Stalking gegen Unternehmerinnen – eine mehrfach existenzielle Bedrohung

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Was kann die geplante Verschärfung des Nachstellungsparagraphen § 238 StGB bewirken?

Systematische, agressiv-psychopathologische Nachstellungen können für die Opfer massive Einschränkungen ihrer beruflichen Tätigkeit und des Privatlebens bedeuten, bis hin zu einem weitgehenden Verlust der Bewegungsfreiheit. Nicht selten führen die fortwährenden Belästigungen sogar zu einem faktischen Existenzverlust durch erzwungenden Wohnungswechsel, Abschaltung der Kommunikationsmittel und Aufgabe eines Arbeitsplatzes. Auch über Fälle von Selbstmorden wird vor allem bei jungen Opfern berichtet. 

Die Täter handeln meist aus einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung unterschiedlichen Grades heraus, die durch Neid infolge der eigenen Unfähigkeit zu einem erfüllten Leben und der daraus resultierenden Unzufriedenheit. Sie wollen das Leben des Opfers bestimmen und ihm ein selbstbestimmtes Leben unmöglich machen. Es entsteht einfach ausgedrückt der Eindruck, als wollten sie ein fremdes Leben „wegnehmen", weil sie zu einem eigenen nicht fähig sind. 
Dabei sind die Täter meist nicht krank, sondern handeln oft sehr zielgerichtet, systematisch und mit perfider Perfektion.

Stefan Musiol
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Betroffen sind also in aller Regel weibliche Opfer männlicher Aggression und Charakterstörung.

Schutzlose Opfer

Besonders zerstörerisch wirken diese Angriffe auf Frauen, die ihre Kontaktdaten infolge ihrer Lebensgestaltung nicht geheim halten können – also Personen des öffentlichen Lebens oder Unternehmerinnen.

Vor allem selbständig tätige sind den Angriffen ohne effektive Abwehr durch Sicherheitsbehörden (Polizei) und der Justiz praktisch schutzlos ausgeliefert, da sie für ihre Kunden öffentlich sichtbar und erreichbar sein müssen.

Schließen sie ihre Kommunikationsanschlüsse und Email-Adressen, bedeutet das auch das unmittelbare Ende ihrer wirtschaftlichen Existenz.

In einem von mir bearbeiteten Fall programmierte der Täter über eine Software permanente Anrufe über seine Telefonanlage auf die Geschäftsnummern der Mandantin und legte deren Unternehmen faktisch lahm. 

Rufschädigungen wie Falschbewertungen über Bewertungsportale – und sind sie noch so unlogisch und absurd überzogen - haben dennoch bei vielen Geschäftspartnern und Kunden eine abschreckende Wirkung und gefährden die Existenz. 

Wer Erfahrung hat, weiß, wie schnell ein eBay-Account auch bei Falschbewertungen gekündigt wird und Umsätze wegen Rufschädigung einbrechen.

Diese Opfer können auch nicht monatelang auf das Eingreifen von Strafermittlern warten. 

Dies wird in der dafür uneinsichtigen aktuellen Politik, die Interessen von Kleinunternehmen ohnehin systematisch vernachlässigt, regelmäßig verkannt. 

Die Erfahrung zeigt, dass sich selbst das nahe Umfeld der Opfer bis auf Einzelpersonen meist wenig solidarisch zeigt und aus Feigheit lieber „auf Distanz geht" und dem Täter so zu einem für ihn zentralen Erfolg – der Isolierung des Opfers – verhilft. Zivilcourage ist auch hier in der Gesellschaft zu dünn gesät. 

Ein ungestörtes Leben ist für Unternehmerinnen nur durch eine systematische, frühzeitige Abwehr der Störungen möglich.

Das Gewaltschutzgesetz und seine Strafvorschrift

Das einzig effektive Mittel der frühzeitigen Abwehr bestimmter Aggressionen bietet derzeit das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz.

Hier können zunächst zivilgerichtliche Verbote gegen den Täter erwirkt werden. Das konkrete Vorgehen wird zur besseren Übersichtlichkeit in einem separaten Ratgeberartikel erläutert.

Ignoriert der Täter die Verbote, kann eine Geldstrafe oder (im Wiederholungsfall) eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden.

Keinen Schutz bietet das Gesetz leider gegen die immer mehr dominierenden Aggressionen über Internetmedien durch Verbreitung rufschädigender Inhalte wie Falschbehauptungen, Beleidigungen, übler Nachrede, gefälschter Textveröffentlichungen und Bilder des Opfers oder anderer Eingriffe in die Privatsphäre oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Leider kennen die systematisch agierenden Täter die Gesetzeslücken meist sehr genau und versuchen mit nicht minderen Wirkungen gezielt im Graubereich zu agieren.

Gleiches gilt in Bezug auf …

Die aktuelle Strafgesetzesregelung

Die aktuell gültige, 2007 eingeführte Strafregelung in § 238 StGB beinhaltete in der Praxis wegen seiner Schutzlücken keinen effektiven Opferschutz.
Denn bestraft werden können derzeit nur Täter, denen es bereits gelungen ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. So lautet die Formulierung des Gesetzes.

Durch diese schwammige Definition eines für eine Verfolgung des Täters notwendigen Erfolgs ist die Strafregelung ein stumpfes Schwert und typisches Ergebnis von Symbolpolitik ohne echtem Engagement zur Problemlösung. 

Dementsprechend beginnen die Strafverfolgungsbehörden also frühestens dann zu ermitteln, wenn Opfern bereits ganz erheblicher Schaden entstanden ist - bei den bekannten Bearbeitungsverzögerungen erst zu einem Zeitpunkt, an dem jedenfalls die wirtschaftliche Existenz des Opfers schwerwiegend geschädigt oder schon vernichtet ist.

Reformbemühungen des Gesetzgebers

Mit einem vor allem aus Bayern forcierten Reformvorhaben sollte die Voraussetzung eines schon eingetretenen Erfolgs gestrichen werden. Bestraft würde dann die aggressiv-schädigende Handlung und nicht erst deren Erfolg.

Dennoch wurde die Reform bis heute nicht umgesetzt.

Obwohl sich vor allem das bayerische Justizministerium immer wieder für die Streichung der Erfolgseinschränkung einsetzte und einen entsprechenden Gesetzentwurf schon 2012 erfolgreich in den Bundesrat einbrachte, scheiterte eine Reform zunächst an der Blockade der FDP, die noch an Landesregierungen und insbesondere an der Bundesregierung bis 2013 beteiligt war.

Die Reform „hängt" vor allem an einer Schwachstelle der aktuellen Regelung. So sind dort nicht nur genau definierte Handlungen unter Strafe gestellt, sondern auch jede „andere vergleichbare Handlung". Auch diese Definition ist unklar und schwammig und kann in einer Strafvorschrift wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig sein.

Eine einfache Lösung wäre die Folgende:

Neben der unmittelbaren Belästigung, massivem Spamming durch Warenbestellungen des Täters im Namen des Opfers, Drohungen gegen das Opfer oder dessen Umfeld können anstelle der unbestimmten Regelung weitere auftretende Handlungen aufgenommen werden.

Auch wenn damit eventuell nicht jedes neue Tatmuster erfasst würde, könnte zumindest für die häufigen Fälle mit besonders zerstörerischer Wirkung eine frühzeitigere Aggressionsabwehr erreicht werden.

Neu in den Katalog aufgenommen werden müsste vor allem der systematische Einsatz der sozialen Medien für Rufschädigungen, Fake-News, Falschbewertungen über Informationsportale und die Verbreitung manipulierten Bildmaterials zu nennen.

Wie Sie schon jetzt Aggressionen effektiv abwehren und sich schützen können, beschreibe ich aufgrund der Erfahrungen aus der anwaltlichen Beratung in einem separaten Ratgeberartikel.

Wollen Sie mehr wissen? Lassen Sie sich jetzt von diesem Anwalt schriftlich beraten.