Samenspende – für Spender und Empfänger ein gutes Geschäft?

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Entstanden aus einer Samenspende – Fragen zur Abstammung, Anonymität des Spenders, Unterhalt und Vaterschaft

Samenspende – für Spender und Empfänger ein gutes Geschäft?

Die Tochter eines anonymen Samenspenders hat das Recht auf die Herausgabe des Namens ihres biologischen Vaters. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm. Was ändert sich dadurch für Spender und Kinder? Ein Interview mit Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Claudia Daniela Berger rund um das Thema Samenspende und das Recht eines Kindes, über seine Abstammung Bescheid zu wissen.

123recht.de: Samenspende bei einer Samenbank - Wie wird man Spender, was passiert mit meinen Daten und meinem Samen?

Claudia Daniela Berger
Partner
seit 2007
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht
Kleiner Griechenmarkt 40
50676 Köln
Tel: 0221 - 78 80 58 0
Web: http://www.berger-federenko.de
E-Mail:
Eherecht, Kindschaftsrecht, Mediation, Lebenspartnerschaftsrecht

Rechtsanwältin Berger: Die Auswahl der Samenspender erfolgt durch ein differenziertes Bewerbungsverfahren. Die Spender müssen zumeist zwischen 18 - 40 Jahre alt sein. Bevorzugt werden Personen mit einer höheren Ausbildung oder Studenten. Zudem wird die familiäre Krankheitsgeschichte des Spenders insbesondere auf vorhandene Erbkrankheiten überprüft. Die Spenderdaten müssen nach einer Gesetzesänderung im Jahre 2007 für mindestens 30 Jahre aufbewahrt werden. Die Spende wird nach der Abgabe kältekonserviert und nochmals auf vorhandene Krankheiten untersucht.

Alter, Beruf, Hobbys und Augenfarbe des Spenders

123recht.de: Welche Informationen bekommt die Frau von dem Spender, wenn Sie sich für sein Sperma entschieden hat?

Rechtsanwältin Berger: Die Frau erhält vor der künstlichen Befruchtung in der Regel Informationen über das Alter und den Berufsstand des Spenders, ebenso über persönliche Merkmale wie Augen- und Haarfarbe oder Hobbys. Namen und Anschrift des Spenders werden der Familie hingegen nicht mitgeteilt.

123recht.de: Die Daten des Spenders werden dennoch für 30 Jahre bei der Samenbank gespeichert, warum?

Rechtsanwältin Berger: Zum einen werden die Spenderdaten gespeichert, weil dem gezeugten Kind ein grundrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis seiner Abstammung zusteht. Zum anderen können die Daten auch bei später auftretenden Erkrankungen des Kindes zum Zwecke eines Abgleichs der Krankengeschichte relevant sein.

123recht.de: Bekommt der Samenspender eine Mitteilung, wenn sein Sperma verschickt wurde und daraus ein Kind entstanden ist?

Rechtsanwältin Berger: Der Samenspender unterzeichnet in der Regel einen Vertrag mit der Samenbank, in dem er ausdrücklich auf jegliche Auskünfte hinsichtlich der Verwendung seiner Spende verzichtet.

Kenntnis der genetischen Abstammung wichtiger als Anonymität des Vaters

123recht.de: Welche Auswirkungen hat das Urteil des OLG Hamm für Samenspender?

Rechtsanwältin Berger: Mit dem Urteil des OLG Hamm vom 06.02.2013 wurde klargestellt, dass im Einzelfall das Recht des durch eine heterologe Insemination gezeugten Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung höher gestellt sein kann als das Recht des Samenspenders an der Geheimhaltung der Spenderdaten. In einem solchen Fall kann das Kind von dem behandelnden Arzt Auskunft über seine genetische Abstammung verlangen.

123recht.de: Warum ist das Recht der Tochter wichtiger als das Recht des Vaters auf Anonymität, so wie es eigentlich vereinbart war?

Rechtsanwältin Berger: Das grundrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung wird für die Entwicklung seiner Persönlichkeit als besonders bedeutsam eingestuft. Das Interesse des Samenspenders an der Aufrechterhaltung seiner Anonymität wird im Vergleich dazu als weniger schutzbedürftig angesehen. Dies gilt insbesondere weil der Samenspender auch schon aufgrund der vor dem 06.02.2013 bestehenden Rechtslage damit rechnen musste, später mit einem Auskunftsverlangen eines aus der Samenspende erzeugten Kindes konfrontiert zu werden. Soweit eine entsprechende Aufklärung durch die beteiligte Samenbank nicht erfolgt ist, kann der Samenspender gegebenenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Samenbank geltend machen.

Durchsetzung von Unterhaltansprüchen weiterhin schwer

123recht.de: Rückwirkende Unterhaltsansprüche und Kinder, die ihren Vater kennenlernen wollen, können also in Zukunft häufiger werden? Könnte das nicht potentielle Samenspender abschrecken?

Rechtsanwältin Berger: Infolge des Urteils des OLG Hamm werden möglicherweise zukünftig häufiger Spenderkinder versuchen, ihren genetischen Vater ausfindig zu machen. Die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den genetischen Vater dürfte jedoch erheblich erschwert sein, da zumeist die rechtlichen Eltern im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung mit der Samenbank den Samenspender von etwaigen Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind freigestellt haben. Sollte das Kind seinen Erzeuger dennoch erfolgreich auf Unterhalt verklagen, kann dieser die rechtlichen Eltern des Kindes auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Auch wenn sich die Rechtslage mit dem Urteil des OLG Hamm nicht grundlegend verändert hat, wird die erneute Aufklärung zu diesem Thema möglicherweise dazu führen, dass die Spenderzahlen zurück gehen.

123recht.de: Können Samenspender ihrer Samenbank jetzt rückwirkend die Verwendung der Spenden verbieten?

Rechtsanwältin Berger: Hier kommt es auf die vertragliche Vereinbarung mit der beteiligten Samenbank an. Häufig werden die Spender rechtswirksam auf jegliche Rechte hinsichtlich der weiteren Verwendung der Spende verzichtet haben.

Samenspender haben kein Recht auf Auskunft über mögliche Kinder

123recht.de: Was ist, wenn der Spender auf einmal wissen möchte, ob er ein Kind hat. Kann der Samenspender von sich aus Kontakt herstellen?

Rechtsanwältin Berger: Auch diesbezüglich werden im Vertrag mit der Samenbank zumeist jegliche Auskunftsrechte und eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines gezeugten Kindes durch den Samenspender wirksam ausgeschlossen. Ein Auskunftsersuchen bei der Samenbank wird somit nicht durchsetzbar sein, weil der Spender bewusst auf seine Rechte verzichtet hat.

123recht.de: Es gibt auch die Möglichkeit, sich privat über eine Samenspende zu einigen. Wo sind die Unterschiede zur Samenbank?

Rechtsanwältin Berger: Die private Samenspende stellt ein zusätzliches Risiko für den Spender dar, da der Familie die Identität des Spenders bereits bekannt ist. Besonders in Fällen von Trennung oder Scheidung kann es dazu kommen, dass der rechtliche Vater die Vaterschaft anficht und der Spender sich dann Unterhaltsforderungen ausgesetzt sieht. Zudem kann es auch passieren, dass der Spender später selbst die Entwicklung seines Kindes nachverfolgen will und seinerseits Ansprüche auf das Kind erhebt. Zudem unterbleibt die Untersuchung der Samenspende auf genetische Krankheiten. Der Entscheidung über eine private Samenspende sollte daher eine umfassende rechtliche und medizinische Beratung vorausgehen.

Private Samenspender: rechtlich und medizinisch beraten lassen

123recht.de: Können private Spender ihre Identität wirksam vor der Empfängerin geheim halten und so Unterhaltsansprüchen entgehen? Was ist, wenn das Kind später den Vater kennenlernen will - ist nicht meist ein Arzt involviert - HIV-Test, Spermiogramm - der die Daten dann ebenfalls nennen muss?

Rechtsanwältin Berger: Ebenso wie bei der Inanspruchnahme einer Samenbank hat das gezeugte Kind später einen Anspruch auf Feststellung seiner genetischen Abstammung. Dieser kann bei der privaten Spende möglicherweise auch gegen einen beteiligten Arzt geltend gemacht werden. Wenn keine wirksame Freistellungsvereinbarung mit den beteiligten Eltern vorliegt, muss der private Spender umso mehr mit einer Inanspruchnahme auf Unterhaltszahlungen rechnen.

123recht.de: Hat das Urteil des OLG auch Auswirkungen auf anonyme Geburten oder Babyklappen?

Rechtsanwältin Berger: Direkte Auswirkungen auf den Gebrauch so genannter „Babyklappen" hat das Urteil des OLG Hamm nicht. Der Bundestag hat aber am 07.06.2013 ein Gesetz zur vertraulichen Geburt beschlossen, das weiterhin Schwangeren in einer Notlage eine anonyme Geburt ermöglichen soll. Das Kind soll jedoch das Recht erhalten, ab dem 16. Lebensjahr eine nur ihm zugängliche Herkunftsurkunde einsehen zu können. Der Mutter soll aber im Härtefall ein Einspruchsrecht hinsichtlich der Weitergabe ihrer persönlichen Daten zustehen. Der Bundesrat muss diesem Gesetz noch zustimmen. Das Gesetz soll am 01.05.2014 in Kraft treten.

123recht.de: Vielen Dank für das Gespräch Frau Berger!