Ingewahrsamsnahme bei Versammlungen

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Einen recht krassen Fall hatte das BVerfG zu entscheiden: Massen-Ingewahrsamnahme bei einer Demonstration gegen das Atommüll-Lager in Gorleben. Stundenlanges Festhalten ohne Verpflegung, ohne Möglichkeit, die Toilette aufzusuchen, ohne Möglichkeit, die Angehörigen zu informieren. Dauer der Festnahme von 10.20 an einem Tag bis 8.23 h am nächsten Tag. Ein Richter war zwischenzeitlich nicht befasst.

Die Gerichte in Dannenberg und Lüneburg, die nachträglich zu entscheiden hatten, sahen keinerlei Rechtswidrigkeit. Weder die fehlende Einschaltung des Richters noch die Umstände der Ingewahrsamnahme wurden beanstandet.

Das BVerfG 2 BvR 447/05 hat in einer Entscheidung vom 13. Dezember 2005 einstimmig nach § 93 c BverfGG beschlossen, dass diese Entscheidungen gegen die Verfassung verstoße und deutliche Worte gefunden, den Klägern zu ihrem Recht zu verhelfen.

  • Es bedurfte wieder einmal des verfassungsgerichtlichen Hinweises, wie wichtig das Freiheitsrecht und dazu korrespondierend der Richtervorbehalt ist
  • Konkretisierend, dass bei solchen Lagen der Richter nicht unter Hinweis, er müsse nur tagsüber zur Verfügung stehen, dann um 22h nach Hause gehen könne
  • Zur Sicherung des Freiheitsrechts des Art. 2 Abs. 2 GG müsse das Verfahren so gestaltet sein, dass ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werde, also nicht so bürokratisiert, dass es zu einem Rechtschutz nicht komme, etwa durch übermässige Formalien
  • Die Instanzgerichte werden kritisiert, die zeitlichen Verfahrensabläufe nicht genau dokumentiert zu haben
  • Die Instanzgerichte werden kritisiert, die polizeilichen Geschehensabläufe nicht sachgerecht gewürdigt zu haben
  • Die Instanzgerichte werden kritisiert, die realen Umstände der Ingewahrsamnahme nicht zur Kenntnis genommen zu haben (z.B. die Frage, ob man eigene Verpflegung in den Gewahrsamsraum mitnehmen durfte)
  • Unter Berücksichtigung eines zugeschärften Art. 19 Abs. 4 GG, der einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz garantieren soll, werden die Instanzgerichte belehrt, sie hätten sich nicht sachgerecht mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und auch die Voraussetzungen des § 19 NGefAG nicht ausreichend gewürdigt.

Offensichtlich hat dem BVerfG das polizeiliche und richterliche Vorgehen in diesem Fall deutlich missfallen. Deswegen hat sich die Kammer sehr ins Detail eingemischt und den Instanzen nichts weniger als eine höchstrichterliche Ohrfeige verpasst.

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