Darf Berater an WEG Versammlung teilnehmen?

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Vertretungsrecht in Wohnungseigentümerversammlung / Hinzuziehung eines Beraters

Ist in der Gemeinschaftsordnung geregelt, dass sich die Wohnungseigentümer in ihren Versammlungen nur durch bestimmte Personen vertreten lassen dürfen, so betrifft dies nicht nur die Stimmabgabe, sondern jede aktive Beteiligung. Dann ist auch einem Beistand nicht erlaubt, in der Versammlung Erklärungen abzugeben und Anträge zu stellen.

Die Versammlungen der Wohnungseigentümer sind nicht öffentlich. Deshalb darf dort ein Wohnungseigentümer, wenn durch Teilungserklärung oder Vereinbarung nicht anders geregelt, auch einen ihn lediglich beratenden Beistand nicht immer, sondern nur dann hinzuziehen, falls er daran ein berechtigtes Interesse hat. Dieses kann sich aus beachtlichen persönlichen Gründen oder aus dem rechtlichen oder technischen Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit ergeben, über die nach der Tagesordnung zu beschließen ist.

Sachverhalt

Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer in einer aus drei Einfamilienhäusern bestehenden Wohnungsanlage. In der "Miteigentumsordnung", die als Bestandteil der Teilungserklärung in das Grundbuch eingetragen worden ist, ist unter anderem bestimmt:

„Die Wohnungseigentümerversammlung ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. Ein Wohnungseigentümer kann sich nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen. .. ."

In einer Versammlung erschien für die Beteiligte deren Ehemann im Beistand eines Rechtsanwalts. Vor Eintritt in die Tagesordnung schloss die Gemeinschaft mit Stimmenmehrheit den Rechtsanwalt von der Teilnahme aus.

Die Gerichtsentscheidungen

Die Anträge der Beteiligten, die Beschlüsse dieser Versammlung für ungültig zu erklären und darüber hinaus festzustellen, dass die Versammlung nicht ordnungsgemäß abgehalten worden sei, hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde hat die Beteiligte zuletzt nur die Feststellung beantragt, dass sie berechtigt sei, an Eigentümerversammlungen im Beistand eines Rechtsanwalts teilzunehmen. Das Landgericht hat dem Antrag stattgegeben. Der sofortigen weiteren Beschwerde weiterer Eigentümer möchte das Kammergericht entsprechen. Es sieht sich daran jedoch durch die Beschlüsse anderer Obergerichte gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, die in der "Miteigentumsordnung" enthaltene Regelung, dass sich ein Wohnungseigentümer nur durch eine der dort genannten Personen vertreten lassen darf, beziehe sich nicht nur auf die Ausübung des Stimmrechts, sondern auch auf jede sonstige Beteiligung an Versammlungen der Gemeinschaft. Damit würde es von den angeführten Beschlüssen der Obergerichte abweichen, denn nach Ansicht dieser Gerichte ist in einem Regelungszusammenhang der vorliegenden Art unter "Vertretung" nur eine solche bei der Stimmabgabe zu verstehen. Diese Divergenz rechtfertigt die Vorlage, weil insoweit die in der Gemeinschaftsordnung getroffene Bestimmung wegen ihres normähnlichen Charakters und ihrer über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinausgehenden Verwendung wie eine bundesrechtliche Vorschrift zu behandeln ist.

  1. Gemeinschaftsordnung kann Vertretung restriktiv regeln

    Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat in BGHZ 99, 90 entschieden, dass die Befugnis der Wohnungseigentümer, sich in den Versammlungen der Gemeinschaft vertreten zu lassen, in der Gemeinschaftsordnung auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt werden kann. Daran wird festgehalten. Die Kritik von Weitnauer an dieser Entscheidung (JZ 1967, 465 und Kommentar zum WEG, 7. Aufl., § 25 Rdn. 13) überzeugt nicht. Das zwischen den Wohnungseigentümern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis kann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG durch Vereinbarung oder, was einer solchen gleichkommt, in der Teilungserklärung ( § 8 WEG ) weitgehend privatautonom ausgestaltet werden. Die Gemeinschaftsordnung hat satzungsähnlichen Charakter. Ebenso wie aber in einer Vereinssatzung bestimmt werden kann, dass gewisse - von § 38 Satz 2 BGB nicht erfasste - Erklärungen eines Mitglieds, wie z.B. die des Austritts aus dem Verein, nur persönlich und mithin nicht durch einen Vertreter abgegeben werden dürfen (vgl. hierzu Reichel, Höchstpersönliche Rechtsgeschäfte, 1931, S. 88), sind auch gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG entsprechende Vereinbarungen möglich. Darin liegt kein nach dem Grundgedanken des § 137 Satz 1 BGB unwirksamer dinglicher Verzicht des Wohnungseigentümers auf seine rechtliche Handlungsfähigkeit und auf die davon umfaßte Fähigkeit, eine Vollmacht zu erteilen, wie Weitnauer (aaO) meint. Die Gemeinschaftsordnung beschränkt dieses rechtliche Können der Wohnungseigentümer nicht mit Außenwirkung gegenüber Dritten (vgl. dazu Thiele, Die Zustimmung in der Lehre vom Rechtsgeschäft, 1966, S. 192 ff). Sie hat nur im Verhältnis zwischen den Wohnungseigentümern in deren Versammlungen zur Folge, dass die von einem nicht zugelassenen Vertreter bei der Beschlussfassung abgegebene Stimme keine Wirkung hat.

    Die inhaltliche Tragweite der in der Gemeinschaftsordnung getroffenen Regelung ist durch Auslegung der Grundbucheintragung zu ermitteln. Dazu ist auch das Rechtsbeschwerdegericht befugt (BGHZ 37, 147, 149; 113, 374, 379). Maßgebend für die Auslegung ist der Wortlaut der Eintragung und sein Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (BGHZ 47, 191, 195; 113, 374, 378). Diesen Grundsätzen wird die von dem vorlegenden Gericht befürwortete Auslegung insoweit gerecht, als es annimmt, die in der Gemeinschaftsordnung geregelte Beschränkung der Vertretung auf einen bestimmten Personenkreis betreffe nicht nur die Stimmabgabe, sondern auch das Recht, in der Versammlung Erklärungen abzugeben.

  2. Auslegung des Begriffes „Vertretung"

    Vertretung in der rechtlichen Bedeutung dieses Begriffs ist zwar nur ein rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen ( §§ 164 ff BGB ); doch wird nach allgemeinem Sprachgebrauch auch derjenige als "Vertreter" bezeichnet, der in sonstiger Weise fremde Interessen wahrnimmt, selbst wenn dies im Beisein des Auftraggebers geschieht. Daher lässt sich hier nicht schon dem Wortlaut der Regelung entnehmen, dass sie sich nur auf den Rechtsakt der Stimmabgabe und nicht zugleich auf den ihr vorausgehenden Abschnitt der Versammlung bezieht. Eine engere Auslegung entspricht auch nicht dem Sinn der Vertretungsbeschränkung, wie das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLGZ 1981, 161) und das Oberlandesgericht Karlsruhe (WuM 1986, 229) im Blick auf vermeintlich zu beachtende Belange des betroffenen Wohnungseigentümers annehmen (ebenso BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., WEG § 25 Rdn. 20; Bärmann/Pick, WEG, 12. Aufl., § 25 Rdn. 18; Weitnauer, WEG, 7. Aufl., § 25 Rdn. 13; Henke/Niedenführ/Schulze, WEG, § 25 Rdn. 12; Soergel/ Stürner, BGB, 12. Aufl., WEG § 25 Rdn. 3; Deckert, Eigentumswohnung, Gruppe 5, S. 24; differenzierend: Erman/ Ganten, BGB, 8. Aufl., WEG § 25 Rdn. 4; Sauren, WEG, § 24 Anm. 3 c).

    Der BGH hat in BGHZ 99, 90, 95 dargelegt, dass Vertretungsbeschränkungen der vorliegenden Art den nach der Interessenlage grundsätzlich berechtigten Zweck verfolgen, die Versammlungen der Wohnungseigentümer von gemeinschaftsfremden Einwirkungen freizuhalten. Die Wohnungseigentümer sollen also in der Versammlung auftretende Meinungsverschiedenheiten dort allein unter sich austragen und sich deshalb auch nur durch bestimmte, dem eigenen Kreis nahestehende Personen vertreten lassen dürfen. Dieses eindeutige Ziel der Regelung rechtfertigt die Auslegung, dass einer in der Gemeinschaftsordnung von der Vertretung ausgeschlossenen Person jede aktive Beteiligung an der Versammlung versagt ist, also auch die Abgabe von Erklärungen und eine Antragstellung. Denn dieser außenstehende Dritte könnte, auch wenn er nur in der Rolle eines Beistands das Wort führt, auf den Ablauf der Versammlung und dadurch womöglich auf die Meinungsbildung anderer Wohnungseigentümer Einfluss nehmen.

  3. Korrektur durch Grundsatz von Treu und Glauben

    Allerdings kann die Gemeinschaft unter Umständen nach Treu und Glauben gehalten sein, auf der geregelten Vertretungsbeschränkung nicht zu bestehen (vgl. BGHZ 99, 90, 96). Unter welchen Voraussetzungen das der Fall sein kann, bedarf hier indes keiner Entscheidung, da der Ehemann der Beteiligten diese in den Versammlungen der Gemeinschaft vertritt.

  4. Beratung durch rechtlichen oder technischen Beistand

    Die weitere Frage ist, ob es einem Wohnungseigentümer gestattet ist, in der Versammlung eine von der Vertretung ausgeschlossene Person als Beistand in lediglich beratender Funktion hinzuzuziehen. Dies steht dem Vertretungsverbot nicht entgegen, wie das vorlegende Gericht meint. Denn durch bloße Beratung eines Wohnungseigentümers nimmt der Beistand nicht nach außen hin fremde Rechte wahr. Zwar könnte er auch durch die Beratung über diesen Wohnungseigentümer in den Ablauf der Versammlung eingreifen und hierdurch die Meinungsbildung anderer Wohnungseigentümer beeinflussen; doch geht aus der Grundbucheintragung nicht für jedermann ersichtlich hervor, dass schon eine solche nur mittelbare Einwirkungsmöglichkeit die Hinzuziehung eines Beistands ausschließt. Dem vorlegenden Gericht ist jedoch aus einem anderen Grund im Ergebnis zuzustimmen.

    Die Versammlung der Wohnungseigentümer ist nicht öffentlich (OLG Hamm, OLGZ 1990, 57; Weitnauer, WEG, 7. Aufl. § 23 Rdn. 3; einhellige Meinung). Ist durch Teilungserklärung oder Vereinbarung nichts anderes bestimmt, so sind nur die Wohnungseigentümer und deren bevollmächtigte Vertreter - diese hier mit der sich aus der Gemeinschaftsordnung ergebenden Einschränkung - zur Teilnahme befugt. Allerdings kann ein Wohnungseigentümer ein berechtigtes Interesse haben, in der Versammlung einen Berater hinzuzuziehen. Dafür müssen jedoch Gründe vorliegen, die gewichtiger sind als das Interesse anderer Wohnungseigentümer, die Versammlungen - zumal bei einer, wie hier, nur kleinen Gemeinschaft - auf den eigenen Kreis zu beschränken. Auch dieses Interesse ist schutzwürdig, gerade weil die Versammlung nicht öffentlich ist und deshalb die Anwesenheit Dritter nicht geduldet werden muß. Das gilt im Grundsatz auch für einen Berater, denn auch er ist in jeder Hinsicht Dritter (a.M. OLG Hamm, OLGZ 1990, 57, 58; Weitnauer, aaO; Palandt/Bassenge, BGB, 52. Aufl., WEG § 24 Rdn. 10). Doch ist insoweit eine Abwägung der gegensätzlichen Belange geboten. Vorrangig kann das Interesse eines Wohnungseigentümers an sachkundiger Beratung dann sein, wenn er sich aus einem in seiner Person liegenden beachtlichen Grund (z.B. bei hohem Lebensalter ) oder wegen des Schwierigkeitsgrades der Angelegenheit nicht in der Lage sieht, seine Rechte in der Versammlung angemessen wahrzunehmen (vgl. W. und P. Kirberger, BB 1978, 1390, 1392 zu der insoweit ähnlichen Situation bei Versammlungen von Personengesellschaften). Anderenfalls ist ihm in der Regel zumutbar, sich vor Beginn der Versammlung durch eine Person seines Vertrauens beraten zu lassen. Das lässt sich jedoch - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall einer ständig bestehenden persönlichen Erschwernis - nicht im voraus für alle künftigen Versammlungen feststellen, was die Beteiligte erreichen will. Vielmehr kommt es auf Art und Bedeutung der jeweils anstehenden Tagesordnungspunkte an. Deshalb ist erst in der Versammlung darüber zu befinden, ob der Berater anwesend sein darf. Wird dies abgelehnt, so kann sich der betroffene Wohnungseigentümer dagegen durch Anfechtung wehren ( § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ), dann unter Umständen auch mit einem Feststellungsantrag. Dass die Beteiligte etwa schon jetzt Anlass zu der Annahme hat, die Mehrheit der Wohnungseigentümer werde in Zukunft auch einen lediglich beratenden Beistand ungeachtet genügender Darlegung eines berechtigten Interesses nicht zulassen, ist nicht behauptet.

BGH 5. Zivilsenat Beschluss vom 29.01.1993, Aktenzeichen: V ZB 24/92

Wirkung für die Praxis

Wohnungseigentümer können sich in Eigentümerversammlungen nur nach Maßgabe der Gemeinschaftsordnung vertreten lassen. Bringen sie trotz enger Regelung der Vertretungsberechtigung externer Berater wie einen Ingenieur oder Rechtsanwalt zu der Versammlung mit, muss die Gemeinschaft eine Abwägungsentscheidung treffen, ob dieser anwesend sein darf.

Der zu beratende Wohnungseigentümer kann die Anwesenheit des Beraters mit seinem hohem Lebensalter oder mit dem rechtlichen oder technischen Schwierigkeitsgrad der zu entscheidenden Angelegenheit begründen. Die Versammlung muss abwägen, ob diese Beratung schon im Vorfeld eingeholt werden konnte.

Die Versammlung wird vor einem Ausschluss des Beraters das Risiko erwägen müssen, dass ein abwägungsfehlerhafter Ausschluss zu Risiken einer gerichtlichen Anfechtung der Beschlüsse mit Kostenaufwand und Zeitaufwand für Gerichtstermine führen kann.

Zu schwierigen Entscheidungen in Versammlungen werden daher Wohnungseigentümer einen Techniker oder Rechtsanwalt als Berater beiziehen dürfen.

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