Verschärfte Unterhaltspflicht bei minderjährigen Kindern

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Zahlungspflicht auch bei Arbeitslosigkeit und geringem Verdienst

Lassen sich die Eltern scheiden, so übernimmt oftmals ein geschiedener Ehegatte die Pflege und Erziehung der gemeinsamen minderjährigen Kinder alleine. Zumeist ist dies die Mutter.

In diesem Fall, braucht die Mutter keinen Barunterhalt an die Kinder zu leisten. Das bedeutet, sie muss keinen Unterhalt für die Kinder zahlen, da sie ihrer Unterhaltsverpflichtung bereits durch die Pflege und Erziehung der Kinder nachkommt. Der nicht erziehende Ehegatte muss dagegen Unterhalt durch Geldzahlung erbringen.

Marcus Alexander Glatzel
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Wie ist aber der Fall zu beurteilen, wenn beispielsweise der Vater wegen Arbeitslosigkeit gar nicht in der Lage ist, die Kindesunterhaltszahlungen zu leisten, weil er über ein zu geringes oder kein Einkommen verfügt.

Grundsätzlich gilt, dass sich die Unterhaltsansprüche an seinen Einkommensverhältnissen, also an seiner finanziellen Leistungsfähigkeit orientieren. Geht es jedoch um die Sicherstellung des Minderjährigenunterhalts, dann beurteilt sich die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht nur nach seinem Einkommen, sondern auch nach seinen potentiellen Erwerbsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Diese erhebliche Verschärfung der Unterhaltspflicht, die auch im Gesetz seinen Niederschlag findet, wurde kürzlich durch das Oberlandesgericht Brandenburg noch einmal nachdrücklich bestätigt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.5.2006, Az. : 9 UF 238/05).

Im entschiedenen Fall muss der geschiedene Vater Kindesunterhalt in Höhe der Regelbeträge nach der sog. Regelbetragsverordnung leisten. Hierbei handelt es sich um den gesetzlich festgelegten Mindestunterhalt für minderjährige Kinder. Der Vater wandte im Prozess ein, dass er Arbeitslosengeld II beziehe und daneben nur monatliche Mieteinnahmen in Höhe von 244,- EUR erziele, mithin also nicht in der Lage sei, den Unterhalt zu finanzieren. Im Übrigen habe er sich auch ausreichend um eine Arbeitsstelle bemüht, aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktlage bisher aber leider nichts gefunden.

Dem Oberlandesgericht reichten die nachgewiesenen Bemühungen um einen Arbeitsplatz jedoch nicht aus und unterstellte dem unterhaltspflichtigen Vater daher ein ausreichend hohes Einkommen, um zumindest den Mindestunterhalt zu bezahlen. Denn nach Ansicht des Gerichts muss der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder sichergestellt werden. Denn der Unterhaltsschuldner muss alle nur erdenklichen Bemühungen unternehmen, um dieser Verpflichtung nachkommen zu können. Bemüht er sich dagegen nicht ausreichend, wird das Gericht ein Einkommen unterstellen, dass hoch genug ist, um den Mindestunterhalt zu bezahlen.

Zu den Erwerbsbemühungen führte das Gericht in seinem Beschluss im Einzelnen aus:

Der Unterhaltspflichtige hat sich intensiv und unter Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten, um die Erlangung eines hinreichend entlohnten Arbeitsplatzes zu bemühen. Er muss alle verfügbaren Mitte für den Unterhalt des Kindes verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seinem Leben in Kauf nehmen, um ein die Zahlung des Mindestunterhalts sicherstellendes Einkommen zu erzielen. Bei eigener Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um die Erwerbsstelle zu bemühen. Bei Arbeitsstellen mit geringerem Einkommen ist entweder eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa in Form zusätzlicher Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten. Dabei kommen für die Ausübung einer Nebentätigkeit auch Zeiten in Frage, die üblicherweise dem Freizeitbereich zuzuordnen sind. Die Arbeitsplatzsuche darf sich dabei nicht auf Bereiche des erlernten Berufes beschränken. Vielmehr ist der Unterhaltspflichtige angehalten, jedenfalls nach einiger Zeit, sich um jede Art von Tätigkeit, auch eine solche unterhalb seines Ausbildungsniveaus, zu bemühen. Hierzu zählen auch Arbeiten für ungelernte Kräfte ebenso wie Arbeiten zu ungünstigen Zeiten oder wenig attraktiven Arbeitsbedingungen. Auch muss ein Wohnortwechsel in Kauf genommen werden, gegebenenfalls im gesamten Bundesgebiet, sofern in einem anderen Teil Deutschlands bessere bzw. höher dotierte Erwerbsmöglichkeiten bestehen und die Umzugskosten mit Rücksicht auf den erzielbaren Verdienst tragbar erscheinen.

Für die Suche nach Arbeit hat ein Arbeitsloser die Zeit aufzuwenden, die in der Regel dem Zeitaufwand eines vollschichtigen Erwerbstätigen entsprechen. Regelmäßige Meldungen bei der Arbeitsagentur und die Wahrnehmung sämtlicher von dort angebotener Vermittlungen sind in diesem Zusammenhang selbstverständlich, indes für sich nicht ausreichend. Vielmehr ist auch bei einfachen Arbeitsplätzen die regelmäßige kontinuierliche Auswertung der gesamten einschlägigen örtlichen wie gegebenenfalls auch überörtlichen Tages- und Wochenpresse erforderlich. Eigene Annoncen sind ebenso zu erwarten wie Blind-Bewerbungen bei allen in Betracht kommenden Arbeitgebern. Bewerbungen sind auch bei einfachen Arbeitsplätzen grundsätzlich in schriftlicher Form abzufassen und so zu gestalten, dass sie geeignet erscheinen, den Adressaten von der Ernsthaftigkeit der Bewerbung und der Eignung des Bewerbers zu überzeugen. Bloße telefonische Bewerbungen sind demgegenüber nicht ausreichend.

Mein Tipp:

Der erziehende Elternteil muss sich normalerweise nicht mit der Mitteilung abspeisen lassen, dass kein ausreichendes Einkommen vorhanden ist, um Kindesunterhalt zu zahlen. Kann der andere Elternteil nicht ausreichende Erwerbsbemühungen beweisen, wird dieser trotzdem zur Zahlung verpflichtet sein. Im Gegenzug sollte der andere Elternteil alle seine Arbeitsplatzbemühungen laufend dokumentieren, um diese später beweisen zu können. Im Übrigen darf die Arbeitsagentur Einkünfte, die für Unterhaltsleistung der minderjährigen Kinder dienen, nicht auf die Bezugshöhe des Arbeitslosengeldes II anrechnen.


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Marcus Alexander Glatzel
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