Das digitale Erbe

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Wer sein Testament aufsetzt sollte auch immer seine Aktivitäten im Internet bedenken.

Was passiert mit unseren Daten, Accounts und Verpflichtungen im Internet, wenn wir tot sind? Wie kann man sich vorbereiten? 6 Fragen zum digitalen Testament an Rechtsanwältin Nina Marx.

123recht.de: Frau Marx, wir hinterlassen viele Spuren im Netz. Wir haben Profile auf Seiten wie Facebook und Twitter, diverse E-Mail Konten bei Google und anderen Anbietern, bloggen, nutzen Google Docs, Google Kalender, kaufen bei Amazon, verkaufen bei eBay und buchen Reisen. Was passiert eigentlich mit all diesen digitalen Accounts und Tätigkeiten, wenn man stirbt?

Nina Marx
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Rechtsanwältin
Heinrich-Brüne-Weg 4
82234 Weßling
Tel: 08153 8875319
Web: http://www.anwaeltin-heussen.de
E-Mail:
Erbrecht, Kaufrecht, Urheberrecht, Internet und Computerrecht, Miet- und Pachtrecht

Rechtsanwältin Marx: Nach dem Tod treten die Erben an die Stelle des Verstorbenen - mit all seinen Rechten und Pflichten. Sie treten in sämtliche Verträge ein und werden mit der Annahme des Erbes auch verantwortlich für die vom Verstorbenen angelegten Accounts. Das gleiche passiert, wenn die sechswöchige Frist zur Ausschlagung des Erbes ungenutzt abgelaufen ist. Die Erben müssen dann die bereits abgeschlossenen Verträge bei Onlinehändlern erfüllen und z.B. dafür sorgen, dass Verkäufe bei eBay oder anderen Onlineversandhäusern erfüllt werden. Hat der Erblasser eine Internetdomain besessen, so geht das Nutzungsrecht – nicht das Eigentum - an der Domain mit dem Tod auf den Erben über. Der Erbe muss dann im Impressum unverzüglich seinen Namen eintragen.

123recht.de: Haben die Erben also Anspruch auf Zugang zu den Accounts, z.B. bei Facebook, wenn sie die Passwörter nicht kennen?

Rechtsanwältin Marx: Da die Erben die Rechte und Pflichten des Erblassers übernehmen, haben sie Anspruch, auf die digitalen Accounts des Verstorbenen zuzugreifen. Sie sollten daher bei den Anbietern schriftlich unter Vorlage der Sterbeurkunde bzw. des Erbscheins die Zugangsdaten anfordern.

123recht.de: Und wenn ein Unternehmen sich weigert und keinen Zugang gewährt?

Rechtsanwältin Marx: Sollte der Zugang verweigert werden, kann der Erbe auf Herausgabe des Zugangs klagen. Das wird jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn die Firma ihren Sitz oder auch eine Niederlassung in Deutschland hat. Hat die Firma ihren Sitz im Ausland, sollten die Erben einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen, um zu prüfen, welches Recht im vorliegenden Fall Anwendung findet.

123recht.de: Kann man die Probleme im Vorfeld, z.B. durch Regelungen im Testament, minimieren?

Rechtsanwältin Marx: Da der digitale Nachlass bisher noch nicht explizit gesetzlich geregelt ist und es auch noch keine umfassenden gerichtlichen Urteile zu den aufkommenden Fragen gibt, sollten Erblasser die Regelung ihres digitalen Nachlasses selbst lenken. Der Erblasser kann in seinem Testament eine Person als Testamentsvollstrecker des digitalen Nachlasses einsetzen. Möglich ist auch, im Rahmen einer so genannten Vorsorgevollmacht eine Person zu benennen, die auch nach dem Tod die Verfügungsbefugnis über die digitalen Accounts erhalten soll.Der Erblasser sollte seine Accounts sammeln und in einer Tabelle aufführen, um seinen Erben im Todesfall eine langwierige Suche zu ersparen. Die zugehörigen Passwörter können auf einem USB-Stick gespeichert werden und mit dem Testament bei einem Rechtsanwalt oder Notar oder dem Nachlassgericht des letzten Wohnortes hinterlegt werden.

123recht.de: Das klingt ja aber nur dann praktikabel, wenn man seine Passwörter nie ändert. Viele "Poweruser" im Netz wechseln ihre Passwörter aus Sicherheitsgründen aber wöchentlich. Was würden Sie diesen raten?

Rechtsanwältin Marx: In den USA gibt es bereits verschiedene Dienste, bei denen man Passwörter speichern kann. Solche Dienste wird es auch vermehrt in Deutschland geben. Jedoch bleibt abzuwarten, ob die Hinterlegung der Passwörter bei solchen Diensten als sicher gilt. Bei der derzeit offenen Rechtslage kann ich nur raten, die aktuellen Passwörter zu hinterlegen. Ansonsten bleibt den Erben nur die Auseinandersetzung mit dem Inhaber der jeweiligen Internetseite.

123recht.de: Bei Facebook kann man ein Profil auch in eine Gedenkseite für den Toten umwandeln, anstatt das Profil zu löschen oder zu deaktiveren. Dürfen Erben so etwas eigenmächtig einrichten, auch wenn der Gestorbene sich dazu nie geäußert hat?

Rechtsanwältin Marx: Hat der Erblasser einen Erben für seinen digitalen Nachlass bestimmt, sich jedoch nicht über die Vorgehensweise ausgelassen, dann kann der Erbe bestimmen, wie mit den Accounts zu verfahren ist. Der Erbe kann also eine Gedenkseite für den Toten errichten, auch ohne zu wissen, ob der Erblasser dem zugestimmt hätte. Um Missverständnisse und Streit zwischen den Erben zu vermeiden, sollte der Erblasser selbst regeln, ob bestimmte Daten gelöscht werden sollen oder - wie es Facebook anbietet - eine Trauerseite eingerichtet werden soll.

123recht.de: Vielen Dank!


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Leserkommentare
von 123recht.de am 12.04.2013 13:54:17# 1
Update: Google hat für seine Dienste jetzt eine Funktion eingefügt, mit der man den digitalen Nachlass regeln kann.

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