Braucht Mediation immer einen Konflikt?

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Braucht Mediation immer einen Konflikt?

Präventive Streitschlichtung im Bereich der Unternehmensnachfolge

Mediation bedeutet außergerichtliche Streitschlichtung; Mediation stellt also nach der gängigen Definition ein Verfahren zur Konfliktlösung zur Verfügung. Das klingt so, als würde die Mediation denknotwendigerweise einen Streit oder zumindest einen Konflikt voraussetzen. Aber muss das immer so sein? Und was genau hat Mediation mit Unternehmensnachfolge zu tun?

In der gerichtsnahen Mediation, also in den Verfahren, die überhaupt erst dadurch in Gang gesetzt werden, dass eine der Parteien eine Klage eingereicht hat, liegt der Konflikt auf der Hand. Aber auch im Bereich der gerichtsfernen Mediation, also auf dem freien bzw. freiberuflichen Markt der Mediatoren, werden sich selten Menschen zusammenfinden, die einfach mal so eine Mediation machen wollen. Auch dort ist ein handfester Streit oder zumindest wenigstens ein klitzekleiner Konflikt der Auslöser, einen Mediator aufzusuchen. Am meisten ist die Mediation sicherlich verbreitet im Bereich der Familienmediation. Insoweit dürfte sich mittlerweile auch bis zum letzten trennungswilligen (Ehe-) Paar herumgesprochen haben, dass das herkömmliche Trennungs- oder Scheidungsverfahren oft damit verbunden ist, dass viel schmutzige Wäsche gewaschen wird, sich gegenseitig verletzt wird und das Ganze dazu noch eine Menge Geld kostet. Insbesondere dort, wo Kinder im Spiel sind, gehen daher mehr und mehr Paare, bei denen die Trennung unausweichlich erscheint, lieber zu einem Mediator denn zu einem Anwalt. Und auch im Wirtschaftsbereich scheint die Mediation als schnelleres und kostengünstigeres Verfahren für Streitigkeiten zwischen oder innerhalb von Unternehmen so ganz langsam Einzug zu halten.

Melanie Meier
Rechtsanwältin
Gadderbaumer Straße 3, Adenauerplatz
33602 Bielefeld
Tel: (0521) 32 99 66 - 00
Web: http://www.recht-mal-anders.de
E-Mail:
Erbrecht, Insolvenzrecht, Mediation, Zivilrecht, Verkehrsrecht

Hier wie dort, im Familienbereich wie auch im Wirtschaftsbereich, bleibt der Konflikt, wenn auch mit unterschiedlichen Zielrichtungen, der Anlass, einen Mediator aufzusuchen. Aber gibt es nicht auch solche Situationen, in denen zwar (noch) kein Konflikt vorliegt, die aber derartig konfliktträchtig sind, dass es sinnvoll erscheint, schon im Vorfeld mit mediativen Verfahren zu arbeiten? Schon zu Beginn einer Gesellschaftsgründung sind beispielsweise spätere Konflikte zwischen den Gesellschaftern vorprogrammiert.

Aber sicherlich eine der kofliktträchtigsten Grundsituationen findet sich bei der Betriebsübergabe eines Unternehmens an die nächste Generation. In diesem Fall treffen wirtschaftliche Interessen zusammen mit persönlichen und familiären Interessen und nicht zuletzt mit den allseits bekannten Problemen des so genannten Generationenkonfliktes. Und genau hier könnte eine Form der präventiven Mediation ansetzen.

Nehmen wir einmal den Regelfall der Betriebsübergabe. Leider passiert es immer noch allzu oft, dass die Nachfolge überhaupt nicht geregelt ist. Daneben gibt es natürlich auch die mehr oder weniger gut durchdachten Betriebsübergaben, die schon zu Lebzeiten organisiert werden. Entweder beschließt der Senior irgendwann von selbst, seine wirtschaftliche Existenz für die nachfolgende Generation zu erhalten oder auf Druck der Sprösslinge wird ein Betrieb mehr oder weniger freiwillig überschrieben. In der Regel erfolgt die Übergabe dann durch notarielle Übertragung. In vielen Fällen wird ein solcher notarieller Vertrag zusätzlich vorbereitet von einem oder mehreren Rechtsanwälten. Und an genau dieser Stelle liegt das Potential der präventiven Mediation.

Aber was genau kann die Mediation oder der Mediator, was die konventionelle Übertragungsmöglichkeit nicht kann? Sicherlich ist der Notar eine neutrale, unparteiische Amtsperson, deren Aufgabe es ist, darauf zu achten, dass keine der Parteien benachteiligt wird. Aber reicht es bei einem solchen wichtigen Schritt, nur nicht benachteiligt zu werden? Meiner Meinung nach liegt nämlich noch ein großer Schritt zwischen „nicht benachteiligt werden“ und einer echten „Win-win-Lösung“. Auch glaube ich nicht, dass der Weg über einen Anwalt zu einer solchen „Win-win-Lösung“ führt. Denn in der Regel ist der Anwalt Parteivertreter, hat also die Interessen eben gerade einer Partei zu vertreten, zumeist derjenigen Partei, die zum Schluss die große Rechnung begleicht. Hier drängt sich also für eine der Parteien schnell der Verdacht der Parteilichkeit auf. Insbesondere ist dabei auch zu berücksichtigen, dass Anwälte in der Regel zwar darin geschult sind, „gerechte“ und „wirtschaftliche“ Lösungen zu finden, selten aber dazu ausgebildet wurden, die wirklichen Interessen zu hinterfragen oder auf die Ängste der Menschen einzugehen. Und genau hier liegt der Vorteil der Mediation und damit des Mediators.

Mediatoren werden dazu ausgebildet, die Dinge zu hinterfragen, die wirklich wichtigen Dinge zum Vorschein zu bringen und den Beteiligten ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das es ermöglicht, eigenverantwortliche Lösungen zu finden, die eben nicht nur die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen, sondern gerade daneben auch die persönlichen Interessen einbeziehen. Im Gegensatz zum Notar ist der Mediator nicht nur neutral, sondern darüber hinaus auch allparteilich. Der Mediator achtet damit nicht nur darauf, dass niemand benachteiligt wird, sondern vielmehr darauf, dass die Interessen eines jeden einzelnen gewahrt und umgesetzt werden.

Und wie genau könnte eine solche präventive Mediation ablaufen? Initiiert durch den Inhaber oder den potentiellen Nachfolger wird gemeinsam ein Mediator aufgesucht. Auch wenn grundsätzlich die Mediatoren aus dem sozialen Bereich ebenso gut oder vielleicht sogar besser ausgebildet sind als ein Anwaltsmediator, ist aufgrund der Komplexität der juristischen Belange im Rahmen einer solchen Betriebsübergabe auf jeden Fall der Anwaltsmediator einem nicht juristisch vorgebildeten Mediator vorzuziehen. Wichtig ist, dass bereits im ersten Gespräch alle Beteiligten anwesend sein sollten. Dazu gehören neben den unmittelbar beteiligten amtierenden und potentiellen Betriebsinhabern vielleicht auch die Lebenspartner und Kinder oder auch langjährige Mitarbeiter. Schon an dieser Stelle wird Ihnen der Mediator hilfreiche Tipps geben können bzw. die entscheidenden Fragen stellen, deren Antwort Ihnen dabei hilft, zu entscheiden, wer an dem Mediationsverfahren beteiligt werden sollte. Daneben sollten auch bereits beim ersten Gespräch alle wichtigen Zahlen und Fakten offen gelegt werden. So kann gemeinsam festgelegt werden, über welche Themen im einzelnen im Rahmen der Mediation entschieden werden soll. Bei Bedarf kann schon zu diesem Zeitpunkt auch der Entschluss getroffen werden, weitere Fachleute, wie z.B. einen Steuerberater, zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Im Anschluss daran sollten alle Beteiligten, vor allem auch der Mediator, genug Zeit haben, das eigentliche Mediationsverfahren vorzubereiten. Der Mediator wird sich mit den Zahlen und Fakten und den Gegebenheiten auseinandersetzen, gegebenenfalls weitere Informationen anfordern oder selber einholen. Die Parteien selbst haben ausreichend Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was ihnen wirklich wichtig ist. Bei Bedarf können auch die Einschätzungen von weiteren beteiligten Personen zwischenzeitlich eingeholt und ausgewertet werden.

Im Rahmen der eigentlichen Mediation, für die dann auch genügend Zeit eingeplant werden sollte, können dann alle für die Übergabe relevanten Themenfelder bestenfalls in einem Termin besprochen werden und jeweils eigenverantwortliche, zukunftsfähige Lösungen erarbeitet werden.

Das Mediationsverfahren selbst besteht aus fünf Phasen. Die erste Phase ist eine Einleitungsphase, in der die bereits genannten organisatorischen Fragen abgeklärt werden.

In der zweiten Phase, der Themensammlung, geht es daran, die Themen für die Mediationsverhandlungen zu sammeln und festzulegen. Dabei können und sollten neben der eigentlichen Betriebsübergabe auch gleichzeitig solche Themen wie General- und Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen, sog. Altenteilsregelungen oder Betriebsrentenregelungen, private Nachfolgeregelungen und nicht zuletzt auch besondere Bestattungswünsche thematisiert werden.

Die dritte Phase, die Erarbeitung der Interessen, ist das Herzstück der Mediation. In dieser Phase geht es darum, die wirklichen Interessen eines jeden einzelnen Beteiligten zu ergründen und offen zu legen. In diesem Stadium wird das oft verwandte „Das geht doch so nicht!“ umgewandelt in ein „Mir ist wichtig, dass dabei Folgendes beachtet wird…. .“. Der geschulte Mediator wird Ihnen bei der Herausarbeitung dieser Interessen hilfreich und unterstützend zur Seite stehen. Das Ergebnis wird Ihnen die Chance eines gegenseitigen Verstehens eröffnen. Immer wieder stellen Medianten in dieser Phase des Verfahrens fest, wie einfach die Dinge doch eigentlich sind und dass eigentlich alle Beteiligten die gleichen Wünsche und Ängste haben.

In der vierten Phase, der Lösungsfindung, werden mögliche Lösungen gesammelt und verhandelt. Hier kommen Verfahren wie das moderierte Brainstorming zum Einsatz. Es darf hemmungslos gesponnen werden. Je utopischer die Vorschläge, desto größer der spätere Ideenpool. Gestrichen werden kann nachher immer noch. Die gefundenen Lösungen werden einzeln mit den zuvor erarbeiteten Interessen abgeglichen und auf Realisierbarkeit und Nachhaltigkeit überprüft. Erst wenn alle Beteiligten mit einer Lösung zufrieden sind, ist diese Phase abgeschlossen.

Aufgabe des Anwaltsmediators ist es dann, diese gemeinsam gefundenen Lösungen in eine juristisch unangreifbare Form zu bringen. Und genau das ist dann die fünfte und letzte Phase der Mediation, die Abschlussvereinbarung. Und dann ist der Notartermin tatsächlich nur noch Formsache.

Auch wenn sich der Mensch naturgemäß mit allen diesen Themen eher ungern auseinandersetzt, werden Sie im Nachhinein feststellen, dass es sich mit einer gut geregelten Nachfolge doch besser schläft. Und wenn auch Ihnen die Vorstellung, den Betrieb, den Sie vielleicht mit viel Herzblut aufgebaut haben, einfach so abzugeben, noch Bauchschmerzen bereitet, dann sollten Sie umso mehr darüber nachdenken, statt den üblichen Weg zu gehen, vielleicht doch den Weg zu einem Mediator zu wagen. Und das ist selbstverständlich zunächst auch ohne Risiken und Nebenwirkungen möglich, denn letztendlich entscheiden nur Sie selbst, ob Sie den gemeinsam erarbeiteten Vertrag zum Schluss tatsächlich unterschreiben oder die wartenden Nachfolger weiter warten lassen.