"Schiri, wir wissen wo Dein Auto steht.. ."

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".. .fahr Bus und Bahn, Bus und Bahn!" Das heimische Publikum bei Sportereignissen ist gnadenlos. Und in der Regel nicht wirklich objektiv. Dies ist keine neue Erkenntnis, denn genau darin liegt ja auch die Eigenart eines Heimspiels - die unbedingte Unterstützung durch die Fans, komme, was wolle. So wird im Fußball grundsätzlich gepfiffen und gebuht, wenn ein Spieler der eigenen Mannschaft auf dem Boden liegt, auch wenn man von seinem Tribünenplatz aus nichts, aber auch rein gar nichts sehen konnte. Er liegt, also war es ein Foul durch den Gegner. Ganz klare Sache, völlig normal, gang und gäbe.

Nur der Schiedrichter, der "unparteiische", der sollte objektiv sein. Er darf sich nicht beeinflussen lassen vom Publikum. Stoisch, unbeirrbar und unbestechlich sollte er sein Urteil fällen. Wie ein Richter vor Gericht, wie Geschworene in einer Jury. Keiner der (Sport-) Parteien zugewandt, sondern ein unverfänglicher und nicht subjektiver Richter. "Idealerweise sollte ein Schiedsrichter die Redlichkeit eines höchsten Gerichts, die physische Beweglichkeit eines Akrobaten, die Ausdauer von Hiob und die Unerschütterlichkeit von Buddha vorweisen." So forderte es das Time Magazine bereits 1961. Das dies nicht immer oder nur äußerst selten zutrifft, zeigt sich einmal mehr bei den Olympischen Spielen von Salt Lake City.

Die Sportart ist dabei völlig egal. Überall dort, wo eine Jury von "Richtern" über die sportliche Leistung zu entscheiden hat, werden nationale Bonuspunkte vergeben, dass es nur so kracht. Wenn ein Snowboarder durch die Halfpipe wirbelt, dann bekommt er von dem Richter aus seinem eigenen Land konsequent mehr Punkte als von den anderen. Nicht etwa unauffällig, etwas angehoben, ein klein wenig, nein, völlig offen hagelt es dicke Pluspunkte für die eigene Nation. Eiskunstlauf - dasselbe. Boxen - dito.

Dieses "Phänomen" lässt sich bei sämtlichen Sportarten erkennen, bei denen nicht nur das gute alte Zeiteisen oder die Weite entscheidet, sondern eine Jury etwas zu bewerten hat. Wettkampfsport auf internationaler Ebene ist die zivilisierte Kriegsführung zwischen Staaten, es geht um Prestige, Einfluss, das Selbstwertgefühl einer Nation. Nirgends ist das, neben Olympischen Spielen, so offensichtlich wie im Fußball. Spielt England gegen Deutschland, dann feuern die Boulevard- aber auch seriöse Zeitungen, als wäre der sportliche Gegner und sein Land der verhasste Feind, den es niederzuringen gelte.

Wenn Deutschland sich nicht zu der Fußball Weltmeisterschaft qualifiziert hätte, dann wäre dies eine Blamage für die Nation gewesen, klang es unisono aus allen Mündern der Verantwortlichen und der Presse. Jetzt, wo man dabei ist, wird keine Gelegenheit ausgelassen, die Holländer daran zu erinnern, dass sie es nicht sind. Und wenn es keine anständige Medaillenbilanz bei Olympischen Spielen gibt, dann wird im Chor geweint. Die deutschen Schwimmerinnen mussten sich das Gezeter der deutschen Journaille für ihr "Versagen" in Sydney anhören. Immer ist es dasselbe: Man könne den "anderen" ja nicht einmal mehr in die Augen schauen.

Die Jury tut ihren Teil dazu bei, möglichst viel Edelmetall ins eigene Land zu bringen. Damit am Ende die Richtigen und Wichtigen beim Medaillenspiegel oben stehen. Und bei der Abschlussfeier heißt es wieder, dass dies die besten Spiele aller Zeiten waren. Man feiert die Helden, die Nationen der Helden feiern sich selbst, und die, die nur dabei waren, sind die Gefallenen in diesem Krieg.

Wo sind die vom Times Magazin geforderten Eigenschaften bei Schiedsrichtern? Sie lassen sich auch 40 Jahre später kaum erahnen. Ein bisschen Subjektivität ist ja ganz schön. Aber ein bisschen mehr Objektivität täte mitunter auch mal ganz gut.

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