Insolventes Unternehmen übernehmen?

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Bei Kauf oder Übernahme von insolventen Betriebsteilen – auch wenn "nur" eine Website oder die Anschrift übergeht – droht die Haftung für die Schulden: was ist zu beachten?

In meiner Beratungspraxis – sowohl bei Einzelunternehmern als auch bei GmbHs verbreitet – stellen sich die Unternehmer in den meisten Fällen die Frage, ob sie den Geschäftsbetrieb nicht über eine neu gegründete Firma fortführen können: die Website, die Kunden, Telefonnummern, vielleicht auch das Büro oder den Laden/die Gaststätte.

Aktuell habe ich zu einer solchen "Auffanglösung" wieder einige Anfragen erhalten – etwa, ob die Untervermietung an eine von einem Partner neu gegründete Firma möglich sei.

Oliver Gothe-Syren
Partner
seit 2005
Rechtsanwalt
Eulenstraße 26
22765 Hamburg
Tel: 040-348 378 88
Web: https://insolvenz-news.de/insolvenzanwalt-insolvenzverwalter-hamburg/
E-Mail:
Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Medienrecht, Verwaltungsrecht, Wirtschaftsrecht

Vorsicht – ohne weitere Absicherung und Beratung kann dies ein Schritt in die Haftungsübernahme durch die Gläubiger und Finanzamt des insolventen Unternehmens sein.

Haftungsrisiken für Übernehmer

Bei einer Übernahme von Bestandteilen einer Firma (das fängt mit der Website oder Anschrift an) bestehen folgende Haftungsrisiken:

1. Anfechtung der Übernahme

In einem späteren Insolvenzverfahren kann die Übertragung von Gegenständen oder auch Übernahme von Kunden angefochten werden (§§ 129 ff. Insolvenzordnung). Kommt es nicht zu einem Insolvenzverfahren, können auch Gläubiger nach dem sog. Anfechtungsgesetz Übertragungen anfechten.

In der Praxis verbreitet ist aber, dass Gläubiger, allen voran die Finanzämter oder ggf. Krankenkassen, bei Verdacht "die Reißleine" ziehen, damit die sog. "Ordnungsfunktion" (sprich Anfechtungen und ggf. strafrechtliche Maßnahmen) der Insolvenzverwaltung in Gang gesetzt wird.

2. Haftung des Betriebsübernehmers nach § 25 HGB

Für die Schulden des ursprünglichen Firmeninhabers (des insolventen Unternehmens) haftet der Übernehmer nach der "gefährlichen" aber erstaunlicherweise vielen (auch Steuerberatern) nicht bekannten Haftungsnorm § 25 HGB:

§ 25 HGB (Auszug)

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

3. Der Übernehmer haftet für offene Steuern

Wer einen Geschäftsbetrieb per Kaufvertrag oder auch nur tatsächlich (teilweise) fortführt, haftet gemäß § 75 Abs. 2 Abgabenordnung auch für Betriebssteuern, wie die Gewerbe- oder Umsatzsteuer, die das insolvente Unternehmen dem Finanzamt schuldet.

Neben diesen Haftungsnormen sind auch immer strafrechtliche Konsequenzen zur berücksichtigen.

Ziel: Haftung vermeiden

Ziel ist es, diese Haftungsfallen zu umschiffen und entweder ohne Insolvenzverfahren eine unternehmerfreundliche zulässige Lösung zu finden oder die Privilegierung über einen sog. Asset-Deal im eröffneten Insolvenzverfahren zu nutzen.

Hierüber können die o. g. Haftungen ausgeschlossen werden – hierzu ist das Timing ganz wichtig: Mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter etwa sollten keine Kaufverträge abgeschlossen werden und bei der Gestaltung und Vorbereitung muss einiges beachtet werden – der Insolvenzverwalter informiert hierüber nicht, weil er keine Interesse hat und auch nicht die Interessen des Unternehmers verfolgen muss.

Daher ist eine Begleitung und Beratung des Unternehmers als Gegengewicht zu dem hier nicht im unternehmerischen Interesse agierenden, eingesetzten (vorläufigen) Insolvenzverwalter sehr sinnvoll: Nehmen Sie gerne Kontakt für weitere Informationen auf.

LEGITAS GOTHE-SYREN - RA Oliver Gothe
Wirtschaftsrecht/Insolvenzrecht

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