Neues aus Absurdistan: Finanzverwaltung erfindet das Zwei-Bindestrich-Land

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Wie sich eine Oberfinanzdirektion selbstständig macht

Man könnte es fast für einen Aprilscherz halten, hätte er nicht schon im Mai 2013 seinen Lauf genommen. Am 19.05.2013 entschied der Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, er wolle seine Steuerverwaltung optimieren. Und so erließ er eine Verordnung, die sagte: "Ich mache aus 2 nun 1". Sprach's und so sollten die Oberfinanzdirektionen Münster und Rheinland fusionieren. So eine Hochzeit gibt natürlich auch einen gemeinsamen Familiennamen ab und es wurde - oh Wunder - eine "Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen" erschaffen. Eine Behörde für ein Land, ein staatstragender Name. Was will man mehr?

Vielleicht mehr Oberfinanzbezirke?

Ja, das war eine tolle Idee. Denn natürlich gehört zu jeder Oberfinanzdirektion ein Oberfinanzbezirk als Zuständigkeitsbereich. Aber weil die neue Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen eine ganz besondere Behörde ist, soll sie nicht nur einen Bezirk haben. Sie wird bestimmt stärker, wenn wir ihr zwei, ach was sage ich, drei Bezirke an die Hand geben.

Nun kann sich auch ein Land wie Nordrhein-Westfalen nicht einfach vergrößern. Aber man kann ja mit Trick 17 aus einem Bundesland drei Bezirke machen und schon ist der Präsident der Oberfinanzdirektion für ganz viele Bezirke zuständig. Das kommt bestimmt gut bei den Kollegen an.

Eine Idee gegen das Gesetz

Bei den Kollegen vielleicht. Aber auch bei dem Gesetzgeber? Der Bundesgesetzgeber hat schließlich Rahmenbedingungen für die Finanzverwaltung im Finanzverwaltungsgesetz (FVG) vorgegeben. Und da können einem glatt Zweifel kommen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte ursprünglich von einer Regelung des § 7 Abs. 2 i.V.m. § 8a Abs. 1 S. 2 FVG Gebrauch gemacht, wonach einer

"Oberfinanzdirektion [...] auch die Leitung der Finanzverwaltung eines Landes für mehrere Oberfinanzbezirke übertragen werden [kann]"
.

Nun wurde aber just diese Verordnung bei der Fusion aufgehoben.

Egal? Dann schreiben wir es in eine andere Verordnung. Da wäre noch die Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter (Finanzamtszuständigkeitsverordnung – FA-ZVO NRW) vom 17.06.2013.

Sie wurde knapp einen Monat nach der Fusions-Verordnung überarbeitet und spricht einfach - Fusion hin oder her - weiter von den bisherigen Oberfinanzbezirken Düsseldorf, Köln und Münster.

Ob man das darf? Im Landtag in Düsseldorf oder gar beim Bundesgesetzgeber in Berlin hat wohl niemand nachgefragt.

Denn dann hätte vielleicht ja jemand zurückgemeldet, dass für § 8a Abs. 3 FVG kein Raum sein kann, es gibt nämlich nach der Fusion keine "andere Oberfinanzdirektion" mehr. Der Anwendungsbereich setzt sprachlich wie denklogisch aber doch gerade die Existenz mehrerer Oberfinanzdirektionen voraus. Nur dann können Aufgaben von einer Oberfinanzdirektion auf eine andere verlagert werden. Gibt es aber nur noch eine Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen, scheidet eine derartige Verlagerung aus.

Hilft eine andere Vorschrift? Nein, auch unmittelbar auf § 7 Abs. 2 FVG kann die Einrichtung oder Aufrechterhaltung mehrerer Oberfinanzbezirke nicht gestützt werden. Denn der Gesetzgeber gestattet nur die Bestimmung eines Bezirks und eines Sitzes.

Gut, das hat man vielleicht beim Erstellen der Fusions-Verordnung gelesen und hat dann aber schnell wieder alles in die Schublade geräumt und mit einem weißen Blatt die Verordnung gestaltet. Mit drei Bezirken und zwei Sitzen. Und weil die Nordrhein-Westfalen so ein selbstbewusstes Völkchen sind, schreiben sie den Verstoß gegen das Bundesrecht auch direkt in die Präambel der Verordnung zur Neuorganisation der Oberfinanzdirektionen in Nordrhein-Westfalen vom 19.05.2013: "Mittelbehörde mit Sitzen in Köln und Münster".

Aber wozu das Ganze?

Und so hat NRW nun seit bald zwei Jahren eine Behörde mit zwei Sitzen und drei Bezirken. Die Oberfinanzdirektion regiert in ihrem eigenen Zwei-Bindestrich-Land: Düsseldorf-Köln-Münster.

Das lässt sich vortrefflich ausnutzen, zum Beispiel, weil Beförderungen von Beamten nun fein säuberlich nach Listen getrennt werden. Dann muss man sich nicht die Mühe machen, die Bestenauslese, die die Verfassung in Art. 33 GG fordert, für das ganze Land durchzuführen.

Eigentlich ganz praktisch, wenn man sich seine Welt so zurecht legt - oder?

Komisch nur, dass bislang niemand die Praxis der Finanzverwaltung kritisch hinterfragt hat. Dabei wirkt das Vorgehen doch merkwürdig...

Leserkommentare
von Hank am 02.04.2015 10:11:18# 1
Könnte man Bescheide der Behörde deswegen anzweifeln?
    
von Rechtsanwalt Robert Hotstegs am 02.04.2015 11:00:26# 2
Ein Bescheid der OFD NRW ist (leider) nicht grundsätzlich falsch, nur weil ich die Wahl von zwei Sitzen für rechtswidrig halte. Aber es stellt sich zum Beispiel die Frage: wenn die OFD NRW einen Bescheid erlässt. Vor welchem Gericht klage ich dann?

Bei Steuerangelegenheiten würde sich gem. § 38 Abs. 1 FGO die Zuständigkeit eben nach dem Sitz der Behörde richten. Münster oder Köln? Und wenn die Sitzregelung rechtswidrig ist, hat die Behörde dann keinen Sitz im Sinne des § 38?

Das gleiche gilt in allgemeinen Verwaltungsangelegenheiten. Dort kommt die Frage allerdings deutlich seltener vor. Denn nur, wenn der Adressat des Bescheides außerhalb von NRW wohnt / seinen Sitz hat, käme die Regelung von § 52 Abs. 5 VwGO zum Zuge, die dann wieder nach dem Sitz der OFD NRW fragt. siehe oben...

Robert Hotstegs
Rechtsanwalt
    
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