Bushido und sein "Skandalsong"

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Wie weit geht die Kunstfreiheit?

Ich versuche mich in diesem Text in erster Linie juristisch, als Fachanwalt für Strafrecht, mit dem Songtext von Bushido auseinanderzusetzen, obwohl ich natürlich auch als Bundesvorstandsmitglied des Deutschen Rock und Pop Musikerverbandes einiges über gute Musik und gute Texte sagen könnte.

Menschenverachtend und jugendgefährdend

Kein Zweifel: Songtexte, die aus folgenden Zeilen bestehen "Männer lutschen keine Schwänze", "Du Pisser", "du wirst in den Arsch gefickt wie Wowereit", "ich will, dass Serkan Törun jetzt ins Gras beißt" und "ich schieß auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz" sind menschenverachtend, widerlich und nach meiner Auffassung auch jugendgefährdend. Ich bin mir sicher, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien diese Einschätzung nach einer zu erwartenden Prüfung genauso sehen wird.

Die für eine Indizierung entscheidende Rechtsnorm benennt § 18 Abs. 1 JuSchG:
"Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien, in denen

  1. Gewalthandlungen, insbesondere Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder
  2. Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird."

Doch wie sieht es mit dem Strafvorwurf aus, insbesondere unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes.

Kunstfreiheit wird von der Verfassung gewährleistet

Ein besonderes Kennzeichen der Kunstfreiheit ist, dass sie verfassungsrechtlich vorbehaltlos gewährleistet wird und es für sie keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt gibt. Der Gesetzgeber soll aber durch Gesetze einen Ausgleich mit anderen Grundrechten und Verfassungswerten herstellen. Die Kunstfreiheit ist demnach nicht schrankenlos, wobei aber in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob sie durch eine staatliche Maßnahme verletzt wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vertritt hierbei die Theorie von der Wechselwirkung, wonach Gesetze, die die Kunstfreiheit beschränken, ihrerseits im Lichte der Kunstfreiheit (kunstfreundlich) auszulegen sind. Bushido - egal, ob man seine Auswürfe als hohe oder mindere Kunstform betrachte - genießt also einen besonderen Schutz.

Fäkaliensprache an sich steht nicht unter Strafe

Die schlichte Verwendung von Fäkalienvokabular mag uns stören, sie steht jedoch für sich nicht unter Strafe. Ansonsten müssten wahrscheinlich mehrere private Fernsehsender ihr Nachmittagsprogramm abschalten.

Kommen wir zunächst zu den "Gewaltfantasien" des Bushido, da hier Gewaltstraftaten im Raum stehen könnten:

"Ich verkloppe blonde Opfer wie Oli Pocher." ..."ich will das Serkan Törun jetzt ins Gras beisst" und "Ich schieß auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz."

Bereitet Bushido ein Verbrechen vor? Bedroht er den FDP-Bundestagsangeordneten Törun und will er die Grüne Claudia Roth mit 18 Schüssen zur Strecke bringen? Hat der Rapper ernsthaft vor, diese Taten in die Wirklichkeit umzusetzen? Hat er also einen Vorsatz?
Kein ernstzunehmender Ermittler würde dies bejahen. Bushido selber hat dies auch nicht behauptet. Wenn es aber bereits hier an einem Vorsatz mangelt, fällt der diesbezügliche Strafvorwurf bereits in diesem frühen Stadium in sich zusammen.

Anstiftung zum Totschlag?

Wie sieht es mit Anstiftung zum Totschlag oder anderen Gewalttaten aus? Auch insoweit dürfte Bushido kaum ein Vorsatz nachweisbar sein, denn er kann nicht damit rechnen, dass sich jemand seiner immer kleiner werdenden Fangruppe Bushidos "Fantasien" für bare Münze oder als Mordaufruf versteht. Der Vorsatz Bushidos müsste aber auch die Anstiftung mit einbeziehen. Die fahrlässige Anstiftung eines geistig Verwirrten mag es geben, sie ist jedoch nicht strafbar. Außerdem sagt Bushido in seinem Text klar, dass er - und kein anderer - die Taten ausübt oder sich wünscht, auszuüben. Diese kleinen Feinheiten sprechen im Übrigen dafür, dass der Texter sich vor Veröffentlichung seines Elaborates anwaltlich sehr genau hat beraten lassen. Vielleicht hat sich Bushido aber auch in seiner Zeit als CDU-Praktikant im Bundestag von einem studentischen Mitarbeiter, der sich in Vorbereitung seines kleinen Strafrecht-Scheins befand, einige Grundregeln erklären lassen.

Beleidigung?

Bleibt allein der Strafvorwurf der Beleidigung nach § 185 StGB: Das Bundesverfassungsgericht hat gerade für diesen, die persönliche Ehre schützenden, Tatbestand die Wechselwirkungslehre für in besonderer Weise unverzichtbar angesehen. Die Trauben hängen also sehr hoch! Der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit fühlt sich durch die ihn betreffende Textpassage (siehe oben) beleidigt und hat daher insoweit Strafanzeige erstattet. Unabhängig vom Erfolg seiner Strafanzeige, hätte ich ihm als Anwalt auch hierzu geraten: Und dies bereits schon deshalb, um ein Zeichen zu setzen, was man nicht mehr bereit ist, zu ertragen.

Doch zum Text: Es heißt "Kay, du Bastard bist jetzt vogelfrei - du wirst in den deinen Arsch gefickt wie Wowereit", womit als "aktiv" angesprochener eine dritte Person gemeint ist, nämlich ein gewisser Kay (Diekmann?), was sich aus der vorherigen Zeile ergibt. Von "Wowereit" wird also lediglich behauptet, dass er eine gewisse Sexualpraxis vollzieht. Dies geschieht durch die drastische Beschreibung allerdings auch auf eine höchst unfreundliche und verächtlich machende Weise. Zwar mag eine gewisse Sexualpraxis unter Homosexuellen theoretisch bestehen und sogar nichts völlig ungewöhnliches sein, aber

  1. Wissen wir nicht, wie es damit der regierende Bürgermeister hält und
  2. selbst wenn es so wäre, darf das Intimleben einer Person nicht in derart verächtlicher Form dargestellt werden, wenn in der Behauptung die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht.

Dies wird besonders deutlich, wenn zum Beispiel über eine heterosexuelle Person behauptet wird, dass sie sich mittels Penetration einer anderen Körperöffnung (um das anzuwendende Fäkalvokabular hier zu vermeiden) vergnügen würde. Aus meiner Sicht darf sich Herr Wowereit daher als beleidigt fühlen. Es gäbe vielleicht aber auch Gerichte, die diese Obszönität Bushidos als von der Kunstfreiheit gedeckt betrachten könnten.

Moralisch haben wir, nämlich die Gesellschaft, die Medien und die Politiker, selber dazu beigetragen und damit auch Schuld, dass Typen wie Bushido ihren festen, noch mit Preisen geschmückten Platz unter uns einnehmen durften. Warum erinnern wir uns nicht an die Beatles, die von Frieden und Liebe sangen, sondern hofieren einen Sänger, der Gewalt und Analsexfantasien propagiert? Wir sind selbst Schuld, dass Bushidos Sprache Teil der "Jugendkultur" wurde und dass junge Menschen sich ganz "cool" finden, wenn sie grunzen wie ein Gangsterrapper.

Jede Gesellschaft bekommt die Musiker, die sie verdient.

Leserkommentare
von fb368205-57 am 17.07.2013 13:08:20# 1
Sehr guter Artikel... Zur Erklärung mit Kay: Damit ist der Rapper Kay One gemeint, der letztes Jahr das Label ersguterjunge verließ. Mit ihm hatte Bushido vorher häufiger Songs zusammen veröffentlicht und verließ das Label im Streit. Aus dem Wikipedia-Artikel von Kay One: "Fünf Tage vorher [bevor Kay One das Label verließ] meldete Bushido die Wortmarke „Kay One" beim Deutschen Patent- und Markenamt an. Kay One äußerte sich darüber negativ und meinte, man wolle seine Karriere beenden. Im Mai 2012 wurde Kay One laut eigener Aussage nach zwei Auftritten von maskierten Leuten mit Messern angegriffen, wobei er allerdings nicht verletzt wurde. Er warf Bushido vor, ihm diese Leute geschickt zu haben. Er bezichtigte ihn darauf hin mit einer Straftat. Bushido äußerte sich öffentlich und verneinte diese Vorwürfe" Seitdem nennt er sich Prince Kay One...
    
von wastl am 17.07.2013 18:34:33# 2
Soweit einverstanden. M.E. dürfte aber auch die Bezeichnung des Herrn Törun als Schwuchtel eine - weitere - Beleidigung sein. Der Text ist, geschmackliche Vorbehalte ausgeblendet, recht geschickt formuliert. Soll z.B. Pochen ein blondes Opfer sein oder wird er für einen gehalten, der blonde Opfer verprügelt?

Ihren letzen Absatz und die Schlusszeile unterschreibe ich sofort.