Der Facebook Marketplace

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Warenverkauf über Facebook - was muss man rechtlich beachten?

Der Facebook Marketplace ist die Antwort von Facebook auf die etablierten Verkaufsplattformen Amazon und eBay. Seit August steht er nun auch deutschen Nutzern zur Verfügung. Was müssen Verkäufer dort allerdings beachten? Wie kommt ein Kauf zustande und welche rechtlichen Besonderheiten gibt es? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwältin Jessica Wagner.

123recht.de: Frau Wagner, was ist der Facebook Marketplace überhaupt?

Rechtsanwältin Wagner: Facebook Marketplace ist eine Antwort auf die bereits sehr verbreiteten Facebook Gruppen, in denen Nutzer lokal Artikel ver- und gekauft haben. Nach Schätzungen sind über 550 Millionen Menschen weltweit in entsprechenden Facebook-Gruppen aktiv. Die Funktion von Facebook Marketplace wurde in den USA seit Oktober 2016 mit Erfolg getestet und startete im August 2017 in Deutschland und 16 weiteren Ländern.

Die Marketplace-Funktion ermöglicht den Facebook-Nutzern mit wenigen Mausklicks gebührenfrei ein Inserat zu erstellen. Mit dem Anklicken des "Etwas verkaufen"-Buttons öffnet sich eine übersichtliche Eingabemaske. Mit deren Hilfe werden die benötigten Produktinformationen und der Preis abgefragt. Abgerundet wird das Inserat mit einem Foto.

Interessierte Käufer können gewünschte Artikel durch eine Suchfunktion und die vorgesehenen Filter "Ort", "Kategorie" und "Preis" ausfindig machen. Die Bestellung wird dann in der direkten Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer abgeschlossen. Es lässt sich mithin feststellen, dass es sich um kein neues Konzept handelt, sondern zugegeben sehr an eBay Kleinanzeigen erinnert.

123recht.de: Sind die Facebook Shops mit regulären Onlineshops oder Auktionsplattformen vergleichbar?

Rechtsanwältin Wagner: Die Funktion ist als eine Art Online-Trödelmarkt konzipiert. Vor diesem Hintergrund vermag nun der erste Gedanke an einen Online-Shop mit seinen ganzen rechtlichen Problemen fernliegen. Jedoch wird in beiden Fällen das Internet als Vertriebskanal genutzt. Bei den zwei wesentlichen Möglichkeiten des E-Commerce, also die Einrichtung und den Betrieb eines Online-Shops oder den Vertrieb über eine Auktionsplattform, vermag Facebook Marketplace eher der zweiten Variante zugeordnet werden können.

Bei einem Online-Shop werden nämlich insbesondere Baukastensysteme bzw. Shopsysteme verwendet, also Software mit Warenkorbfunktion. Das Produkt wird im virtuellen Schaufenster betrachtet und durch einen Klick in den virtuellen Warenkorb gelegt. Ein Online-Shop-System ist daher grundsätzlich durch Shop- und Administrationsdatenbanken, ein zumeist individuelles Präsentationssystem, den bereits genannten virtuellen Warenkorb, eine Schnittstelle zu Bezahlsystemen und ein Trackingsystem für die Sendungsverfolgung gekennzeichnet. Bereits dieser Zuschnitt macht deutlich, dass bei der Ausgestaltung erhebliche Unterschiede feststellbar sind. Bei der Verwendung von Facebook Marketplace nutzt der Verkäufer eine bereits vollständig anwendbare Funktion und erspart sich Kosten, Zeit und Nerven.

Die Haftung für Inhalte liegt allein beim Verkäufer

123recht.de: Wer haftet für die Inhalte des Facebookshops?

Rechtsanwältin Wagner: Soweit überhaupt von einem "Facebookshop" gesprochen werden kann, übernimmt Facebook nach seinen Bedingungen keinerlei Haftung oder Garantie. Insofern trägt der Verkäufer derzeit allein die Verantwortung für seine Inhalte. Dies erscheint auch folgerichtig. Allerdings ist ein möglicherweise getäuschter Käufer auf sich allein gestellt. Insofern können aus der Kölner Rechtsprechung zu Amazon aus dem Jahr 2016 leider keine positiven Rückschlüsse für Facebook Marketplace Käufer gezogen werden. Im Gegensatz zu Facebook hatte im Entscheidungszeitpunkt Amazon erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Angebote seiner Marketplace Händler.

Stellt der Verkäufer ein Produkt auf dem Amazon-Marketplace ein, wird von Amazon eine sog. ASIN, also eine Amazon Standard Identification Number, zugeordnet. Sämtliche Informationen, die zu dieser ASIN zur Verfügung gestellt werden, werden dem betreffenden Produkt zugeordnet, unabhängig davon, welcher Händler sie zur Verfügung gestellt hat. Die Produktdetailseite wird dann über einen Algorithmus aus dem gesamten Fundus der vorhandenen Informationen erstellt. In der Folge können fremde Produktfotos auf der Detailseite zum eigenen Produkt erscheinen. Facebook gibt dagegen nur die Eingabemaske vor, um eingegebene Informationen korrekt zu verarbeiten und hält sich anderweitig aus der Angebotseinstellung heraus.

Für die Beantwortung der Frage, ob im konkreten Einzelfall der Verkäufer haftet, sind die Vertragsparteien und ein möglicherweise wirksamer Haftungsausschluss entscheidend. Verkauft ein gewerblicher Händler, also ein Unternehmer, an einen Verbraucher eine bewegliche Sache, ist eine Beschränkung der Mängelhaftung von Gesetzes wegen nicht möglich. Lediglich die Verjährung der Haftung für gebrauchte Sachen kann auf ein Jahr reduziert werden.

Bei einem Verkauf zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern oder von Verbraucher an einen Unternehmer ist es abhängig, ob der Haftungsausschluss in einem individuellen Vertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu finden ist. Individualvertraglich kann die Mängelhaftung ausgeschlossen werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn Vorsatz des Verkäufers vorliegt oder der Mangel arglistig verschwiegen wurde. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dies nicht möglich.

Gewerbliche Händler auf Facebook unterliegen den gesetzlichen Vorschriften

123recht.de: Was müssen Nutzer des Marketplace rechtlich beachten?

Rechtsanwältin Wagner: Jeder Verkäufer hat selbstverständlich auf wahrheitsgemäße und möglichst umfassende Informationen zu achten. Ebenfalls sollten etwaige Haftungseinschränkungen berücksichtigt werden. Erfolgt der Verkauf im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit, müssen zahlreiche rechtliche Besonderheiten beachtet werden. Es gelten für den Verkauf von Artikeln über den Facebook Marketplace die gleichen gesetzlichen Vorschriften, die für Händler gelten, die einen eigenen Webshop betreiben. Ein Impressum, das den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Telemediengesetz genügt, und die Vorschriften der Preisangabenverordnung sind hier beispielhaft zu nennen.

Besonderen Wert müssen gewerbliche Händler auf die zahlreichen Informationspflichten aus dem Fernabsatzrecht legen, da ihnen anderweitig Abmahnungen drohen. Hierzu zählt ebenfalls eine klare und verständliche Belehrung über das Widerrufsrecht bereits vor Vertragsschluss.

Sollen Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil werden, muss der Verwender den anderen Vertragsteil vor Vertragsabschluss ausdrücklich darauf hinweisen. Bei Verträgen zwischen Unternehmen gelten grundsätzlich andere Regelungen.

Ebenfalls ist eine Datenschutzerklärung durch den Händler bereitzuhalten, in der der Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten und über die Verarbeitung seiner Daten in allgemein verständlicher Form unterrichtet wird.

Für einen auf dem Facebook Marketplace tätigen Händler bedeutet die Erfüllung dieser Pflichten eine erhebliche Anstrengung. Nach derzeitigem Stand müsste dieser vor Vertragsschluss alle Informationen manuell in eine Nachricht an den potentiellen Käufer einfügen. Diese theoretisch durchaus machbare Möglichkeit wird sich aber wohl kaum in der Praxis bewähren.

123recht.de: Der Marketplace ist also ausdrücklich nicht nur für Privatverkäufer sondern auch für gewerbliche Händler geeignet?

Rechtsanwältin Wagner: Unter welchen Bedingungen eine Teilnahme am Facebook Marketplace zulässig ist, ist bedauerlicherweise nicht in einer zentralen Erklärung geregelt, sondern es finden sich einzelne Regelungen in den Facebook- und Marketplace-Richtlinien, sowie den Gemeinschaftsstandards und der Handelsrichtlinie. Hinzu treten inhaltliche Widersprüche, die klare Aussagen nur erschwert möglich machen. Selbst bei dieser zentralen Aussage muss ein Umkehrschluss aus den Facebook-Richtlinien bemüht werden, die zwischen privaten und gewerblichen Verkäufern trennen. Insofern ist davon auszugehen, dass ein gewerblicher Verkauf von Gütern auf dem Facebook Marketplace nach den Nutzungsbedingungen grundsätzlich zulässig ist.

123recht.de: Ab wann gilt man im Marketplace als gewerblicher Händler?

Rechtsanwältin Wagner: Es kommt auf den Einzelfall an. Der Übergang von privat zu gewerblich ist zumeist fließend und bleibt häufig dem gedacht privaten Verkäufer selbst verborgen. Wann die Grenze überschritten wird, kann nur durch eine Gesamtschau unterschiedlicher Indizien, die für oder gegen eine Unternehmereigenschaft des Anbieters sprechen, ermittelt werden. Insbesondere wird hierbei auf die Anzahl und Dauer der einzelnen Verkäufe, die verkaufte Ware selbst, z.B. Neuwaren und gleichartige Artikel, aber auch die Tätigkeit des Verkäufers abseits des Marketplace und, ob er ggf. auch Ware für Dritte veräußert, geachtet.

Ein Kaufvertrag kommt erst nach Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile zustande

123recht.de: Wann kommt ein konkreter Kauf in einem Facebook-Shop zustande und gibt es Besonderheiten beim Marketplace? Welche Probleme können beim Vertragsschluss lauern?

Rechtsanwältin Wagner: Ein Angebot auf dem Facebook Marketplace ist ausschließlich eine Aufforderung an einen anderen Nutzer, ein Angebot zum Abschluss eines Vertrags abzugeben, also eine "invitation ad offerendum". Konkret bedeutet das, das Angebot ist unverbindlich. Die Benutzeroberfläche bietet insofern lediglich die Möglichkeiten "Nachricht an den Verkäufer senden", "Interessiert", "Speichern" und "Teilen". Der von eBay bekannte "Kaufen"-Button ist somit gerade nicht Teil des Angebots. Für den Vertragsabschluss müssen Käufer und Verkäufer somit kommunizieren. Gibt es eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile, also wer von wem was zu welchem Preis kauft, kommt ein Kaufvertrag grundsätzlich zustande. Problematisch ist zumeist das fehlende Bewusstsein der Nutzer, wann sie nun vertragliche Pflichten eingegangen sind.

Händler sollten sich zwecks Problemvermeidung an die strengeren Regelungen der Handelsrichtlinie halten

123recht.de: Gibt es Verbote bezüglich der Produkte, die über Facebook verkauft werden dürfen? Woraus ergibt sich das?

Rechtsanwältin Wagner: Die Spielregeln für den Marktplatz gibt Facebook selbst vor. Allerdings zeigt sich an dieser Stelle erneut ein inhaltlicher Widerspruch zwischen den einzelnen Regelungen.

In der Handelsrichtlinie wird den Verkäufern auferlegt, dass Gemeinschaftsstandards und nicht näher bezeichnete andere Handelsrichtlinien eingehalten werden. Der allgemeinen Beschreibung folgt ein Katalog mit 13 Punkten, aus dem sich ein Verbot für den Verkauf von u.a. illegalen oder Freizeitdrogen bzw. verschreibungspflichtigen Medikamenten, Tabakwaren, Waffen, Tiere, Alkohol, Artikel oder Produkte mit eindeutig sexualisierter Ausrichtung und von "Gesundheitsartikel für Erwachsene" bzw. "Artikel oder Dienstleistungen für Erwachsene" ergibt. Was sich hinter den beiden letztgenannten Punkten konkret verbirgt, bleibt wohl der Auslegung des Nutzers überlassen.

Die Gemeinschaftsstandards sehen dagegen vor, dass ein Handel mit diesen Produkten unter Umständen möglich ist. Facebook regelt hierzu wortwörtlich: "Wenn du ein Angebot zum Kauf bzw. Verkauf von Alkohol, Tabakwaren oder Produkten für Erwachsene postest, erwarten wir von dir, dass du sämtliche geltenden Gesetze einhältst und die Zielgruppe für solche Inhalte sorgfältig prüfst". Nach den Richtlinien von Facebook kann für gewerbliche Händler unter Umständen sogar das Anbieten von Waffen und Munition erlaubt sein.

Wer bei dieser unklaren Ausgangslage den sichersten Weg gehen möchte, sollte als Händler die strengeren Regelungen der Handelsrichtlinie erfüllen und die dort hierin genannten Produkte nicht anbieten.

Private Verkäufer benötigen keine Umsatzsteuer ID

123recht.de: Benötige ich als Verkäufer über Facebook eine Umsatzsteuer ID?

Rechtsanwältin Wagner: Zunächst lohnt sich zur Beantwortung dieser Frage eine nähere Beschäftigung mit der Frage, was die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eigentlich ist. Hierbei handelt es sich um eine eindeutige Kennzeichnung eines Unternehmens innerhalb der Europäischen Union im umsatzsteuerlichen Sinne. Für den Privatverkäufer ist diese Frage somit bereits an dieser Stelle beantwortet. Ferner gelten für Kleinunternehmer besondere Regelungen.

Ein Unternehmer benötigt eine Umsatzsteuer-ID, wenn er steuerpflichtige Leistungen im europäischen Gemeinschaftsgebiet erbringt, also Waren in das übrige Gemeinschaftsgebiet liefert oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet erwirbt, innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte ausführt und steuerpflichtige sonstige Leistungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbringt, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, oder sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers in Anspruch nimmt.

Allerdings hat sich der Facebook Marketplace nach dessen eigenen Angaben hauptsächlich für lokale Verkäufe etabliert. Es kommt wie immer auf die konkrete Nutzung des Facebook Marketplace im Einzelfall an. Es steht einem Verkäufer selbstverständlich frei, auch Artikel zum Versand anzubieten, wodurch sich die Unternehmensaussagen ein wenig relativieren.

Diese Frage fordert auch in einem anderen Zusammenhang noch Beachtung. Ein Blick in das Telemediengesetz verrät, dass eine vergebene Umsatzsteuer-ID zu den Pflichtangaben gehört. Wer seine Informationspflichten ernst nimmt, hat sich vor dem ersten Verkauf bereits ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt.

123recht.de: Wir bedanken uns für das informative Gespräch.

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