Aktuelle Entwicklungen zum Sorgerecht für nichteheliche Kinder

Mehr zum Thema: Familienrecht, gemeinsames Sorgerecht, nichteheliche Kinder, Eltern, Gesetzentwurf, Reform
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Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 10.08.2012 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.

Hintergrund ist die gesellschaftliche Entwicklung, nach welcher der Prozentsatz der nicht ehelich geborenen Kinder, gemessen an der Gesamtzahl der Geburten, in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Mittlerweile kommt in Deutschland etwa jedes dritte Kind nichtehelich zur Welt.

Nach der gegenwärtigen Gesetzeslage besteht für Väter nichtehelicher Kinder keine Möglichkeit, gegen den Willen der Mutter am Sorgerecht beteiligt zu werden. Nur durch die Sorgeerklärung der Mutter ist die Begründung der gemeinsamen Sorge für nichteheliche Kinder möglich. Nach einer Statistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2009 wurde jedoch lediglich in rund 50 % der Fälle eine gemeinsame Sorgeerklärung für nicht ehelich geborene Kinder abgegeben. Dabei ergab ein vom Justizministerium in Auftrag gegebenes Forschungsvorhaben, dass in vielen Fällen eine gemeinsame Sorgetragung aus Gründen verweigert wird, die keinen Bezug zum Kindeswohl haben, sondern auf Probleme in der Paarbeziehung zurückzuführen sind.

Sascha Steidel
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Hintergrund der Gesetzesinitiative der Bundesregierung ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 03.12.2009 im Fall „Zaunegger gegen die Bundesrepublik Deutschland“ entschieden hatte, dass deutsche Väter außerehelich geborener Kinder beim Zugang zur gemeinsamen elterlichen Sorge diskriminiert würden. Am 21.07.2010 entschied sodann das Bundesverfassungsgericht, dass die Vorschriften des BGB, die sich mit der elterlichen Sorge nicht ehelich geborener Kinder beschäftigen, zum Teil mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher verfassungswidrig sind.

Nach dem aktuellen Gesetzentwurf soll die gemeinsame elterliche Sorge durch gerichtliche Übertragung auf Antrag eines Elternteils entstehen, wenn die Übertragung „dem Kindeswohl nicht widerspricht“. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach einer Beziehung zu beiden Elternteilen entspricht.

Es soll also nur dann von einer gemeinsamen Sorge abgesehen werden, wenn das Familiengericht zu dem Ergebnis gelangt, das die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht.

Hinzu kommt, dass in dem geplanten familiengerichtlichen Verfahren die Mutter stichhaltige Gründe vortragen muss, die gegen eine Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge sprechen. Unterlässt sie dies, greift eine geplante gesetzliche Vermutung, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht. Das Gericht kann dann aufgrund dieser gesetzlichen Vermutung entscheiden, dass die gemeinsame Sorge beider Elternteile begründet wird.

Weiter eröffnet der Gesetzentwurf der Bundesregierung dem Vater sogar die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung, durch die ihm die Alleinsorge selbst gegen den Willen der Mutter zugesprochen werden kann. Hierfür ist nach dem vorgesehenen Gesetzesentwurf allerdings erforderlich, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes „am besten entspricht“. Hier muss also positiv geprüft werden, dass die Ausübung der alleinigen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht, das Leitbild einer gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge also in diesem Einzelfall nicht zutreffend ist.

Nach den oben genannten Entscheidungen des EGMR und des BVerfG war angeordnet, dass bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung die entsprechenden Vorschriften des BGB so anzuwenden seien, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge beiden Eltern überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Darüber hinaus könnte auch das Kindeswohl dem Vater allein übertragen werden, wenn eine gemeinsame elterliche Sorge ausscheidet. Diese für einen Übergangszeitraum geltende Anordnung soll nun im laufenden Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Der Gesetzentwurf wird derzeit noch in Ausschüssen diskutiert. Eine Stärkung der Rechte für Väter von nichtehelichen Kindern ist damit jedenfalls in greifbare Nähe gerückt.

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