Neue Regeln für die Zusammenarbeit von Leistungserbringern bei Hilfsmitteln

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Seit dem 1.4.2009 gelten neue Vorschriften in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern untereinander. Mit der Neufassung des § 128 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstruktur (GKV-OrgWG) in der gesetzlichen Krankenversicherung möchte der Gesetzgeber „deutlichen Hinweisen auf Fehlentwicklungen in der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten" entgegenwirken (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu den Drucksachen 16/9559, 16/10070, Drucksache 16/10609 vom 15.10.2008, S. 73). Gemeint sind sog. „Kick-Back-Vereinbarungen", die auch für beteiligte Vertragsärzte wegen des Verbots in der ärztlichen Berufsordnung und vor dem Hintergrund des Wettbewerbsrechts problematisch werden können. Die beteiligten Leistungserbringer von Hilfsmitteln können sogar für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden.

In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten äußerst vielfältig und die Kreativität fast grenzenlos; nicht selten wurden "Beraterverträge", "Studienaufträge" oder "Lager- und Bereithaltungsverträge" vereinbart, um Zuwendungen ein rechtliches Fundament zu liefern. § 128 SGB V hat das Ziel, gerade diese „Geschäfte" zu unterbinden.

Die Änderungen sind gemäß Artikel 7 Absatz 6 GKV-OrgWG mit Wirkung zum 1.4.2009 in Kraft getreten. Nach der Gesetzesbegründung sind die straf-, berufs- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften in der Praxis ungeeignet gewesen, „fragwürdige Formen der Zusammenarbeit" zu verhindern. In § 128 SGB V finden sich dementsprechend teilweise Wiederholungen von Regelungen, die sich ohnehin schon aus anderen Rechtsquellen, insbesondere dem ärztlichen Berufsrecht, ergeben. Der Gesetzgeber geht aber über den Regelungsgehalt dieser Vorschriften teilweise deutlich hinaus.

Seit dem 1. April 2009 sind Leistungserbringern sämtliche Zahlungen und Zuwendungen an Vertragsärzte im Zusammenhang mit der Hilfsmittelversorgung untersagt. Krankenkassen sind verpflichtet, die jeweils zuständige Ärztekammer zu informieren, wenn Vertragsärzte auf vertraglicher Grundlage an der Durchführung der Hilfsmittelversorgung mitwirken, damit die berufsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden kann. Krankenkassen sollen auch melden, wenn sie Auffälligkeiten feststellen, die auf eine Zuweisung von Versicherten an bestimmte Leistungserbringer oder sonstige unzulässige Praktiken hindeuten. Mit diesen Regelungen sollen Interessenskonflikte der verordnenden Vertragsärzte und Anreize für Fehlverhalten der Beteiligten zum Nachteil der Versicherten und der Solidargemeinschaft soweit wie möglich verhindert werden.

Die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte über Depots bei Vertragsärzten ist jedoch zulässig, soweit es sich um Hilfsmittel handelt, die zur Versorgung in Notfällen benötigt werden oder sofern Vertragsärzte auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen mit Krankenkassen über die ihnen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung obliegenden Aufgaben hinaus an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln mitwirken. Im letzten Fall sind die zusätzlichen Leistungen unmittelbar von den Krankenkassen an die Vertragsärzte zu vergüten. Damit soll die Zusammenarbeit transparenter gemacht werden.

Der Gesetzgeber hat damit für den Bereich der Hilfsmittelversorgung strengere Regeln aufgestellt als die Rechtsprechung dies bisher in berufsrechtlicher Hinsicht getan hatte.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Produktabgabe von Ärzten nämlich nicht nur in Notfällen, sondern auch dann für zulässig erachtet, wenn es sich um Einweisung-, Schulungs- oder Kontrollmaßnahmen gehandelt hat. Diese Rechtsprechung ist für Hilfsmittel jetzt nun nur noch im rein privatärztlichen Bereich anzuwenden.

Fraglich ist, ob die Regelung des § 128 Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht zu sehr in die Grundrechte der Ärzte nach Artikel 2 und Artikel 14 GG eingreift. Die Regelung könnte nämlich mit ärztlichem Berufsrecht, das der Kompetenz des Sozialgesetzbuchgesetzgebers entzogen ist, kollidieren. In den Fällen, in denen gewerbliche Tätigkeiten im Rahmen einer therapeutischen Behandlung dem Patienten konkret dienen und seiner Behandlung nützlich sind, darf der Arzt unter strengen Voraussetzungen an der Abgabe von medizinischen Produkten bestimmter Hersteller beteiligt sein. Der Bundesgerichtshof beschreibt diesen eng begrenzten, im Rahmen des heilberuflichen Tätigwerdens erlaubten Ausnahmetatbestand als „verkürzten Versorgungsweg" (BGH, Urteil vom 29.06.2000, MedR 2001, 2003; Urteil vom 15.11.2001, MedR 2002, S. 256). Der BGH hat die Zulässigkeit des verkürzten Versorgungswegs bislang für die Abgabe von Hörgeräten bejaht und von Diabetes-Teststreifen verneint (BGH, Urteil vom 02.06.2005, MedR 2005, S. 717). Das OLG Frankfurt hat die Unzulässigkeit für Nahrungsergänzungsmittel, das OLG Stuttgart jüngst für Vitaminpräparate und das OLG Koblenz für Rippenbandagen festgestellt. Das OLG Celle hat zu der Frage der erlaubten Abgabe von Brillen durch Augenärzte an ihre Patienten Stellung genommen und die Abgabe im Rahmen des verkürzten Versorgungswegs für zulässig befunden (OLG Celle, Urteil vom 21.12.2006, MedR 2007, S. 435 ff.).

Auch erscheint die Sanktionsmöglichkeit als rechtlich nicht unproblematisch. Indem die Krankenkassen Verstöße sanktionieren dürfen, werden sie eine Rolle gebracht, die Ihnen eigentlich nicht zusteht: die des gesetzlichen Richters.

Falls Sie Fragen zur Zusammenarbeit von Leistungserbringern haben, sollten Sie sich jedenfalls um eine qualifizierte anwaltliche Interessenvertretung bemühen. Vertragsärzte müssen bei ihrer unzulässigen Beteiligung mit disziplinarrechtlichen und berufsrechtlichen Maßnahmen seitens ihrer Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer sowie mit wettbewerbsrechtlichen Vorgehen der Konkurrenz rechnen. Die beteiligten Leistungserbringer von Hilfsmitteln können sogar für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden.

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