Erbpacht, was ist das denn?

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Ein kleiner Überblick für Hauskäufer über das Erbbaurecht

Manchmal stechen auf dem Immobilienmarkt Häuser mit auffällig günstigen Preisen hervor. Einige von ihnen stehen auf so genannten Erbpachtgrundstücken. Doch was bedeutet das eigentlich und worauf müssen Käufer achtgeben? Wir haben bei Rechtsanwalt Dr. Andreas Neumann nachgefragt.

123recht.de: Herr Neumann, was ist "Erbpacht"?

Andreas Neumann
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Baurecht, Immobilienrecht, Wohnungseigentumsrecht, Maklerrecht, Werkvertragsrecht

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Der Begriff ist ein Relikt aus der deutschen Rechtsgeschichte und bezeichnete eine Form des Grundbesitzes. Man könnte an "erben" und "pachten" denken. Doch mit beidem hat das, was heute umgangssprachlich als Erbpacht bezeichnet wird, recht wenig zu tun. Es handelt sich heute um das Erbbaurecht, nach § 1 Erbbaurechtsgesetz das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Das Grundstück gehört einem dann nicht.

Das Grundstück wird nicht mitgekauft

123recht.de: Warum sind Häuser auf Erbpachtgrundstücken günstiger?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Das stimmt und gilt übrigens auch für Wohnungserbbaurechte. Das hängt damit zusammen, dass bei einem solchen Immobilienkaufvertrag das Grundstück oder der betreffende Miteigentumsanteil daran nicht mitverkauft wird, sondern nur ein Ausschnitt aus den Eigentumsrechten, eben das Recht, auf dem Grundstück ein Haus bzw. eine Wohnung zu haben.

123recht.de: Das heißt, man kauft nur das Haus?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Oder eben die Wohnung. Richtig, so kann man das treffend zusammenfassen. Man geht dafür noch weitergehende Beschränkungen und Verpflichtungen ein, die sich aus dem Erbbaurechtsvertrag ergeben. Insbesondere wird in aller Regel ein Erbbauzins vereinbart, der durch eine Reallast gesichert wird. Auch dieser Erbbauzins wird umgangssprachlich als "Erbpacht" bezeichnet.

123recht.de: Wem gehören diese Grundstücke in der Regel?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Es handelt sich oft um Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand oder der Kirchen. So kann eine Stadt kann ein Interesse daran haben, Grundstücke in einem Potentialgebiet zu behalten. Erbbauberechtigte ihrerseits versuchen mitunter, den Eigentümern das Grundstück abzukaufen, insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen wie den aktuellen.

Die meisten Erbbaurechtsverträge gehen über 99 Jahre

123recht.de: Wie lange gilt die Erbpacht?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: In der Regel werden 99 Jahre im Erbbaurechtsvertrag vereinbart. Man muss bei Erwerb eines Erbbaurechts daher immer den Erbbaurechtsvertrag auf die verbleibende Dauer hin überprüfen. Eine Verlängerung kann vereinbart werden. Im Erbbaurechtsvertrag kann auch eine Option auf eine Verlängerung enthalten sein. Der Erbbauzins kann nach dem Vertrag wertgesichert sein, so dass bei entsprechender Kaufkraftentwicklung ein Anspruch auf Anpassung entstehen kann.

123recht.de: Kann sie während der Laufzeit steigen?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Die Erbpacht bzw. präziser der Erbbauzins wird regelmäßig an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Bei Überschreiten einer bestimmten Toleranzschwelle entsteht dann ein Anspruch auf Anpassung. Der Erbbauzins kann also steigen, aber auch sinken. Insbesondere kann er auch aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage steigen, beispielsweise bei nicht vorhergesehener Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks, so ein Urteil des BGH vom 23.05.2014 – V ZR 208/12.

123recht.de: Was ist, wenn der Vertrag abläuft, kann/muss ich das Grundstück dann kaufen? / Muss der Erbpachtgeber dem Hausbesitzer das Grundstück verkaufen oder kann er auf einen neuen Pachtvertrag bestehen?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Nein, eher im Gegenteil. Läuft die im Erbbaurechtsvertrag bestimmte Frist ab, erlischt das Erbbaurecht. Der Haus- oder Wohnungsbesitzer hat dann einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch für das Haus gegen den Grundstückeigentümer, wenn dies nicht vertraglich ausgeschlossen wurde.

123recht.de: Man könnte aber auch einen neuen Erbbaurechtsvertrag vereinbaren, oder?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Völlig richtig. Oder den alten verlängern. Ein neuer Notarvertrag ist im Hinblick auf die Privatautonomie jederzeit möglich.

123recht.de: Was ist, wenn ich die neuen Bedingungen finanziell nicht stemmen kann?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Gerät der Erbbauberechtigte mit der Zahlung des Erbbauzinses in Verzug, so kann der so genannte Heimfall eintreten, die vorzeitige Beendigung des Erbbaurechtsvertrags. Auch eine Verletzung anderer Pflichten aus dem Erbbaurechtsvertrag kann den Heimfall auslösen.

Im schlimmsten Fall muss der Hausbesitzer das Haus abgeben

123recht.de: Bedeutet das, dass im schlimmsten Fall der Hausbesitzer sein Haus an den Grundstücksbesitzer verkaufen müsste?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: So kann man das durchaus nennen. Denn im Gegensatz zur Beendigung durch Zeitablauf, bei der nur ein Entschädigungsanspruch für das Bauwerk entsteht, hat der Erbbauberechtigte beim Heimfall Anspruch auf eine angemessene Vergütung für das Erbbaurecht. Aber Vorsicht: Durch den Erbbaurechtsvertrag kann sie bereits geregelt, ja sogar ausgeschlossen sein.

123recht.de: Muss der Erbpachtgeber zustimmen, wenn ich mein Haus wieder verkaufen möchte/muss?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Richtig, meistens ist ein solcher Zustimmungsvorbehalt im Erbbaurechtsvertrag vereinbart. Die Notarin oder der Notar wird daher regelmäßig die Zustimmung des Grundstückseigentümers als Fälligkeitsvoraussetzung für den Kaufpreis vertraglich vorsehen und diese dann einholen

123recht.de: Gibt es noch weitere Besonderheiten oder Gefahren, die unsere Leser zur Erbpacht wissen sollten?

Rechtsanwalt Dr. Neumann: Der Erwerb eines Erbbaurechts darf aufgrund des Koppelungsverbots nicht in einem Zusammenhang mit der Begründung einer Architektenbindung stehen. Der Architektenvertrag wäre ansonsten unwirksam. Für Grundstückseigentümer ist ferner auf die Gefahr der Entstehung eines erbbauzinslosen Erbbaurechts hinzuweisen. Erteilt der Grundstückseigentümer seine Zustimmung zu einem Rangrücktritt der Erbbauzinsreallast hinter einer Grundschuld, so wird bei einem etwaigen Zwangsversteigerungsverfahren die Erbbauzinsreallast gelöscht, und der Grundstückseigentümer erhält keinen Erbbauzins mehr. Von solch einer Zustimmung ist Grundstückseigentümern daher abzuraten.

123recht.de: Herzlichen Dank für das informative Gespräch.

Rechtsanwalt (DE) Dr. Andreas Neumann
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