Ausschluss der „Ultras" aus dem Fußballstadion

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Ist der Ausschluss von unerwünschten Fangruppen aus einem Stadion rechtlich möglich?

Als in Hannover ansässiger Anwalt und Fußballfan bieten sich derzeit ungewohnte rechtliche Schauspiele. Der Streit zwischen aktiver Fanszene und dem Präsidenten von Hannover 96 gipfelte jüngst in der Andeutung des Vereins, die "Ultras" gegebenenfalls aus dem Stadion zu verbannen, indem ihnen in der kommenden Saison keine Tickets mehr verkauft würden. Da stellt sich die Frage, ob das rechtlich möglich ist. Automatische Antwort vieler – "Klar, ich kann doch Tickets für meine Veranstaltung verkaufen an wen ich will!". Aber so klar ist es meines Erachtens nicht.

Gilt die Privatautonomie auch bei Stadionbesuchen?

Grundsätzlich gilt natürlich die Privatautonomie als Ausdruck der verfassungsrechtlich gewährten Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit (Art. 1 GG). Grundsätzlich darf ich also Verträge schließen, mit wem ich will. Gesetzliche Ausnahmen bestehen in Form eines so genannten Kontrahierungszwangs, also einer Pflicht zum Abschluss von Verträgen. Die gilt für Bereiche der Daseinsvorsorge wie etwa bei Energieversorgern, Verkehrsbetrieben oder auch Apotheken. Unter diese Bereiche fällt der Besuch zwar subjektiv für nicht wenige, objektiv aber sicherlich nicht. Also doch völlige Freiheit der Kundenauswahl? Nein, zum einen gibt es Antidiskriminierungsgesetze, wie etwa das AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz). Hiernach darf keine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei einer vertraglichen Angelegenheit stattfinden (§ 19 AGG). Aus diesen Gründen dürfte also eine Verweigerung des Eintritts zum Stadion nicht stattfinden. Augenscheinlich geht es aber wohl auch eher um lästige, im Stadion schweigende, nicht jubelnde oder auf den Präsidenten schimpfende Kritiker. Also, keine Einschlägigkeit des AGG.

Nicolas Reiser
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Nun hilft nach langer Rede der BGH (BGH V ZR 253/08). Dieser hat zum Thema Stadionverbote nämlich entschieden, dass zwar grundsätzlich Privatautonomie auch beim Stadionbesuch gegeben sei, "der Veranstalter in Ausübung der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Vertragsfreiheit grundsätzlich jedermann – gegen Bezahlung – den Zutritt zu dem Stadion" gewähre. Wolle der Veranstalter hiervon abweichen, so müsse er dabei jedoch die Grundrechte seiner potentiellen Kunden beachten, nämlich deren allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gleichbehandlung.

Und das führe dazu, dass der Veranstalter gerade nicht unbeschränkt frei entscheiden könne. Er dürfe nicht willkürlich Personen ausschließen, sondern brauche dafür einen sachlichen Grund. Dieser besteht laut BGH dann, wenn "aufgrund objektiver Tatsachen, die Gefahr besteht, dass künftige Störungen durch die betreffende Person" zu erwarten sind. Also geht es um Störer, "die die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf von Großveranstaltungen wie einem Liga-Fußballspiel gefährden können". Dieser Grundsatz kann nicht nur für Stadionverbote als Hausverbote gelten, sondern er gilt auch für eine Verweigerung des Ticketverkaufs aus anderen Gründen.

Ein sachlicher Grund ist bei den Hannöverschen "Ultras" allerdings nicht erkennbar. Offene Kritik, Stimmungsboykott und Klagen gegen den Verein oder den Präsidenten dürften nicht ausreichen. Hinzu kommt, dass für jeden Besucher individuell ein Grund vorliegen müsste, ein pauschaler Ausschluss der Gruppe "Ultras" ist daher nicht ohne Weiteres möglich. Bei Beleidigungen könnte es im Einzelfall anders aussehen, auch wenn unklar ist, ob dadurch die Sicherheit oder der reibungslose Ablauf gestört wird. Doch auch diese müssten konkret zugeordnet werden.