem Reitunterricht und insbesondere damit begründet werden, dass sie das Pferd bis zum plötzlichen Auftreten der Unberechenbarkeit sicher beherrscht hat.

Daneben haftet der Tierhalter. Dieser kann sich ggf. dadurch entlasten, dass er bei der Auswahl der Reitbeteiligung sich vergewissert hat, dass die Reitbeteiligung über ausreichend Reitkenntnisse verfügt. (OLG Schleswig 2007)

Die Gerichte urteilen jedoch unterschiedlich, ob eine wie vom OLG Schleswig vorgenommene Entlastung des Tierhalters möglich ist.

Grundsätzlich haftet der Tierhalter stets unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden an dem Ausbruch des unberechenbaren Verhaltens seines Pferdes trifft. Der Tierhüter dagegen kann sich von der Haftung entlasten, wenn er nachweisen kann, dass ihn keine Schuld trifft.

III. Der Unfall beim Probereiten:

Kommt ein Kaufinteressent zu Fall, weil das Pferd plötzlich gebockt hat, haftet der Verkäufer als Tierhalter. Der Verkäufer kann sich nicht darauf berufen, dass der Kaufinteressent das Pferd aus eigenem Interesse geritten hat. (so das Urteil des Landgerichts Hildesheim 2008). Etwas anderes gilt, wenn der Kaufinteressent sich bewusst einer gefährlichen Situation ausgesetzt hat. Wenn er beim Ausprobieren des Pferdes in Kenntnis, dass es sich um ein junges, unerfahrenes Pferd handelt, einen Probesprung durchführt und dabei zu Fall kommt, trifft ihn ein Mitverschulden.

Kann der Kaufinteressent über das Pferd bereits wie sein eigenes verfügen, weil ihm der Verkäufer das Pferd für eine Probezeit überlasst, ist eine Tierhalterhaftung ausgeschlossen (so das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein 2007).

Mehr zum Thema Haftung bei Probereiten lesen Sie unter www.rechtundreiter.de

IV. Der Haftungsausschluss

Seine Haftung gegenüber dem Reiter seines Pferdes kann der Tierhalter beschränken oder ausschließen. Eine solche Vereinbarung kann auch aufgrund schlüssigen Verhaltens oder mündlich erfolgen. Zu Beweiszwecken und Klarstellung empfiehlt sich jedoch, einen Haftungsausschluss stets schriftlich zu fixieren.

Bei Minderjährigen ist darauf zu achten, dass eine solche Haftungsbeschränkung ausdrücklich mit den Eltern geregelt wird.

V. Die Beweislast

Grundsätzlich gilt: wer Schadensersatzansprüche geltend macht, muss die Haftung des Gegners beweisen. Fällt die Reitbeteiligung vom Pferd, weil es scheute, hat sie den Beweis zu erbringen, dass das Pferd nicht ihren Anweisungen gefolgt, sondern durchgegangen ist.

Birgit Raupers-Weller
Rechtsanwältin
www.rechtundreiter.de
Leserkommentare
von It is me. am 05.07.2016 12:41:06# 1
Aber wer haftet, wenn man minderjährig ist und mit einem Privatpferd auf dem Vereinsgelände einen Unfall hat? Mal sagen die Vereine zu mir "mit Privatpferd darfst du ohne Aufsicht reiten" und mal sagen sie "wenn du unter 18 bist, darfst du in keinem Fall alleine etwas mit dem Pferd machen".
    
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