Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung

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Neue Wege zu einer Restschuldbefreiung

– die geplanten Änderungen oder: das neue „Entschuldungsverfahren“ für insolvente Schuldner „2. Klasse“

Von Rechtsanwalt Oliver Syren

Ausgehend von dem hohen Aufwand, den Verbraucherinsolvenzverfahren für Insolvenzgerichte und –verwalter mit sich bringen, werden seit längerem Alternativen zur gegenwärtigen Verbraucherentschuldung gesucht und vorgeschlagen.

Das wesentliche Defizit der aktuellen Regelung ist die langatmige und überflüssige Durchführung eines Insolvenzverfahrens auch in den (zahlreichen) Fällen, bei denen von vornherein feststeht, dass die Gläubiger keine Quote erhalten: Die Tatsache, dass in mehr als 80 % aller Verfahren die Schuldner völlig mittellos sind, zeigt, dass das eigentliche Ziel eines Insolvenzverfahrens, die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung, nicht erreicht wird.

Oliver Gothe-Syren
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Eine so genannte „Bund-Länder-Arbeitsgruppe“ prüft gegenwärtig die (als unbefriedigend empfundenen) gesetzlichen Regelungen und hat einen Zwischenbericht vorgelegt, der als Wegweiser der zu erwartenden Neuregelungen angesehen werden kann. Gegenwärtig werden bereits Gesetzesformulierungen beraten, um das Konzept in eine Gesetzesänderung zur Verbraucherinsolvenz zu gießen.

Es soll zukünftig zwei unterschiedliche Verfahren geben:

  1. Schuldner, die über pfändbares Einkommen und/oder Vermögen verfügen, das für die anteilige Befriedigung der Gläubiger eingesetzt werden kann, sollen weiterhin ein Insolvenzverfahren durchlaufen, um nach sechs Jahren die Restschuldbefreiung zu erlangen.

    Die Frage, ob eine Restschuldbefreiung nur dann erteilt wird, wenn die Gläubiger eine gewisse „Mindestbefriedigungsquote“ (also z. B. 10 % der bestehenden Forderung) erhalten, ist noch nicht entschieden worden.

    Voraussichtlich soll die Dauer der Wohlverhaltensperiode (also der Zeitraum bis zur Restschuldbefreiung) danach gestaffelt werden, welche Quote für die Gläubiger erreicht wird. Damit soll ein Anreiz für den Schuldner gesetzt werden.

    Die Stundung der Verfahrenskosten (wie sie erst 2001 eingeführt wurde, um mittellosen Schuldnern die Restschuldbefreiung zu ermöglichen) wird voraussichtlich abgeschafft: Können die Verfahrenskosten nicht aufgebracht werden, soll zukünftig das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet werden. Mittellose Schuldner können dann den langwierigen Weg über das neue Entschuldungsverfahren beschreiten (im Folgenden unter 2.).

  2. In den übrigen Fällen, wenn der Schuldner kein oder kaum Vermögen und kein pfändbares Einkommen hat, so dass nicht einmal die Verfahrenskosten gedeckt sind, soll zukünftig kein Insolvenzverfahren mehr durchgeführt werden. Diese Schuldner sollen nach zu erwartender Gesetzesänderung ein so genanntes „Entschuldungsverfahren“ durchlaufen.

Das Entschuldungsverfahren – für mittellose Schuldner: dauert länger und Zwangsvollstreckungen sind uneingeschränkt möglich

Schwere Zeiten für mittellose Schuldner: Die bereits erwähnte „Bund-Länder-Arbeitsgruppe“, die eine Gesetzesänderung derzeit vorbereitet, ist der Auffassung, dass ein Entschuldungsverfahren ein gewisses „Lästigkeitspotenzial“ entfalten muss. Daraus folgend soll die Zwangsvollstreckung im Entschuldungsverfahren uneingeschränkt möglich sein, um einen „negativen Anreiz“ zu schaffen, möglichst ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung anzustreben. Zur Erinnerung: Das Insolvenzverfahren bietet Gläubigerschutz, da Zwangsvollstreckungen unzulässig werden.

Auch in zeitlicher Hinsicht wird das Entschuldungsverfahren ein Verfahren „zweiter Klasse“ sein: Die Laufzeit soll 8 Jahre betragen. Im Gegensatz hierzu läuft das Restschuldbefreiungsverfahren 6 Jahre.

Noch ein erheblicher Unterschied zum Insolvenzverfahren: Der Schuldner soll nur von den Forderungen befreit werden, die er selbst benannt hat. Werden einzelne Forderungen des Schuldners im Verzeichnis nicht aufgeführt, geht dies zu seinen Lasten, da diese Forderungen nicht von der Entschuldungswirkung erfasst werden. Hier droht ein hohes Risiko, nur eine Teilentschuldung zu erlangen und keinen wirklichen „Neuanfang“.

Fazit: Hinter dem so genannten Entschuldungsverfahren, das voraussichtlich in Kürze geltendes Recht sein wird (mit entsprechender Änderung der Insolvenzordnung), verbirgt sich ein in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht für die betroffenen Schuldner nachteiligeres Verfahren als das geltende Insolvenzverfahren.

Ob die vorbeschriebenen Vorschläge tatsächlich Gesetz werden, ist nicht sicher. Meines Erachtens ist jedoch damit zu rechnen, weil es sich um Überlegungen der von den Justizministern beauftragten Arbeitsgruppe handelt und bereits Gesetzesformulierungen beraten werden.
Klar ist: Leichter als zurzeit wird es nicht für überschuldete Haushalten, über das Verbraucherinsolvenzverfahren die Restschuldbefreiung zu erlangen und neu zu starten.


Rechtsanwalt Oliver Syren
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LEGITAS GOTHE-SYREN - RA Oliver Gothe
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