Unterbringungsrecht

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"Verrückte Liebe" kein Grund für geschlossene Unterbringung

Der BGH hatte in folgendem Fall über die Rechtmäßigkeit einer geschlossenen Unterbringung zu entscheiden:
Ein von paranoider Schizophrenie betroffener 42 - jähriger Mann ist wahnhaft liebessüchtig, er wünscht sehnlichst eine Beziehung zu einer Frau. In der Vergangenheit verfolgte er Frauen auch dann, wenn sie seine Zuneigung nicht erwiderten.  Zwischen 2005 und Mitte 2010 verlief sein Leben aber ruhig, weil er unter Führungsaufsicht gestellt worden war; in dieser Zeit war es gelungen, ihn medikamentös gut einzustellen.
Nach Beendigung der Führungsaufsicht setzte er seine Medikamente ab, es kam Anfang 2011 zu einem neuen Vorfall. Vor der Wohnungstür einer jungen Frau aus der Nachbarschaft bereitete er einen „Altar“ mit Blumen, Süßigkeiten und Stofftieren sowie Kondomen in einer herzförmigen Dose.
Der Betroffene ging daraufhin zunächst freiwillig und dann aufgrund gerichtlicher Unterbringungsanordnung für zunächst acht Wochen in die geschlossene psychiatrische Unterbringung. Dort weckte eine Arzthelferin sein Interesse. Er bedachte sie an ihrem Arbeitsplatz mit Geschenken.
In Hinblick auf diese Verhaltensweisen ordnete das Amtsgericht Ravensburg durch Beschluss vom 15.04.2011 eine Verlängerung der Unterbringung für weitere acht Wochen an. Das Landgericht Ravensburg hat eine durch seine Verfahrenspflegerin eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Die dagegen von dem Betroffenen bei dem BGH eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

In der Zwischenzeit hatte sich die angefochtene Verlängerungsentscheidung „durch Fristablauf“ erledigt; der Betroffene hatte die Verlängerungszeit von weiteren acht Wochen in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie zugebracht.

Der BGH als Beschwerdegericht hat die ihm in § 62 FamFG eingeräumte Möglichkeit genutzt, um auszusprechen, dass die Entscheidung über die Verlängerung der geschlossenen Unterbringung den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat. § 62 FamFG räumt ein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige nachträgliche Feststellung ein, wenn  ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung besteht. Ein berechtigtes Interesse liegt u.a. dann vor, wenn es sich schwerwiegende Grundrechtseingriffe handelte.
Der BGH hat dies in seinem Beschluss vom 14.12.2011 - XII ZB 488/11 -bejaht und ausgeführt, dass die Freiheit der Person - als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen - einen hohen Rang unter den Grundrechten einnimmt. Das komme darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als "unverletzlich" bezeichnet, und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulasse. Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht seien nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordere.
Eine lesenswerte Entscheidung!