Tätersuche über Facebook - ist das erlaubt?

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Was ist der Unterschied zwischen der privaten Suche nach Tätern und Fahndungen durch das LKA in sozialen Netzwerken?

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Fahndungsaufrufe im Internet nehmen immer mehr zu. Auf Webseiten oder auch sozialen Netzwerken wie Facebook findet man ganz offizielle Fahndungen, erstellt z.B. vom Landeskriminalamt. Daneben gibt es aber auch private Aufrufe, oft im Zusammenhang mit Handy-Diebstählen. Bei den privaten Fahndungen werden dann Fotos veröffentlicht, die die vermeintlichen Täter von sich oder ihrer Umgebung gemacht haben. Dank moderner Technik werden diese nämlich oft ohne Wissen der Täter in die Cloud des Bestohlenen hochgeladen, so dass der eigentliche Besitzer des Smartphones plötzlich auf die fremden Fotos zugreifen kann. Ob diese Methode der Täterermittlung rechtens ist, wollen wir von Rechtsanwalt Markus Sittig wissen.

123recht.de: Herr Sittig, mein Handy ist weg, auf meinem Rechner tauchen plötzlich Selfies des mutmaßlichen Diebes auf, die sich automatisch synchronisiert haben. Darf ich die Fotos verwenden und online stellen?

Veröffentlichung der Bilder kann Persönlichkeitsrechte verletzen

Rechtsanwalt Sittig: Ich würde davon grundsätzlich abraten. Wenn darauf Personen mit Gesicht erkennbar sind, liegt jedenfalls ein Verstoß gegen das KunstUrhG vor. Daneben kann dadurch auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Abgebildeten verletzt werden. Da man nicht abschätzen kann, ob aus dem Umfeld möglicherweise Rückschlüsse auf eine nicht eindeutig erkennbare Person gezogen werden könnten, steht auch immer ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Raum.

123recht.de: Sind private Tätersuchen grundsätzlich verboten oder gibt es Ausnahmen?

Rechtsanwalt Sittig: Private Tätersuchen sind solange rechtmäßig, wie dadurch keine Rechte desjenigen verletzt werden, nachdem gesucht bzw. gefahndet wird oder anderer Dritter. Allerdings dürften die meisten Tätersuchen, so wie sie derzeit über soziale Netzwerke durchgeführt werden, gerade nicht rechtmäßig sein.

Mögliche Folgen: Lynchjustiz und Vorverurteilung Unschuldiger

123recht.de: Was ist so gefährlich daran?

Rechtsanwalt Sittig: Das Gefährdungspotential privater Tätersuchen ist vielfältig.

Der Druck, der dadurch auf den Täter ausgeübt wird, kann zunächst schon eine Gefährdung für den Suchenden auslösen: Der Täter versucht, sich für die Tätersuche zu rächen und begeht dadurch weitere Straftaten. Auch könnten Dritte, die auf Bildern abgebildet sind, zu illegalen Maßnahmen greifen, um sich gegen ihre Abbildungen zu wehren.

Neben diesen Gefährdungen für den Suchenden besteht aber auch das Risiko, dass dadurch ein Unschuldiger in der Öffentlichkeit vorverurteilt wird, z.B. wenn er das Telefon von eigentlichen Täter gutgläubig erworben hat. Dies kann derjenige, der die Tätersuche anstößt, schließlich nicht überprüfen.

Es besteht die Gefahr, dass durch eine solche Fahndung eine Art "Lynchjustiz" begünstigt wird, bei der sich Dritte zu einer privaten Strafverfolgung aufgerufen fühlen, die dazu gar nicht berechtigt sind. Insbesondere, wenn ein Unschuldiger so in eine solche private Tätersuche gerät, kann dies unwiderrufliche Konsequenzen nach sich ziehen, die dann aber vor allem auch zu Lasten des Tätersuchenden ausschlagen können - in Gestalt von gegen ihn geführten Gerichtsprozessen.

Schließlich kann eine solche Tätersuche sogar derart "nach hinten losgehen", weil Beweise in einem späteren Strafverfahren nicht mehr verwertet werden können, weil sie rechtswidrig beschafft wurden. Das kann dazu führen, dass ein sicher feststehender Täter sogar freigesprochen werden muss.

Geschädigte können sich mit der unerlaubten Veröffentlichung der Selfies selbst zum Täter machen

123recht.de: Aber ich beschaffe mir Fotos doch nicht rechtswidrig, wenn sie vom Täter in meine Cloud hochgeladen werden?

Rechtsanwalt Sittig: Für die Beweisverwertung ist irrelevant, dass etwaige Bilder vom Täter selbst in die eigene Cloud hochgeladen wurden. Entscheidend ist nur, dass aufgrund der rechtswidrigen Verwendung solcher Bilder oder Videoaufnahmen später der Täter gefasst wird. Mit einer solchen Rechtsverletzung beim Täter wird in dessen Rechtskreis unmittelbar eingegriffen, so dass ein Beweisverwertungsverbot jedenfalls im Raum steht.

123recht.de: Welche ganz konkreten Konsequenzen drohen mir, wenn ich private Fahndungen durchführe?

Rechtsanwalt Sittig: Es droht sowohl eine rechtliche Inanspruchnahme durch den Täter selbst oder Dritte, die ohne Genehmigung öffentlich abgebildet werden. Hauptsächlich steht ein Verstoß gegen das KunstUrhG im Raum wegen unerlaubter Verwendung von Abbildungen einzelner Personen. Daneben ist auch ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften sehr wahrscheinlich. Weitere Rechtsverstöße sind denkbar.

Diese Ansprüche können durch außergerichtliche anwaltliche Abmahnungen betrieben werden und auch in Gerichtsverfahren münden, in denen dann gegen den Tätersuchenden insbesondere auf Unterlassung und Schadensersatz geklagt wird.

Schließlich ist auch die strafrechtliche Dimension zu beachten. Die mit einer Bildveröffentlichung einhergehenden Rechtsverstöße sind häufig nicht nur in zivilrechtlicher Hinsicht relevant, sondern auch in strafrechtlicher. Es droht also, dass der eigentlich Geschädigte mit vermeintlich gut gemeintem Anliegen noch selber zum Straftäter wird.

IMEI-Nummer zur Ortung des Telefons

123recht.de: Was raten Sie mir, wenn mein Handy geklaut wurde und dann später Bilder in meiner Cloud auftauchen?

Rechtsanwalt Sittig: Einem Bestohlenen ist zu empfehlen, Strafanzeige zu erstatten und die Ermittlungen der Polizei zu überlassen. Bei einer solchen Diebstahlsmeldung sollte unbedingt die IMEI-Nummer des Telefons angegeben werden, da die Polizei darüber eine Ortung durchführen kann.

Daneben bieten zahlreiche Handy-Anbieter Diebstahlschutzvorrichtungen an, die meist auch eine Ortung des Geräts ermöglichen. Zudem sollte man sein Handy immer mit einem aufwändigen Zugangscode schützen, damit ein etwaiger Dieb wenigstens nicht unüberschaubare Telefongebühren durch dessen Verwendung auslösen kann.

Fotos in der Cloud an Polizei weiterleiten

123recht.de: Was ist der Unterschied zu den polizeilichen Fahndungen in den sozialen Netzwerken? Oder anders gefragt, wieso darf die Polizei das?

Rechtsanwalt Sittig: Die Strafverfolgung ist Aufgabe der Polizei. Insbesondere beachtet man dort aber regelmäßig die gesetzlichen Vorgaben und beschränkt sich darauf, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten über öffentliche Aufrufe zur Beibringung von Hinweisen eine Ermittlung zu befördern. Das Personal dort ist dafür ausgebildet und hat die erforderlichen Kenntnisse, um eine solche "Tätersuche" auch nach den strafrechtlich gebotenen Methoden durchzuführen.

123recht.de: Vielen Dank Herr Sittig.