Bundesgerichtshof entscheidet über das Widerrufsrecht bei alten Maklerverträgen über Immobilien

Mehr zum Thema: Vertragsrecht, Widerruf, Maklervertrag, Maklerprovision, Fernabsatzgeschäft, E-Mail, Telefon
4,11 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
9

Bislang unterschiedliche Rechtsprechung zum Widerruf bei Grundstücksmaklerverträgen

Der BGH wird am 07.07.2016 darüber entscheiden, ob ein per E-Mail oder telefonisch geschlossener Grundstücksmaklervertrag ein Fernabsatzgeschäft im Sinne von § 312b BGB a.F. darstellt und somit vom Käufer widerrufen werden kann. Es geht um zwei Verfahren:

Im ersten Verfahren (AZ.:I ZR 30/15) geht es um den Anspruch einer Immobilienmaklerin auf Zahlung einer Maklerprovision gegen den Immobilienkäufer.

Oberlandesgericht Schleswig und Jena verneinten Widerufsrecht

Das Oberlandesgericht Schleswig gab mit Urteil vom 22. Januar 2015 – 16 U 89/14 der Klage statt und verneinte das Widerrufsrecht des Käufers:

„Unter diesen Geschäftsumständen passt das vom Fernabsatzrecht bezweckte Widerrufsrecht für den Immobilienmaklervertrag nicht. Die Gewährung des Widerrufsrechts beruht auf der Erwägung, dass sich der Verbraucher vor dem Erhalt der Ware kein persönliches Bild von ihren Eigenschaften machen kann. Deshalb soll er die Möglichkeit haben, seine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung binnen zwei Wochen zu widerrufen, wenn die Ware nicht seinen Erwartungen entspricht. Diese „verlängerte Überlegungsfrist" soll garantieren, dass der Verbraucher nicht übervorteilt wird, indem etwa eine aufwändige Präsentation über die tatsächliche Qualität der Ware hinwegtäuscht und der Verbraucher hierdurch vorschnell zum Abschluss eines Vertrages bewogen wird. Ein solcher Schutz ist beim Immobilienmaklervertrag nicht angebracht. Es gibt hier keinerlei Zahlungsverpflichtung allein aufgrund der fernmündlichen „Bestellung". Die Entscheidung für den Abschluss des Hauptvertrages, in dessen Folge denn auch der Provisionsanspruch erst zur Entstehung kommt, beruht stets darauf, dass sich der Käufer – wie hier der Beklagte aufgrund verschiedener Besichtigungen – ein genaues Bild von der Ware gemacht hat, die er erwerben möchte, und sich daraufhin in voller Kenntnis des dadurch ausgelösten Provisionsanspruchs für die „Ware" entscheidet".

Auch im zweiten Verfahren (AZ.: I ZR 68/15) hat das OLG Jena, Urteil vom 04.03.2015 - 2 U 205/14 gegen den Käufer entschieden und ihn auf Zahlung der Maklerprovision verurteilt.

BGH soll Klarheit bezüglich Anwendung des Widerrufsrechts bei alten Maklerverträgen schaffen

Die Entscheidung des BGH wird einige Klarheit zur Frage des Widerrufsrechts bei alten Maklerverträgen über Immobilien schaffen, die momentan von der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird.

So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 13. Juni 2014 – I-7 U 37/13 dem Käufer Recht gegeben:

„Auf das streitgegenständliche Schuldverhältnis ist § 312b BGB in der Fassung anzuwenden, die bis 22.02.2011 gültig war. Der Maklervertrag kam als Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zustande. Die Beklagte handelte bei Abschluss des Maklervertrages als Verbraucher und der Kläger als Unternehmer. Der Vertragsschluss erfolgte zwischen den Parteien unter ausschließlicher Verwendung von Telekommunikationsmitteln im Sinne des § 312b Abs. 2 BGB a.F., weil Angebot und Annahme über E-Mails ausgetauscht wurden. Die Argumentation des Landgerichts, ein Vertriebs- oder Dienstleistungssystem, das für den Fernabsatz organisiert sei, liege nicht vor, überzeugt nicht. Denn aufwendige Maßnahmen sind für eine solche Organisation gar nicht erforderlich. Es wird als ausreichend angesehen, wenn wie hier eine Webseite im Internet unterhalten wird mit Bestellmöglichkeiten per Telefon, Telefax oder E-Mail".

Auch die europarechtlichen Bestimmungen sprechen dafür, dass es sich beim Online-Maklervertrag um einen Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b BGB handelt, die man dann widerrufen darf. Denn die einschlägigen Bestimmungen des BGB beruhen auf der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011. In dem dortigen Erwägungsgrund Nr. 26 heißt es ausdrücklich:

„Dienstleistungsverträge … wie auch Verträge über Dienstleistungen von Immobilienmaklern und über die Vermietung von Räumen für andere als Wohnzwecke sollten unter diese Richtlinie fallen".