Rundfunkbeitrag: Beauftragung von Inkassobüros durch den Beitragsservice ab 2017 ist fragwürdig

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Datenschutzregelungen sehen keine Weitergabe der Meldedaten an andere Unternehmen vor. Die ab 2017 geplante Vorgehensweise könnte daher rechtswidrig sein.

Im unmittelbar vor der Tür stehenden Jahr 2017 soll der Beitragsservice die Forderungen der Rundfunkanstalten nicht mehr nur selbst durchsetzen, sondern sich dabei auch der Hilfe von Inkassobüros bedienen dürfen.

Beitragsservice ist bereits eine Art Inkassofirma

Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, sondern im privaten Rechtsverkehrs gang und gäbe. Jeder darf andere Personen mit der Durchsetzung seiner Forderung beauftragen, wenn er sich damit nicht selbst befassen will. Ein Inkassobüro hat schließlich keinerlei besondere Befugnisse, sondern stellt vielmehr nur einen Dienstleister dar. Der Beitragsservice, der die frühere Gebühreneinzugszentrale (GEZ) abgelöst hat, ist schon jetzt kaum etwas anderes als ein Inkassounternehmen, da er im Namen der jeweiligen Rundfunkanstalt den Beitrag einzieht. Formal wird er zwar meist als Abteilung der Anstalt selbst gesehen, seine (bereits im Namen angelegte) organisatorische Verselbstständigung zur Einzugsstelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio insgesamt löst ihn aber gerade von der einzelnen Landesrundfunkanstalt los.

Meldedaten dürfen nicht einfach weitergegeben werden

Ob es aber zulässig ist, dass sich dieser Beitragsservice nun seinerseits wiederum privater Dritte bedient, ist nicht ganz klar. Schließlich haben die Landesrundfunkanstalten Zugriff auf sehr sensible personenbezogene Daten, die ihnen unmittelbar von den Meldeämtern übermittelt werden. Dass die Meldeämter sämtliche Daten aus ihren Registern weiterleiten, ist nur mit der hoheitlichen Aufgabe der Rundfunkanstalten zu erklären. Unternehmen und Privatpersonen dürfen zwar auch auf Meldedaten zugreifen, aber eben nicht in der pauschalen Weise, dass sie über die Adresse jedes Bundesbürgers informiert werden wollen.

Zwar würde der Beitragsservice nicht einfach seinen gesamten Datenbestand weitergeben, aber zumindest diejenigen Datensätze, zu denen es aus seiner Sicht trotz Beitragspflicht noch keinen Zahlungseingang gibt - was je nach Intensität des gewählten Filters schnell mehrere Millionen Personendaten sein können.

Dementsprechend sieht § 11 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags umfassende Datenschutzregelungen vor:

  • Abs. 1 erlaubt die Datennutzung durch Dritte nur zur Durchführung des Beitragseinzugs (mehr dazu gleich) sowie zur Ermittlung von Beitragsschuldnern.
  • Abs. 2 regelt die Tätigkeit des Beitragsservices selbst und schreibt hierfür einen Datenschutzbeauftragten vor.
  • Abs. 3 behandelt den Datenaustausch zwischen den Rundfunkanstalten.
  • Abs. 4 sieht vor, dass die Rundfunkanstalt Daten von Dritten einholen darf.
  • Abs. 5 schließlich beschränkt die Datenverwendung durch die Anstalten selbst und regelt die Aufbewahrungsdauer.

Regelung in Beitragssatzung ist möglicherweise nicht ausreichend

Keine dieser Vorschriften erlaubt die Weitergabe von Personendaten an private Dritte wie Inkassobüros. Die Beitragssatzungen, die nun dafür herangezogen werden, dürfen eine derartige Regelung gar nicht treffen, da deren Grundlage, § 9 Abs. 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags, nichts dazu sagt. Zulässig sind hier nur Regelungen für die eigens aufgezählten Themen. Und die Datenweitergabe ist weder eine Bestimmung zur Leistung des Rundfunkbeitrags (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) noch zur Kontrolle der Beitragspflicht (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4), sondern schlicht eine Modalität der Beitragsdurchsetzung.

Auch die scheinbar genau hierauf zugeschnittene Regelung in § 10 Abs. 7 Satz 2 RBStV ist nicht ausreichend. Danach können "einzelne Tätigkeiten bei der Durchführung des Beitragseinzugs" auf Dritte verlagert werden. Mögliche solche "Dritte" sollen nach der Gesetzesbegründung gerade Inkassobüros sein. Die Übergabe der Forderung zur Beitreibung ist aber gerade keine "einzelne Tätigkeit" mehr, sondern dient der Durchsetzung der Beitragspflicht an sich. Den gesamten Einzug darf die Rundfunkanstalt aber nach dem klaren Wortlaut nicht aus der Hand geben, auch nicht bei vermeintlich säumigen Zahlern.

Davon abgesehen müsste man schon ganz erhebliche Zweifel daran haben, ob ein erheblicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) wie die Weitergabe automatisiert erfasster Meldedaten überhaupt durch eine einfache Satzung angeordnet werden könnte.

Grundrechtseingriffe bedürften stets einer gesetzlichen Grundlage; eine solche sind aber nur Vorschriften im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag selbst, der durch die Zustimmungsbeschlüsse der Landtage zum Landesgesetz wird.

Gerichtliche Klärung zu erwarten

Und schließlich regelt die Satzung insoweit nicht Einzelheiten eines im Vertrag schon angelegten Verfahrens, sondern verkehrt vielmehr die dort angelegten Datenschutzvorschriften in ihr Gegenteil, indem plötzlich ganz andere Datenverwendung erlaubt wird. Dies verstößt also gegen das höherrangige Gesetzesrecht.

Ob das alles so zulässig ist, wird sich zeigen. Die Sache wird, falls die Rundfunkanstalten tatsächlich anfangen sollten, in größerem Stil Inkassobüros zu beauftragen, sehr bald vor Gericht landen. Wie die Rechtsprechung das entscheiden wird, kann man schwer vorhersagen. An der Rechtmäßigkeit bestehen jedenfalls schon auf den ersten Blick ganz erhebliche Zweifel.

Fragen rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und insbesondere den Rundfunkbeitrag behandle ich regelmäßig auf der Seite www.gez-faq.de.

Leserkommentare
von Volkerhh am 02.01.2017 17:00:38# 1
Ist es nicht schon längst jedem bekannt, dass der Beitragsservice eine nicht rechtsfähige Organisation ist und daher keinerlei rechtsverbindliche Handlungen vornehmen kann (die dann Grundlage für Repressalien sind) auch dann nicht, wenn er dazu beauftragt wird oder Vertragliche Vereinbarungen bestehen wie etwa im §2 d) der Verwaltungsvereinbarung zwischen den Anstalten und dem BS. Nicht rechtsfähig ist und bleibt nicht rechtsfähig. Im Übrigen gibt auch der Pressesprecher des BS im in einer Pressemitteilung zu der neuen Inkassobeauftragung zu, dass der BS Verwaltungsakte erlässt. Nach meiner Meinung ist das schon Strafrechtlich relevant, da hier ohne rechtliche Kompetenz amtliche Urkunden in den Rechtsverkehr gebracht werden. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies den Behörden nicht selbst bekannt ist bzw. sie nicht schon mehrfach von Betroffenen darauf hingewiesen wurden. Somit würde Vorsatz vorliegen.
Auch dass die privaten TV Sender mit lediglich öffentlichem Auftrag nach der Maßgabe des Artikel 24 GG keinerlei Hoheitsrechte inne haben können, die ihr Handeln legitimierten, spricht sich immer mehr herum.
Bei einem Blick in die Abgabenordnung § 249 bis §251, die Grundlage für das Handeln der Vollstreckungsbehörden ist, wird deutlich, dass die Vollstreckungsbehörden wie Finanzamt oder Stadtkassen nicht für TV Sender tätig werden dürfen. Das dürfen sie nur für andere Vollstreckungsbehörden die wiederum im § 249 explizit namentlich genannt sind. TV Sender gehören nicht dazu. Das deckt sich mit dem Artikel 35 GG der Amtshilfe nur Behörden gestattet. TV Sender sind aber auf Grund der Staatsferne keine Behörden. Genau das stellt des Tübinger LG mit Beschluß vom 16.9.2016, 5 T 232/16 fest. (Wie im Übrigen auch schon früher das BVerfG in einem seiner Rundfunkurteile bemerkte)
Das dürfte eher der Grund für Inkasso sein. Ich denke die Gerichte und Behörden werden langsam unruhig so offenkundig und medienwirksam gegen geltendes Recht und den Willen des Volkes zu urteilen. Wie hilflos auch das BVerwG seine Urteile begründet, kann jeder nachlesen.

    
von Harley Bavo am 02.01.2017 19:08:07# 2
Interessant ist jeder Vertrag oder Verein , kann man kündigen oder austreten ,
nur aus GEZ nicht ?
    
von Volkerhh am 02.01.2017 22:43:45# 3
Man wird nicht nur eingetreten und zwar zwangsweise, was einem zu der Frage bringt warum man überhaupt angemeldet werden muss wenn doch alles "per Gesetz entsteht". Wie manche Gerichte es formulieren.
Nein, man setzt sich auch über Artikel 6 der Menschenrechte hinweg zu denen sich unser Grundgesetz (und die Landesverfassungen) bekennt und dies als Privatautonomie aufnimmt die sich ebenso in den Verwaltungsgesetzen im Verbot zu Verträgen zu Lasten Dritter und im BGB fortsetzt. Und das alles fegt ein Landesgesetz davon.
Wenn man erkennt, dass das gesamte Konstrukt, mindestens doch in Teilen gegen geltendes Recht verstößt greifen noch andere Menschenrechte wie zB Artikel 9 der Menschenrechte, sind doch schon mindestens 1 Bürger im Rahmen des GEZ-Tuns ihrer Freiheit beraubt worden. Offenbar gibt es auch keinen wirksamen Rechtsbehelf wie ihn Artikel 8 vorschreibt. Denn so offenkundig die Rechtsverstöße auch sind, die TV Sender bekommen immer Recht. Auch ins BVerfG habe ich da kein Vertrauen mehr. Die TV Sender sind nicht nur to big to fail, sondern auch zu wichtig um "vorzuschreiben" wie Geschehnisse zu sehen und zu werten sind. Dies nennt man Deutungshoheit.
Rund 80 ÖR Sender braucht man nicht wirklich für eine Grundversorgung, das müsste jedem klar sein, sondern nur um den Markt zu beherrschen. Wenn man etwas nur oft genug hört, dann glaubt man es.. so auch die Kritik der etablierten Politik über die News-Algorithmen bei Facebook und co Das ist beim ÖR nicht anders.
    
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