Durchsuchung von Presseräumen

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Das Bundesverfassungsgericht - 1 BvR 538/06 - 1 BvR 2045/06 – vom 27.Februar 2007 hat im Fall „Cicero" die Durchsuchung für verfassungswidrig erklärt:

  • Durch die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume von CICERO und der Beschlagnahme der dort aufgefundenen Beweismittel ist in den Schutzbereich der Pressefreiheit des Beschwerdeführers eingegriffen worden. Die Pressefreiheit umfasst auch den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten.
  • Eine Durchsuchung in Presseräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüchternden Wirkung eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Überdies liegt in der Verschaffung staatlichen Wissens über die im Bereich journalistischer Recherche hergestellten Kontakte ein Eingriff in das Redaktionsgeheimnis, dem neben dem Vertrauensverhältnis der Medien zu ihren Informanten eigenständige Bedeutung zukommt.
  • Durch die Anordnung der Beschlagnahme von Datenträgern zum Zwecke der Auswertung ist den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit des Zugangs zu redaktionellem Datenmaterial eröffnet worden. Dies greift in besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein, aber auch in ein etwaiges Vertrauensverhältnis zu Informanten.
  • Die in den angegriffenen Beschlüssen herangezogene Strafrechtsnorm des § 353 b StGB sowie die darauf bezogene Beihilfevorschrift des § 27 StGB sind allgemeine Gesetze. § 353 b StGB dient für sich allein, aber auch im Zusammenwirken mit § 27 StGB, dem Schutz vor der unbefugten Offenbarung von Dienstgeheimnissen und vor der Verletzung besonderer Geheimhaltungspflichten. Für die Verwirklichung einer beihilfefähigen Haupttat, die einen Tatplan des Geheimnisträgers vorausgesetzt hätte, der gerade auf die Veröffentlichung der offenbarten Dienstgeheimnisse hinzielte, lagen demgegenüber keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor.
  • Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln. Das Risiko einer Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutzes ist besonders groß, wenn der Verdacht einer Beihilfe allein darauf gestützt wird, dass das Dienstgeheimnis in der Presse veröffentlicht worden ist und das maßgebende Schriftstück allem Anschein nach unbefugt in die Hände des Journalisten gelangt war. In einer solchen Situation kann die Staatsanwaltschaft den betroffenen Journalisten durch Einleitung eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens zum Beschuldigten machen.

Überdies stellt das Verfassungsgericht fest, dass das Landgericht gegen das Gebot effektiven Rechtschutzes verstoßen hat, als es die Pressefreiheit bei der nachträglichen Entscheidung über die Aktion nicht berücksichtigt hat:

  • Soweit das Landgericht die Überprüfung der angegriffenen Maßnahme verweigert hat, ist effektiver Rechtsschutz des Beschwerdeführers vereitelt worden. Angesichts der schwer wiegenden Beeinträchtigungen der Pressefreiheit musste es dem Beschwerdeführer ermöglicht werden, die Beschlagnahmebestätigung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Für die Frage der Gewährleistung hinreichenden Rechtsschutzes ist nicht von Belang, ob der jeweilige Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt war oder nicht. Entscheidend ist, dass es sich bei der angegriffenen Anordnung der Beschlagnahme jedenfalls um einen Eingriff in die Pressefreiheit von beträchtlichem Gewicht handelt.

Die Entscheidung des Gerichts ist weithin begrüßt worden und sichert künftig Pressorgane weitgehenden Schutz, denn die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Hürden werden regelmäßig einer Durchsuchung im Wege stehen.