Der Unterhalt für die nichteheliche Mutter

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Wie sehen die derzeitigen Regelungen im Einzelnen aus?

Bald unbeschränkt bis zur Volljährigkeit des nichtehelichen Kindes?

Von Rechtsanwalt Löffler / Assesorin Wendeling

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hat mit Beschluss vom 16.08.2004 einen Rechtstreit ausgesetzt und einen konkreten Normenkontrollantrag bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gestellt. Das BVerfG soll die Vereinbarkeit des § 1615 I Absatz 2, Satz 3 2. HS BGB mit Art. 6 V GG überprüfen.

§ 1615 I BGB bestimmt in seinem Absatz 2, dass der Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter gegenüber dem nichtehelichen Vater grundsätzlich auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes beschränkt ist. Nichtehelich ist ein Kind immer dann, wenn Vater und Mutter ohne Ehe nur in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben. In Ausnahmefällen auch, wenn innerhalb von 302 Tagen nach der Auflösung der Ehe geboren wurde (BGH NJW 1998, 1065, 1065). Die Unterhaltspflicht kann über die drei Jahre sonst nur dann länger bestehen, wenn es insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, den Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Frist zu versagen. In der Regel kommt das nur bei behinderten Kindern in Frage.

Claus-Rudolf Löffler
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Die grundsätzliche Beschränkung des Unterhalts auf drei Jahre verstößt nach Ansicht des OLG Hamm gegen das im Grundgesetz bestimmte Gebot der Gleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern. Deren Mütter erhalten regelmäßig über die drei Jahre hinaus Unterhalt.

Bekommen Mütter von nichtehelichen Kindern nach dem heute geltenden Recht länger als drei Jahre Unterhalt für sich? Müssen Väter länger als drei Jahre Unterhalt zahlen?

Das Argument des Gerichtes: Durch die Leistung von Unterhalt soll die Mutter in der kritischen Phase vor der Geburt und danach von jeder Erwerbspflicht freigestellt werden (BGH NJW 1998, 1309, 1310). Das Kind soll die mütterliche Betreuung bis zum Ende des Kindergartenalters erhalten können.

Was soll ich also machen, wenn ich gerade meinen Unterhalt einklage und das Gericht den Unterhalt auf drei Jahre befristen will?

Der Praktiker rät:

Die Empfehlung geht dahin, die Verfahren offen zu halten. Immer wenn Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sind, gibt es Schwierigkeiten mit der Abänderung von Urteilen, die bestandskräftig sind. Denn eine Änderung der Rechtsprechung oder der Gesetzeslage sind (von Ausnahmen abgesehen) kein Abänderungsgrund im Sinne der ZPO. Eine Möglichkeit könnte sein, den Unterhalt in einem einstweiligen Anordnungsverfahren hinsichtlich des überwiegenden Unterhaltsanspruches regeln zu lassen, und dann das Hauptsacheverfahren (hinsichtlich des Restanspruches) durch Fristverlängerungen, Terminsverlegungen etc. zu verzögern. Alternativ könnte sein, gegen das Urteil erster Instanz auch bei Obsiegen wegen der Befristung Berufung einzulegen und dann im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des OLG Hamm die Aussetzung des Verfahren zu beantragen. Man kann nämlich schon aus dem Urteil erster Instanz den zu zahlenden Unterhaltsbetrag durchsetzen. In beiden Fällen hat man schon einen Unterhaltstitel in der Hand und kann durch Vollstreckungsmaßnahmen diesen Anspruch auch gegen den Zahlungsunwilligen durchsetzen. Wenn alles nichts hilft, ist gegen die abschließende Entscheidung (in der Regel das Urteil eines Oberlandesgerichts) Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Die Regelungen des § 1615 I BGB

  • Mutterschutzunterhalt: Nach § 1615 I Absatz 1 Satz 1 BGB erhält die Mutter einen kurzfristigen Unterhaltanspruch für die Zeit von sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt. Die Mutter hat hierauf einen Anspruch, wenn sie bedürftig und der Vater leistungsfähig ist (Wellenhofer-Klein, FuR 1999, 448, 450).

  • Ersatz von Schwangerschafts- und Entbindungskosten: Nach § 1615 I Absatz 1 Satz 2 BGB erhält die Mutter, sofern sie bedürftig und der Kindsvater leistungsfähig ist, die Schwangerschafts- und Entbindungskosten von dem Vater ersetzt. Zumeist werden diese Kosten wohl aber von der Versicherung der Mutter gedeckt sein.

  • Krankheitsunterhalt: Nach § 1615 I Absatz 2 Satz 1 BGB erhält die nichteheliche Mutter Unterhalt, der frühestens vier Monate vor der Geburt und im Regelfall längstens drei Jahre nach der Geburt gezahlt wird. Die Mutter erhält diesen Unterhalt von dem Vater dann, wenn sie entweder durch die Geburt krank und daher erwerbsunfähig geworden ist.

  • Betreuungsunterhalt der Mutter: Nach § 1615 I Absatz 2 Satz 2 BGB erhält die Mutter für dieselbe Zeitspanne Unterhalt, wenn sie selbst das Kind betreut und daher nicht erwerbstätig sein kann. Sollte der Vater das Kind betreuen, steht ihm nach Absatz 5 der Vorschrift dieser Anspruch gegen die Mutter zu.

  • Billigkeitsregelung: Nur im Einzelfall steht der Mutter über die drei Jahre hinaus ein Anspruch gegen den Vater auf Unterhalt zu. Nach § 1615 I Absatz 2 BGB nur dann, wenn es grob unbillig wäre, der Mutter den Unterhalt zu versagen.

    Denkbar wäre ein solcher Billigkeitsfall bei Gründen, die in der Person des Kindes liegen:

    • Das Kind ist aufgrund einer Behinderung oder Krankheit besonders betreuungsbedürftig (Weber, NJW 1998, 1992, 1998, dieser Fall wird in den Gesetzesmaterialien erwähnt: BT Drucksache 13/ 4899, S. 89 f.).

    • Sonstige Fälle, in denen keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit besteht, wie beispielsweise bei einem Aufenthalt im Ausland, wo es keinen Kindergarten gibt (Büttner, FamRZ 2000, 781, 783).

    • Wenn der Vater in besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt (Büttner, FamRZ 2000, 781, 783).

    Ebenfalls in Betracht kommen können aber auch Gründe, die vorwiegend in der Person der Mutter liegen. Auch diese können geeignet sein den Billigkeitstatbestand des § 1615 I II BGB auszufüllen:

    • Die Mutter hat mehrere Kinder desselben Vaters zu betreuen.

    • Die Mutter ist selbst behindert oder krank und kann daher neben der Kinderbetreuung nicht auch berufstätig sein (Büttner, FamRZ 2000, 781, 783).

    • Wenn das Kind aus einer Vergewaltigung hervor gegangen ist (Puls, FamRZ 1998, 865, 872).

    • Wenn der Vater ein besonderes Vertrauensverhältnis geschaffen hat, indem er z.B. langjährig mit der Mutter zusammen gelebt hat und sie dabei übereingekommen sind, dass die Frau sich vollständig der Kindererziehung widmen solle (Schwab, Familienrecht, 10. Auflage, Rdnr. 773).

  • Konkurrenzen:

    Ist die Mutter zum einen wegen der Betreuung eines Kindes aus einer früheren Ehe gemäß § 1570 BGB ihrem früheren Mann gegenüber unterhaltsberechtigt und außerdem auch noch wegen eines nichtehelichen Kindes gegenüber dessen Vater, dann haften die beiden Väter der Mutter anteilig (Diederichsen, Palandt, § 1616 I, Rdnr. 22).

    Die Verpflichtung des nichtehelichen Vaters zur Unterhaltszahlung geht der Verpflichtung der Verwandten der Frau vor (§ 1615 I Absatz 3 Satz 2 BGB).

    Die nichteheliche Mutter rangiert mit ihren Ansprüchen hinter den Ansprüchen der Ehefrau des Kindvaters, auch dann, wenn diese bereits von ihm geschieden ist.

Steht eine Änderung der Gesetzeslage bevor?

Die Regelungen des § 1615 I BGB unterscheiden sich in vier wesentlichen Punkten von den Regelungen des § 1570 BGB. Der § 1570 BGB regelt den Unterhaltsanspruch der ehelichen Mutter, die mittlerweile vom Vater des Kindes geschieden ist. Die im Folgenden beschriebenen Unterschiede legen einen Verstoß gegen Art. 6 V GG nahe, der die Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern fordert.

  1. Im Rahmen des § 1570 BGB unterscheidet der BGH drei Stufen. Bis zu dem Alter von sechs bis acht Jahren wird es als erforderlich unterstellt, dass sich ein Elternteil jederzeit dem Kind widmen kann. Danach ist bis zu einem Alter von 16 Jahren dem betreuenden Elternteil eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar, ab dem 16. Lebensjahr dann eine Vollzeitbeschäftigung (BGH FamRZ 1983, 456, 458; 1982, 148, 149). Aus diesen Bestimmungen folgt eine andere Beweislastverteilung als bei der Regelung des § 1615 I BGB. Im Falle des § 1615 I BGB muss die Mutter beweisen, dass sie Unterhalt über die drei Jahre hinaus beziehen muss. Im Falle des § 1570 BGB ist dagegen der Vater beweispflichtig für Umstände, die die Unterhaltspflicht herabsetzen könnten.

  2. Ein weiterer Unterschied kann bei der Anschlusssituation festgestellt werden. Bei dem Eingreifen des § 1570 BGB kann sich für die Mutter nach dem Ende der Betreuungszeit ein weiterer Unterhaltanspruch gegenüber dem Vater anschließen. In Betracht kommt hier der Unterhalt wegen Alters, Krankheit oder auch Arbeitslosigkeit (§§ 1571 Nr. 2, 1572 Nr. 2, 1573 III BGB). Diese Regelungen kommen auch dem Kind der Mutter mittelbar zu Gute, da sich die Frau relativ risikolos der Betreuung des Kindes widmen kann (Wellenhofer – Klein, FuR 1999, 448, 451).

  3. Auch der Umfang des Unterhaltes unterscheidet sich. Bei § 1570 BGB ist anders als bei § 1615 I BGB entscheidend für die Berechnung der Höhe des Unterhalts, welcher Lebensstandard zum Zeitpunkt der Scheidung gegeben war. Dagegen ist bei § 1516 I BGB maßgeblich die Höhe des Einkommens der Mutter vor ihrer Schwangerschaft (OLG München FamRZ 1997, 613, 614).

  4. Bei dem Zusammentreffen mehrer Unterhaltsbedürftiger bestehen ebenfalls Unterschiede zwischen der Regelung des § 1570 BGB und dem § 1615 I BGB. Im Falle des § 1570 BGB muss die zweite Ehefrau hinter der ersten unterhaltsberechtigten Ehefrau zurück stehen. Bei § 1615 I BGB ist es genau anders herum. Hier geht der Anspruch der Ehefrau vor.

Aus diesen Überlegungen folgt zweifellos eine zumindest mittelbare Schlechterstellung von nichtehelichen Kindern gegenüber ehelichen. Umstritten ist, ob diese Unterscheidungen Art. 6 V GG verletzen. Nach Art. 6 V GG sind nichtehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern (OLG Hamm OLG Report Hamm 2004, 328, 329).

Als Rechtfertigung der Schlechterstellung der nichtehelichen Kinder wird angeführt, dass es bei § 1615 I BGB an einer durch die Eheschließung übernommenen besonderen wechselseitigen Verantwortung fehle. Die Rechtfertigung wird in dem unterschiedlichen Status der Mütter festgemacht. Schließlich sei der Anspruch als Anspruch der Mutter ausgestaltet und nicht als Anspruch des Kindes (Büttner, FamRZ 2000, 781, 786). Diese Rechtfertigung trifft aber auf Kritik, weil die kindlichen Bedürfnisse unabhängig von dem Status der Mutter seien, und die kindlichen Bedürfnisse immer mittelbar von den Regelungen des § 1615 I BGB betroffen seien (Puls, FamRZ 1998, 865, 868, Wellenhofer – Klein, FuR 1999, 448, 452). Speziell die Leistung von Betreuungsunterhalt diene nicht vorrangig dazu, der Mutter eine Unterhaltsrente zu verschaffen, sondern vor allem dem Interesse des Kindes an bestmöglicher und umfassender Betreuung und Fürsorge (Roth, FamRZ 1991, 139, 145). Auch das OLG Hamm betont, dass die Frage, bis wann es für die gesunde Entwicklung des Kindes am Förderlichsten ist, von zumindest einem Elternteil persönlich betreut zu werden, schon aus wissenschaftlicher Sicht und erst recht im Hinblick auf Art. 6 V GG nur einheitlich beantwortet werden könne (OLG Hamm OLG Report Hamm 2004, 328, 330). Das Gericht sieht eine Rechtfertigung der Schlechterstellung nicht als gegeben an und geht daher von einer Verfassungswidrigkeit des § 1615 I BGB aus (OLG Hamm OLG Report Hamm 2004, 328, 328). Die Regelung des § 1615 I BGB könne auch nicht durch eine großzügigere Handhabung der in ihm enthaltenen Billigkeitsregelung mit Art. 6 V GG zu vereinbaren sein. Um eine Gleichstellung der unehelichen mit der ehelichen Mutter zu erreichen, müsste das Regel-Ausnahmeverhältnis des § 1615 I BGB vollständig umgekehrt werden (OLG Hamm OLG Report Hamm 2004, 328, 330).

Die Stimmen in der Literatur, die vertreten, dass § 1615 I BGB verfassungskonform ist, halten dennoch eine Gleichstellung der nichtehelichen Mutter mit der ehelichen Mutter, zumindest was den Betreuungsunterhalt angeht, für wünschenswert. Gegen eine vollständige Gleichstellung der nichtehelichen mit der ehelichen Mutter wird im Hinblick auf den Anschlussunterhalt dagegen angeführt, dass eine solche gegebenenfalls lebenslange, unterhaltsrechtliche Bindung der Partner aneinander nur im Verhältnis zu einem ehemaligen Ehepartner zumutbar erscheine (Schwab/ Wagenitz, FamRZ 1997, 1377, 1382).

Offen ist, welche Ansicht das BVerfG vertritt. Das Geicht hatte jedoch im Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde betont, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1615 I BGB weder einfach noch eindeutig zu entscheiden sei (BVerfG FamRZ 2004, 1013, 1014). Die Entscheidung des BVerfG über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1615 I BGB steht noch aus.


Claus-Rudolf Löffler, Hannover
Rechtsanwalt am OLG Celle,
Fachanwalt Familienrecht und Steuerrecht,
Mediator

Aenne Wendeling, Hannover
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