Sprungrevision… Donnerwetter, was ist denn das?

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Wird die Sprungrevision aus dem Hut des Staranwalts gezaubert, oder ist sie doch alltagstauglich?

Jüngst, also nach meinem ähm… brillianten Plädoyer, eine eher gelangweilt blickende Richterin. Dann kurze Notiz des Tenors, an sich kein schlechtes Omen für einen Freispruch... aber wer weiß, vor Gericht und auf See…, Sie wissen schon.

Nun ja, von beiden Dingen glaube ich etwas zu verstehen, lesen Sie dazu gerne mein Profil. Dennoch, sie schaut so grimmig, die Richterin. Scheint sich erheben zu wollen.

Willy Burgmer
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Und dann der Gedankenblitz. Oder hatte mich der Mandant zuerst fragend angeschaut? Darf ich nicht noch etwas sagen? Was ist mit dem letzten Wort für den Angeklagten?

Die Richterin blickt nochmal in die Akte, scheint noch etwas vergessen zu haben. Der Staatsanwalt blättert – wie mir scheint – schon in der Akte für den nächsten Fall – ja so ist das mit dem System der Sitzungsvertretung.

Jetzt zupft mich der Mandant am Ärmel der Robe. Blickt mich fragend an. Ja, er würde wohl gerne noch.

Die Richterin hat´s vergessen – und, soll oder muss ich sie gar darauf aufmerksam machen? Rechtzeitig?

Eines ist klar, wenn sie aufsteht und zur Urteilsverkündung ansetzt, ist es zu spät. Nur, für wen ist es zu spät? Ich habe allein die Interessen meines Mandanten zu vertreten. Nicht den ordnungsgemäßen Ablauf einer Gerichtsverhandlung. Aber der Mandant muss doch das letzte Worte haben…

Und dann steht sie auf: Schuldig der Angeklagte, im Namen des Volkes, die Sitzung ist geschlossen.

Die Verhandlung war real, den Schluss vertraue ich meinem Schweigerecht an. Bevor nämlich jetzt Kolleginnen und Kollegen, Wissende und Andere Bedenken und Einwänden hegen: Darf er das, der Anwalt, oder nicht? 

Hätte das letzte Wort mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Freispruch erbracht? Eher nein. Jedenfalls, die Anrufung des Gerichts nach § 238 Absatz 2 StPO ist nicht Rügevoraussetzung für die Revision, so der BGH St 21, 288 ff.

Die Wissenschaft lehrt die hohe Bedeutung des letzten Wortes für den Angeklagten. Praktiker kennen aber leider auch dessen oft faktische Bedeutungslosigkeit nach langer Verhandlungsschlacht. Unsicher das Ergebnis, sicher aber die Folge, wenn das letzte Wort fehlt: Ein deftiger Revisionsgrund. Der wiederum ist (nur) eine solide Basis für eine Rückverweisung an ein anderes Gericht, nicht mehr. Aber auch nicht weniger: Denn jetzt kennen wir ja die Gesinnung des Gerichts a quo und haben eine komplette Instanz dazu gewonnen.

Der Rest ist Handwerk: Sprungrevision eben, aber bitte als „unbestimmt eingelegtes Rechtsmittel" wegen der Berufungsfrist. Neue Richter, neue Chance durch alle Instanzen…jetzt aber mit dem letzten Wort für den Angeklagten!

Theorie gegen Praxis. Wie hätten Sie gehandelt… oder handeln müssen? Und vor allem: Was erwartet der/die Mandant/in vom Anwalt/in.

Man wird ja noch fragen dürfen!
Wollen Sie mehr wissen? Lassen Sie sich jetzt von diesem Anwalt schriftlich beraten.
Leserkommentare
von Volkspolizist am 03.01.2014 05:54:40# 1
Herrlich, auch Ihr lockerer Schreibstil. Bei Ihren Plädoyers schläft bestimmt kein Sitzungsvertreter der StA!!!
Übrigens: Haben Sie in dem Moment kapiert, was Ihr Mandant von Ihnen wollte, als er Sie an der Robe zupfte? Ihnen ist doch gaaanz bestimmt erst bei oder nach der Urteilsverkündung bewusst geworden, dass die Verhandlung nicht der StPO konform abgelaufen ist. Oder habe ich das falsch verstanden ,;-))
    
von Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer am 03.01.2014 12:40:51# 2
Danke für die Blumen!
Aber es ging mir tatsächlich darum darzustellen, es gewusst zu haben, aber zum Wohl des Mandanten zurück zu halten und die Folgen zur Diskussion zu stellen.
Wie es wirklich war in der Verhandlung: Schweigepflicht.
W.B.
    
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