Aufklärungspflicht über erhöhtes Risiko einer zweiten Schilddrüsen-Operation

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Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln hat der behandelnde Arzt vor einer zweiten Schilddrüsen-Operation (Rezidivstrumektomie) über das im Vergleich zur Erstoperation deutlich erhöhe Risiko einer dauerhaften Schädigung des Nervus laryngeus recurrens (Rekurrensparese), der die Bewegungsanweisungen für die inneren Kehlkopfmuskeln vom Gehirn zum Kehlkopf bringt und so vor allem für die Stimmgebung wichtig ist, aufzuklären.

Die Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung obliegt der Behandlerseite. Der sodann von der Patientenseite nachzuweisende Entscheidungskonflikt sei dann plausibel dargelegt, wenn er sich darauf beruft, er hätte sich in Kenntnis des erhöhten Risikos zunächst nur auf einer Seite operieren lassen, um den Behandlungsverlauf abzuwarten. Das Vorbringen einer hypothetischen Einwilligung, der Patient hätte sich ohnehin operieren lassen, hat das OLG nicht gelten lassen.

Nach einer subtotalen Schilddrüsenresektion kam es in den Folgejahren erneut zu einem Schilddrüsenwachstum und infolgedessen zu einer Einengung der Trachea verbunden mit einer Atemnot bei Belastungen. Daher wurde im Hause der Beklagten eine Rezidivstrumektomie beidseits durchgeführt und es kam zu einer Schädigung beider Nervi recurrentes (Stimmnerven) mit bleibender Stimmbandlähmung. Die Klägerin macht gegen die Beklagten (das Krankenhaus und den Chefarzt der Chirurgie) Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche mit der Behauptung geltend, der beklagte Chefarzt habe es fehlerhaft unterlassen, den Stimmennerv intraoperativ darzustellen und die Operation hätte beidseits nicht in einer Operation erfolgen dürfen. Auch sei die Vorbereitung der Operation und die Operation selbst fehlerhaft durchgeführt worden. Letztlich sei auch die Aufklärung über die Risiken unzureichend gewesen.

Das Gericht der ersten Instanz stellte einen groben Behandlungsfehler fest und sprach der Klägerin über den bereits geleisteten Betrag in Höhe von 10.000,00 Euro hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € zu. Die Berufung der Beklagten war in der Sache nicht begründet. Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass eine wirksame Einwilligung in die Operation nicht vorgelegen hatte. Die Patienteneinwilligung sei nur dann wirksam, wenn eine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgt sei, woran es vorliegend fehlte.  Ob darüber hinaus auch schadensursächliche Behandlungsfehler vorliegen, ließ das Berufungsgericht offen.

Das Berufungsgericht betont, dass die Aufklärung als Grundlage des Selbstbestimmungsrechts dem Patienten aufzeigen soll, was der Eingriff eine seine persönliche Situation bedeuten kann. Er soll die Art und Schwere des Eingriffs erkennen und ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des konkreten Risikospektrums gewinnen können. Die Risiken dürfen nicht dramatisiert, aber auch nicht verharmlost werden. Dem wurde im dem vom Gericht zu entscheidenden Fall die dokumentierte Aufklärung nicht gerecht, weil sie lediglich die Risiken einer Kropfoperation bei einer Erstoperation beinhaltete. Bei einem Ersteingriff stellen sich die Risiken jedoch anders dar. Während nach Ersteingriffen die Häufigkeit von permanenten Rekurrensparesen bei 0,5 bis 1,5 % liegt, ist dieser Faktor bei Rezidivoperationen um den Faktor 10 bis 20 aufgrund der Vorschädigung des Operationsgebietes erhöht. Darüber hätte die Klägerin aufgeklärt werden müssen.

Auch lagen die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung nicht vor. Die Klägerin räumte zwar ein, dass sie sich einer derartigen Operation im Hinblick auf die Atemnot unterzogen hätte, jedoch nicht im Haus der Beklagten und nicht innerhalb einer Operation. Gerade letzteres Vorbringen überzeugte das Berufungsgericht, weil die Operation der linken Seite, nicht jedoch die rechte eilbedürftig war. Im Hinblick darauf wäre ein Warten hier plausibel gewesen, um den Operationsverlauf abzuwarten.

Der Entscheidungskonflikt lag geradezu auf der Hand: Je gefährlicher ein Eingriff ist, desto eher neigen Patienten zu einer Erkundigung vorab in anderen Kliniken, die über möglichst umfassende Erfahrung in Bezug auf den bevorstehenden Eingriff haben.  Das von der Beklagten vorgebrachte Vertrauen der Klägerin steht dem nicht entgegen, weil Vertrauen die Grundvoraussetzung für die Behandlung überhaupt ist (OLG Köln, Az. : 5 U 135/07).

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